Maria Baptist Quintett im Berliner A-Trane 04.09.2021

Maria Baptist
Maria Baptist

Jazz-fun.de gratuliert Maria Baptist herzlich zum Geburtstag!

Maria Baptist - Piano
Jan von Klewitz – Alto Sax
Richard Maegraith - Bassclarinet/Tenor Sax
Fabian Timm - Bass
Heinz Lichius - Drums

Den 50-zigsten Geburtstag mit einer Konzertreihe im Club zu feiern, welche die ganze musikalische Bandbreite der Komponisten, Arrangeurin und Pianistin Maria Baptist offenlegt, war eine originelle Idee. Während der 5 Konzerttage gab es aufsteigend zu erleben: Solo, Duo, Trio, Quartett und Quintett. Wobei die Formulierung – Solo plus X - treffend ist, da sie Kopf, Bauch und Seele dieser Musik verkörpert.

Aus verschieden Gründen war es mir leider nicht möglich, alle Konzerte zu besuchen, sondern konnte nur das abschließende Konzert des Quintetts – also Maria Baptist plus 4 – hören. Und das war eine Premiere. Die Titel im Detail.

Den ersten - für Big Band konzipierten - Titel Here and Now wurde eigens für die neue Formation mit hörbarer Lust am Arrangieren umgeschrieben. Die markante Melodielinie stellen Alt- und Tenorsax dann gemeinsam vor. Unisono erklingt ein tragender, jedoch satter Sound der Holzbläser. Nach diesem gemächlichen Auftakt macht der Bass mit einem Solo auf sich aufmerksam, bevor das Piano das Thema übernimmt, das sich zunehmend steigert in Richtung Tempo, Intensität mit einem (Drum)Schlag Dramatik. Jetzt geht´s zu voll zur Sache, indem das Alt von Jan von Klewitz seine agilen Figuren bläst, bevor der Solo-Staffelstab ans Tenor weitergereicht wird. Das Tenorsax macht dort weiter, wo das Altsax aufhörte: Ausdruck, Intensität, Spannung. So wie der Titel anfing, so endet er auch: in Ruhe.

Die Balladen – As Long as You Are Searching for, On the Top of a Mountain

Das sind Balladen per Exellance, die die Kunst des Erzählens von Geschichten pflegen. Alt- und Tenorsax stimmen sich in der Melodieführung sowie in ihren Soli ab, bevor das Piano ins Geschehen solipsistisch eingreift und das Thema ausklingen lässt. Für den übernächsten Titel On the top of a mountain kann Ähnliches gelten. Ein kurzweiliges Wechselspiel der Holzbläser zwischen Arrangement und Improvisation. Die warmen Holzfarben der Bassklarinette von Maegraith eignen sich vorzüglich zum Geschichtenerzählen. Das folgende Solo des Basses ergibt sich von der musikalischen Logik nahezu zwangsläufig. Down to the Earth singen die tiefen Frequenzen, die Fabian Timm zum Leben erweckt. Im nachfolgenden Solo zeigt Maria Baptist, dass sie ihre „Jungs“ auch im Quintett voll im (Tasten)Griff hat.

Rhythmische Stücke voller Power - Apartment#3, Rush Hour, Running

Die Titel sind Programm. So wie sie heißen, klingen sie auch. Metropolen-Sound aus New York und Jazz-Berlin: mehr Un- als Ruhe, quirlig packend. Die Band legt voll los, Bass und Drums treiben rast- und ruhelos voran. Vorwärts, nur kein Innehalten, Stillstand birgt Gefahr. Immer schneller dreht sich die akustische Rush-Hour. Das Solo des Tenorsaxofons lässt die Sau raus, jagt die Tonfolgen sowohl durchs Dorf als auch durch die City. Jetzt wird es richtig free. Die Jagd gipfelt in kollektiven freien Improvisationen. Gleichermaßen klingt Running. Nach der Piano-Einführung, die wild und unbändig mit stakkatohaften Anschlägen den Ton angibt, schält sich das Motiv aus den Tontrauben heraus. Das Piano strukturiert das Thema, während die Bläser unisono die Melodieline heraussprudeln. Dem Tenorsax entströmen fetzige freie Sequenzen. Was dem Tenor recht ist dem Alt billig und erst recht den Drums. Heinz Lichius zeigt mit der überirdischen Abgeklärtheit eines Buddhas, wie mit Drums ein High Speed Energy Sound zu generieren ist. Auf Alt-Deutsch: Die Felle der Trommeln kriegen voll eins auf die Fresse! Das feine, handverlesen Publikum tobt … was sonst.

