Lee Konitz

Lee Konitz, Foto: Hans Peter Schaefer
Lee Konitz, Foto: Hans Peter Schaefer

Biographie

Lee Konitz (* 13. Oktober 1927 in Chicago, Illinois, USA; † 15. April 2020 in Greenwich Village, New York City) ist ein Altsaxophonist des Modern Jazz. Auf dem Altsaxophon stellte er am Ende der 1940er Jahre den einzigen originären Beitrag neben Charlie Parker dar und zugleich beginnend mit seiner ersten Einspielung von Subconscious-Lee „den wichtigsten neuen Einfluss nach diesem“. In seiner motivischen Arbeit erreichte die Soloimprovisation Martin Kunzler zufolge „einen ästhetischen und inhaltlichen Höhepunkt.“ Mit seiner linearen Spielhaltung prägte der neben Lennie Tristano „bedeutendste Cool-Innovator“ Musiker wie Paul Desmond oder Bill Evans ebenso wie Hans Koller und Albert Mangelsdorff und schließlich sogar Avantgardisten wie Anthony Braxton.

Lee Konitz kaufte 1938 eine Klarinette und eine Selbstunterrichtungsmethode, dann 1939 ein Tenorsaxophon. Er war zunächst als Altsaxophonist bei Teddy Powell und Jerry Wald tätig, bevor er zwei Jahre das Roosevelt College besuchte. Seine ersten Aufnahmen machte Konitz 1947 und 1948 mit Claude Thornhill.

Mit 21 Jahren war Lee Konitz in New York Mitglied im berühmten Miles Davis/Gil Evans-Nonett, das an den Plattensessions von Birth of the Cool beteiligt war. Diese Aufnahmen (1949-50) sind eine der Ursprünge des Cool Jazz. Die Mitgliedschaft in dieser Band zeichnete ihn aus, weil er als Weißer in diese Band aufgenommen wurde, obwohl es zu dieser Zeit genügend arbeitslose afroamerikanische Altsaxophonisten gab. Gleichzeitig arbeitete er mit dem Pianisten Lennie Tristano und dem Tenorsaxophonisten Warne Marsh zusammen und nahm 1949 mit ihnen und Billy Bauer erste freie Improvisationen auf (insbesondere „Intuition“ und „Digression“, auf Crosscurrents).

Ab Anfang der 1950er entfernte er sich vom Cool Jazz: „Seine weit geschwungenen Achtel-Ketten folgen primär motivischen Entwicklungsmöglichkeiten und Idealen der inneren Symmetrie.“ Konitz arbeitete 1951 in Schweden (Sax of a Kind, Americans in Sweden); 1952 spielte er in Kanada mit Tristano, dann in Stan Kentons Band 1952 bis 1954; als Solist ist er 1952 zu hören auf New Concepts of Artistry in Rhythm. 1953 entstanden Aufnahmen mit Gerry Mulligan. 1954/55 leitete er in New York und Boston eigene Gruppen. Im Sommer 1955 trat er mit Tristano in einem New Yorker Restaurant auf, die Aufnahmen erschienen unter dem Titel Lennie Tristano auf Atlantic. Im Januar 1956 ging er auf Europatournee mit Hans Koller, Lars Gullin und Zoot Sims. Trotz seines künstlerischen Erfolges ging er damals aber immer wieder bürgerlichen Tätigkeiten nach, um sich die künstlerische Freiheit zu bewahren.

Lee Konitz, der in den fünfziger Jahren zahlreiche Polls gewann, konzentrierte sich Anfang der sechziger Jahre für eine Weile auf die Tätigkeit als Lehrer in Kalifornien. 1964 trat er erneut mit Tristano auf. 1965 stand er mit einem viel beachteten Solo über Donna Lee im Mittelpunkt eines auch auf Platte dokumentierten Parker-Gedächtniskonzertes in der Carnegie Hall. Er nahm wieder mit Mulligan und mit Bill Evans (Revelation) auf. Auch spielte er 1965/66 sowie 1968/69 mit verschiedenen, auch europäischen Musikern auf europäischen Festivals, darunter den Berliner Jazztagen. In dieser Zeit lebte er bei Freunden in Lörrach.

