Hannah Weiss Group - Terra

Hannah Weiss Group - Terra

Hannah Weiss Group
Terra

Erscheinungstermin: 22.07.2022
Label: enja & yellowbird records, 2022

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Hannah Weiss - voc
Sam Hylton - p
Robin Jermer - b
Flurin Mück - dr
Feat. Moritz Stahl - sax

In Civilisation, der ersten Single des Debütalbums Terra der Hannah Weiss Group, geht es um Gegensätze und deren unbedingte Anziehung, die zwischen ihnen herrscht. Das eine geht ohne das andere nicht, Reichtum geht ohne Armut nicht, beides existiert nebeneinander und wird im Gleichgewicht gehalten. Diese Wechselwirkungen sind allgegenwärtig: Demokratie beruht darauf, die Balance zwischen verschiedenen Interessen zu halten, so gegensätzlich sie auch sein mögen. Andauernd bewegen wir uns in diesem Kraftfeld, das so instabil und fragil ist. Civilisation handelt von der Frage, wie wir diesen Beziehungen begegnen, wie wir durch die Welt gehen oder vielleicht gehen sollten? Beobachtend, vor allem wenn uns Fremdes und Neues verunsichert. Abwartend und demütig, sollten wir dem begegnen, was wir nicht kennen und nicht verstehen – die hauchdünne Decke der Zivilisation begreifend.

Im Musikvideo sehen wir die Sängerin wie sie uns beobachtet, aus dem Standpunkt der unterschiedlichen Kulissen, in die sie eintaucht – wie das Publikum, das ihr aus der Ferne zuschaut und immer nur dazu in der Lage ist einen ausgeschnittenen Teil des Ganzen zu fassen. Die Szenerie offenbart sich in ihrem Zustand von ständiger Veränderung und Dekonstruktion als ein Raum der Ungewissheit.

Es gibt viele Möglichkeiten, eine Frage zu formulieren. Die unverschlossensten, vielleicht schönsten hört man auf Terra, dem Debütalbum der 1992 geborenen Jazzsängerin Hannah Weiss. Die Stimme der in der Schweiz aufgewachsenen Münchnerin kann nicht nur kühl und warm, sie deckt vielmehr sämtliche Temperaturbereiche ab. Die 2019 mit BMW Welt Young Artist Jazz Award ausgezeichnete Weiss balanciert gekonnt auf Zwischentönen und klingt bei allem für sie typischen Timbre immer wieder neu und überraschend anders – sodass auch ohne Text sofort klar wird, worum es hier geht. Um Angst, um Flucht und Hunger und Schmerz. Und um Liebe, Sehnsucht und Hingabe. In den Texten ihrer als neunteilige Suite angelegten Komposition Terra, die dem Album auch seinen Namen gibt, schildert Weiss, was sie sieht und beschäftigt, sie besingt das paradox normale Nebeneinander unterschiedlichster Gefühls- und Weltzustände, ohne zu urteilen, und in dem Wissen, dass das eine das andere nicht weniger relevant macht.

Terra klingt einerseits spielerisch leicht: ein durchkomponiertes, klangschönes Konzeptalbum, das einen frühlingsbrisig anweht. Andererseits ist da ein unverkennbar melancholischer Unterton, eine zärtliche Wut. Was Weiss antreibt, ist das Sich-Wundern. Inspiration fand sie auf einer Reise durch Südafrika und Mosambik – zurück in Deutschland arbeitete sie die dort entstandenen Texte, Gedichte, Gedanken zu Lyrics aus, am Klavier gesponnene Melodien ergänzte und schliff sie mit ihrer seit vielen Jahren bestehenden Band in München: der Hannah Weiss Group. Das Quartett, das sich während des gemeinsamen Studiums an der Münchner Hochschule für Musik und Theater gefunden und 2020 seine erste EP veröffentlicht hat, ist Preisträger des Sparda Jazz Award 2021 und erzählt auf Terra losgelöst von kompositorischen Konventionen und abseits der typischen Songform von Freiheit und Neugierde, auch musikalisch: Das hier ist Jazz, der an den Rändern ausfranst, sich freispielt von Klischees. Zwischen percussionbetonten akustischen Klängen und collagierter Elektronik lässt Weiss auf Terra viel Raum für virtuose und feingliedrig ineinandergreifende Solopassagen von Piano (Sam Hylton), Drums (Flurin Mück), Bass (Robin Jermer) und Gast-Saxofonist (Moritz Stahl), und auch ein Chopinwalzer schält sich hervor.

Wenn Jazz-Elemente das Fundament dieses Albums bilden, den Rohbau, dann sind Fassade, Innenausbau, Einrichtung ein überwältigend gut funktionierendes Experiment, verschiedene musikalische Einflüsse zu kombinieren. So offen zu denken, wie nur irgend möglich – dieser Anspruch spiegelt sich auch in der Instrumentierung wider: Weiss, die auch Musik für Theaterproduktionen schreibt und die auch als DJ tätig ist und in der monatlichen Radioshow Trippie presents auf Radio 80000 als Trippie ihre neuesten musikalischen Entdeckungen von Ambient bis Experiment präsentiert, ergänzt ihre Band auf Terra um Instrumente wie Synthesizer, Sanusula und Koshi Bell. Damit steht das Album luftig im Getöse dieser Zeit, ist klar, ohne starr zu sein: die detailversessene Kombination einer Stimme, die immer wieder elegant und behutsam ins Fragende abbiegt, mit Texten, die viele Wege aufmachen, und einer fantastisch arrangierten und virtuos gespielten Musik. Terra ist ein Album, das aktuell ist und klug, und schlicht: wunderschön.

Text: enja & yellowbird records

jazz-fun.de meint:
"Terra" ist kein einfaches Album, das viele Wege, Erzählungen und Konzepte miteinander verbindet, sich allen Versuchen einer Kategorisierung entzieht, zwischen Songwriting, Jazz und Experimenten oszilliert und somit Aufmerksamkeit, Zeit und Fokus erfordert, aber sicherlich jeden Moment wert ist, den man damit verbringt.

  1. Intro
  2. Strange I
  3. Civilisation
  4. Counterattack
  5. Strange II
  6. 39 bells
  7. I think of
  8. So heavy
  9. Outro

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