Zeitgenössisch swingende Titel - Longing, The Bright and the Dark, Midnight Rain

Die Ballade On the Top of a Mountan geht nach dem solistischem Piano nahtlos über in Longing und besticht durch altmeisterliches Swingen, jedoch mit zeitgenössischem Elan und frischem Drive. Dazu gesellen sich die Tonfolgen des Alts und dann des Tenors. Alles zusammen lassen einen Swing erkennen, bei dem Assoziationen an den Sound von Charles Mingus unverkennbar sind, vom Fehlen des Blechs abgesehen. Dass die Bläser ihre Improvisationen derart herausschleudern können, basiert auf der subtilen Eleganz des Trios, die für den notwendigen Rhythmus sorgen. Das ist jazzklassischer Sound in aktueller Performance.

Nach der Pause
Im 2. Set betont das Piano-Trio den kammermusikalischen Aspekt des Jubiläumskonzerts – die Bläser und auch das Publikum können verschnaufen. Nach dem Hetzen und Jagen durch freie akustische Gefilde dürfen die Anwesenden durchatmen und sich an harmonischen Anschlägen und melodischen Figuren erfreuen. Die jazzige Bodenhaftung bleibt durch die raffiniert swingenden Rhythmen jederzeit gewahrt. Die Pianistin zeigt auch in diesem Genre ihre Souveränität.

The Bright and the Dark
Von dieser - für Big Band geschriebenen – Suite gibt es Part II oder wie Maria Baptist den Titel vorstellt: Featuring the Tenor. Zu Beginn ist ein Duo zwischen Piano und Tenorsaxofon zu hören, die balladeske Klangfarben versprühen. Die dann ergänzenden Linien das Altsax motzen auf, bevor das Tenorsax das Quintett vervollständigt. Das Piano lässt Stille erklingen: Töne, Läufe, Sequenzen werden wellenartig aufgehäuft. Dieses Tongebilde aus Figuren und Motiven schmückt das Tenorsaxofon weiter aus. Der korrespondierende Bass lässt die gestrichenen Saiten singen, während das Piano akzentuierte Anschläge beisteuert. Thema und Melodie kommt den Bläsern zu, alles zusammen ergibt einen lebendigen Sound voller Tiefe.

Ohne Balladen geht´s auch im 2. Set nicht – The Moon Stood Still
Die Besen der Drums, die Anschläge des Pianos und die Läufe des Basses huldigen erneut dem Piano-Trio, in deren Musik Tonfolgen und Sequenzen der Bassklarinette von Richard Maegraith sanft hineinstoßen – warm und rauchig, was kann wohliger klingen? Das Piano lässt den Song ausklingen, leitet zum nächsten Titel über.

Midnight Rain
Das Thema stellt sich mit markanten Motiv vor, das sofort Ohr und Herz erobert und zum unmittelbaren Verlieben in den Titel anregt. Das Altsax von Jan von Klewitz macht den Anfang mit seinem ekstatischen Soli, das die anderen zum Mitmachen zwingt. Dann ist ein kollektiver Hexensabbat an wilden Improvisation zu erleben: funky, rockig, jazzig, free – alles drin. Ja, sogar eine Sax Battle, bei der die Jungs um ihr Leben spielen, so als wäre der Teufel hinter ihnen her. Anders gesagt: Diese Leidenschaft ist absolut authentisch und spiegelt die Hingabe an ihre Musik. Das folgende Bass-Solo erdet den „Hexenritt“, bevor die rhythmisch markante Melodielinie den Titel zur Ruhe kommen lässt.

Text: Cosmo Scharmer

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