Ende der 1960er Jahre zog es Lee Konitz wieder zur Lehrtätigkeit zurück. Nach einigen Europareisen, Festivalauftritten, u.a. in Japan (1972), New York (1973), Berlin (1973) und Antibes (1974) und wenigen Plattenveröffentlichungen trat er erst Mitte der 1970er Jahre wieder regelmäßiger in Erscheinung. Von 1975 bis 1983 leitete er – zunächst im New Yorker Stryker's Club – ein Nonett, mit dem er 1979 auch Europa besuchte (Live at Laren), wo er auch mit Karl Bergers Woodstock Ensemble auftrat. 1980 tourte er mit dem Orchester von Gil Evans. Als Lehrer wirkte Lee Konitz 1979/80 häufig in Kanada. Auch in den 1980er Jahren blieb er trotz verstärkter Lehrtätigkeit an Colleges, der New York University und später auch in Philadelphia international präsent.
Lee Konitz in Toronto (2007)

Lee Konitz nahm über 150 Alben auf, als Leader und als Sideman. Ab den 1960er Jahren spielte er vermehrt in Europa Clubkonzerte in kleinen Formationen, häufig nur von einem Pianisten begleitet. 1972 gastierte er bei Charles Mingus and Friends in Concert; 1974 spielte er eine bis heute beachtenswerte Soloaufnahme „Lone Lee“ ein. Ein sehr großer Erfolg war die Reunion mit Warne Marsh Ende 1975. Von 1980 bis heute tourt er regelmäßig durch die Jazzclubs Europas und ist oft in Studios mit jungen Formationen (z.B. in Franz Koglmanns We Thought About Duke oder dem Trio Minsarah um Florian Weber), verfolgt aber auch Avantgardeprojekte mit avancierten Musikern wie Andrew Hill, Attila Zoller, Derek Bailey oder dem Theo Jörgensmann Quartet. Konitz, der dann zeitweise in Köln lebte, zeigt sich auch für Musik von Debussy, Satie und Bach offen; gemeinsam mit einem Streichquartett und Ohad Talmor ging er mit dem Lee Konitz String Project auf Tournee und improvisierte über Musik des französischen Impressionismus. Im November 2000 spielte Konitz mit dem Brandenburgischen Staatsorchester bei zwei Konzerten in Frankfurt (Oder) und Potsdam das für ihn geschriebene Konzert Prisma von Günter Buhles.

Maßstabsetzende Duoaufnahmen zogen sich wie ein roter Faden durch sein Lebenswerk: Angefangen mit Billy Bauer (Rebecca, 1950) folgte die Zusammenarbeit mit Musikern wie Gitarrist Jim Hall, den Posaunisten Albert Mangelsdorff und Jiggs Whigham, Tenorsaxofonist Joe Henderson oder Pianist Frank Wunsch. Die LPs und CDs von Konitz erschienen bei großen Labels wie Universal, oft auch bei unabhängigen Labels wie z. B. Philology in Italien (Duoeinspielung mit Franco D'Andrea), Nabel, Pirouet und Enja in Deutschland, Nato in Frankreich oder HatHut Records in der Schweiz.

1992 erhielt Lee Konitz den hochdotierten Jazzpar-Preis. 1998 wurde sein Album Motion (1961) in die Wireliste The Wire’s “100 Records That Set the World on Fire (While No One Was Listening)” aufgenommen. 2009 erhielt er die NEA Jazz Masters Fellowship, die wichtigste Auszeichnung für amerikanische Jazzmusiker. 2013 wurde ihm die German Jazz Trophy verliehen.

Diskographie

Lee Konitz als Leader:

  • With Tristano, Marsh and Bauer (Prestige), 1949-50
  • Lee Konitz and Stan Getz – The New Sounds (10", Prestige), 1949-50
  • Lee Konitz Featuring Miles Davis – The New Sounds (10″, Prestige, reissued on Conception, 1956), 1951
  • Lee Konitz Plays with the Gerry Mulligan Quartet (10″, Konitz on A-side only, Pacific), 1953
  • Lee Konitz and the Gerry Mulligan Quartet (10″, Pacific), 1953
  • Jazz Time Paris Vol. 3: Lee Konitz Plays (Vogue), 1954
  • Konitz (10″, Storyville), 1954
  • Jazz at Storyville (Storyville), 1954
  • In Harvard Square (Storyville), 1954
  • Lee Konitz with Warne Marsh (Atlantic), 1954
  • Lee Konitz Featuring Hans Koller, Lars Gullin, Roland Kovac (Swingtime), 1956
  • Inside Hi-Fi (Atlantic), 1956
  • Tranquility (Verve), 1957
  • The Real Lee Konitz (Atlantic), 1957
  • Very Cool (Verve), 1958
  • An Image: Lee Konitz with Strings (Verve), 1958
  • Lee Konitz Meets Jimmy Giuffre (Verve), 1959
  • You and Lee (Verve), 1959
  • Motion (Verve), 1961
  • Trio and Quartet (Magnetic), 1965
  • Modern Jazz Compositions from Haiti (Impulse!), 1966
  • The Lee Konitz Duets (Milestone), 1967
  • Impressive Rome (CAM), 1968
  • European Episode (CAM), 1968
  • Peacemeal (Milestone), 1969
  • Lee Konitz Sax Duets (Music Minus One), 1970
  • Spirits (Milestone), 1971
  • Jazz à Juan (SteepleChase), 1974
  • Satori (Milestone), 1974
  • Lone-Lee (SteepleChase), 1974
  • I Concentrate on You (A Tribute to Cole Porter) (SteepleChase), 1974
  • Trio: Oleo (Sonet), 1975
  • Chicago 'n' All That Jazz (Denon: LaserLight), 1975
  • Lee Konitz Meets Warne Marsh Again (PAUSA) 1976
  • Figure and Spirit (Progressive) 1976
  • The Lee Konitz Quintet (Chiaroscuro), 1977
  • The Lee Konitz Nonet (Chiaroscuro), 1977
  • Tenorlee (Candid), 1977
  • Pyramid (Improvising Artists), 1977
  • Seasons Change with Karl Berger (Circle), 1979
  • Nonet: Live at Laren (Soul Note), 1979
  • Yes, Yes Nonet (Steeple Chase), 1979
  • Heroes (Verve), 1980
  • Anti-heroes (Verve), 1980
  • Toot Sweet (Owl), 1982
  • High Jingo (Atlas), 1982
  • Glad, Koonix! (Dragon), 1983
  • Dovetail (Sunnyside), 1983
  • Dedicated to Lee: Lee Konitz Plays the Music of Lars Gullin (Dragon), 1983
  • Art of the Duo (Enja), 1983
  • Wild as Springtime (GFM), 1984
  • Quartet: Ideal Scene (Soul Note), 1986
  • Medium Rare (Label Bleu), 1986
  • Quartet: The New York Album (Soul Note), 1987
  • The Space Jazz Trio (with Enrico Pieranunzi): Blew (Philology), 1988
  • Solitudes (Philology), 1988
  • In Rio (MA), 1989
  • Konitz in Denmark (Rightone), 1989
  • Round and Round (Music Masters), 1989
  • Zounds (Soul Note), 1990
  • Once Upon a Line (Musidisc), 1990
  • Lullaby of Birdland (Candid), 1991
  • The Jazzpar All Star Nonet: Leewise (Storyville), 1992
  • Jazz Nocturne (Evidence), 1992
  • Lunasea (Soul Note), 1992
  • From Newport to Nice (Philology), 1992
  • Frank-Lee Speaking (West Wind), 1992
  • Rhapsody (Evidence), 1993
  • So Many Stars (Philology), 1993
  • Rhapsody II (Evidence), 1993
  • Italian Ballads, Volume1 (Philology), 1993
  • Brazilian Rhapsody (BMG: Music Masters), 1993
  • Swiss Kiss (TCB), 1994
  • Haiku (Nabel), 1995
  • Move (Moon), 1995
  • Free with Lee (Philology), 1995
  • Alone Together (Blue Note), 1996
  • Live at the Manhattan Jazz Club (GAM), 1996
  • Guarana (AxolOtl Jazz), 1996
  • Unaccompanied Live in Yokohama (PSF), 1996
  • Strings for Holiday: A Tribute to Billie Holiday (Enja), 1996
  • Lee Konitz Meets Don Friedman (Camerata), 1996
  • It's You (SteepleChase), 1996
  • Twelve Gershwin in Twelve Keys (Philology), 1997
  • Out of Nowhere (SteepleChase), 1997
  • The Frankfurt Concert (West Wind), 1997
  • Dearly Beloved (SteepleChase), 1997
  • Body and Soul (Camerata), 1997
  • Saxophone Dreams (Koch), 1998
  • Inside Cole Porter (Philology), 1998
  • L'age mur (Philology), 1998
  • Tender Lee (For Chet) (Philology), 1998
  • Self Portrait (Philology), 1998
  • Dialogues (Challenge), 1998
  • Dig-It (SteepleChase), 1999
  • Three Guys (Enja), 1999
  • Trio: Another Shade of Blue (Blue Note), 1999
  • Quartet: Sound of Surprise (RCA Victor), 2000
  • Pride (SteepleChase), 2000
  • Trio: Some New Stuff (DIW), 2001
  • Quintet: Parallels (Chesky), 2001
  • At the New Mississippi Jazz Club (Philology), 2002
  • Live-Lee (Milestone), 2003
  • A Day in Florence (Philology), 2003
  • BargaLee (Philology), 2004
  • Sound-Lee (Membran International), 2004
  • One Day with Lee (Capri), 2004
  • Lee Konitz-Ohad Talmor String Project: INVENTIONS (Featuring the Spring String Quartet) (OmniTone), 2004
  • New Nonet (Directed by Ohad Talmor) (OmniTone), 2005
  • Lee Konitz-Ohad Talmor Big Band: Portology (Featuring the Orquestra Jazz de Matosinhos) (OmniTone), 2006
  • Lee Konitz & Minsarah: Deep Lee (Featuring Jeff Denson, Florian weber, Ziv Ravitz) (Enja), 2008
  • Lee Konitz / Dan Tepfer: Duos with Lee (Sunnyside), 2009
  • Lee Konitz New Quartet: Live at the Village Vanguard (Featuring Jeff Denson, Florian weber, Ziv Ravitz) (Enja), 2009
  • Lee Konitz/Brad Mehldau/Charlie Haden/Paul Motian: Live at Birdland (ECM), 2011

Lee Konitz Als sideman:
mit Miles Davis

  • The Miles Davis Tuba Band (/ Lennie Tristano) – Why Do I Love You? Rare Broadcasts 1947-48 (Natasha, 1993)
  • Birth of the Cool (Capitol, 1949)
  • Miles Ahead (1957)

mit Lennie Tristano

  • Lennie Tristano and Warne Marsh: Intuition (rec. 1949, Capitol, 1996)
  • Lennie Tristano (Atlantic, 1956)

mit Stan Kenton

  • City of Glass (Capitol, 1951)
  • New Concepts of Artistry in Rhythm (Capitol, 1952)
  • This Modern World (Capitol, 1953)
  • Sketches on Standards (Capitol, 1953)
  • Portraits on Standards (Capitol, 1953)
  • Kenton Showcase: The Music of Bill Holman and Bill Russo (Capitol, 1954)

mit anderen

  • Claude Thornhill and His Orchestra: The Uncollected Claude Thornhill and His Orchestra (Hindsight), 1947
  • Gil Evans: Gil Evans & Ten (Prestige), 1957
  • Attila Zoller: Zo-Ko-Ma (MPS), 1968
  • Charles Mingus: Charles Mingus and Friends in Concert (Columbia), 1972
  • Warne Marsh Quintet: Jazz Exchange (Storyville), 1975
  • Hal Galper: Windows (SteepleChase), 1975
  • Bill Evans: Crosscurrents (Fantasy), 1975
  • Martial Solal: Live at the Berlin Jazz Days (MPS), 1980
  • Martial Solal: Star Eyes, Hamburg 1983 (HatOLOGY), 1983
  • Max Roach: It's Christmas Again (Soul Note), 1984
  • Frank Wunsch Quartet: S'Nice (Nabel), 1990
  • Lars Sjosten Quartet: Friends (Dragon), 1991
  • Renato Sellani: Speakin' Lowly, Volume 1 (Philology), 1993
  • Orchestra Il Suono Improvviso: A Venezia (Philology), 1994
  • Umberto Petrin: Breaths and Whispers (Homage to Alexander Scriabin) (Philology), 1995
  • John Pl Indreberg: Step Towards a Dream (Odin), 1995
  • Don Friedman with Attila Zoller: Thingin' (HatOLOGY), 1995
  • Kenny Wheeler: Angel Song (ECM), 1997
  • Gerry Mulligan All-Star Tribute Band: Thank You, Gerry! (Arkadia Jazz), 1998
  • The Axis Quartet: Play French Impressionist Music from the Turn of the Twentieth Century (Palmetto), 2000
  • Rich Perry: RichLee! (SteepleChase), 2000
  • Franco D'Andrea: Inside Rodgers (Philology), 2001
  • Renato Sellani: Minority, Volume 2: All the Way (The Soft Ways) (Philology), 2001
  • Matt Wilson: Gong with Wind Suite (Steeplechase), 2002
  • Irio de Paula: Duas contas (Philology), 2002
  • Barbara Casini: Outra vez (Philology), 2002
  • Stefano Bollani: Suite for Paolo (Philology), 2003
  • Kenny Werner: Unleemited (Owl), 2003
  • Francois Théberge: Soliloque (Effendi), 2006
  • Riccardo Arrighini: The Soprano Sax Album: Standards (Philology), 2007
  • Brian Dickenson: The Glenn Gould Session (Philology), 2007
  • Jakob Bro: Balladeering (Loveland), 2009
  • Jakob Bro: Time (Loveland), 2011
  • Marcel·lí Bayer: Nonitz Featuring Lee Konitz (Quadrant), 2001

Diese Artikel über Lee Konitz wurde veröffentlicht unter GNU Free Documentation License
Quelle: Wikipedia

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