Alune Wade - Sultan

Alune Wade - Sultan

Alune Wade
Sultan

Erscheinungstermin: 17.06.2022
Label: enja, 2022

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Ein wahres Kaleidoskop musikalischer Stile und soziopolitischer Themen in zwölf Songs und 66 Minuten Spielzeit anzugehen – das trauen sich nicht viele Künstler*innen. Auf seinem fünften Soloalbum Sultan, das am 17.06.2022 bei enja & yellowbird veröffentlicht wurde, erreicht der senegalesische Musiker Alune Wade dies scheinbar mühelos. Vom „Blues“ aus Mali über Raï, Gnawa, Sufi-, Soul- und filmische Elemente, Musik aus Äthiopien bis zum Rap und Jazz reicht die breite Palette.

Zur Umsetzung seiner Vision lud Alune neben seiner Band Gäste wie Lenny White, Leo Genovese, Christian Sands, Noura Mint Seymali oder den Rapper Djam ein, viele davon langjährige Weggefährten in der 37 Jahre umspannenden Musikkarriere des 43-Jährigen, die im Alter von nur sechs Jahren begann. Inspiriert von seinem Vater, damals Dirigent des senegalesischen Symphonic Army Orchestra, erlernte Alune zu dieser Zeit schon das Gitarrenspiel, später sollten Bass und Klavier folgen. Im zarten Alter von fünf Jahren lieh ihm Ismaël Los Bassist Samba Laobé N’Diaye seinen Bass und nur zwölf Jahre danach wurde Alune sein Nachfolger in Ismaël Los Ensemble.

1999 und 2001 entstanden Wades erste Aufnahmen auf Ismaël Los wegweisenden Alben Jiguen und Dabakh. Es sollte nicht seine einzige Zusammenarbeit mit den großen Namen der Jazz- und Crossover-Szene bleiben: von Joe Zawinul und Youssou N’Dour über Marcus Miller, Oumou Sangaré und Bobby McFerrin bis zu Lokua Kanza und Fatoumata Diawara. Seine Inspiration bezog Wade von Künstlern und Bands wie Weather Report, Charlie Parker oder Salif Keïta, um nur einige wenige zu nennen.

Ein Sprung in die Gegenwart:
Als Alune Wade die Arbeit an Soloalbum Nummer vier (African Fast Food) gerade abschloss, keimten schon die ersten Ideen für Album Nummer fünf in ihm: „Der Song ‚Pharaoh’s Dance‘ erlaubte einen ersten kurzen Blick darauf, was ich schon seit einiger Zeit entwickeln wollte,“ so Wade, „2018 war ich fasziniert vom Potential einer Zusammenkunft der Musikstile Ostafrikas, vor allem Äthiopiens und Ägyptens. Meine anstehenden Reisen – und davon gab es viele – erlaubten es mir, Künstler*innen aus der Diaspora in New York und Paris zu finden. Dieser dynamische Schmelztiegel wurde von meiner Leidenschaft für Jazz, Highlife und Afrobeat bereichert. So stieg ich einfach immer tiefer mit der Idee in mein privates Musiklabor hinein, diese Stile miteinander zu verbinden, ohne dass sie ihre jeweilige Textur verlieren sollten.“

Alune Wades Reflektionen reichen dabei aber über die Musikgrenzen hinaus. Sein Interesse galt immer auch den historischen, sozialen und politischen Turbulenzen unserer Zeit. Die zwölf Stücke des Albums sind davon befeuert, wie man in den Liner Notes sehen kann: „Ich habe nie aufgehört zu lesen. Und ich beschloss auf eine philosophische Forschungsreise über die unerzählte Geschichte Afrikas zu gehen. Ich wollte sie auf eine andere Art erzählen, die Revisionismus-Schichten wegnehmen, mich langsam zu den Originalquellen durcharbeiten.“ Dazu fand er während des Lockdowns in seinem Pariser Zuhause die nötige Zeit und Muße.

Eine dieser Quellen war eine Abhandlung über die Diaspora der Beta Israel: „Ich las ein Buch über die ‚Falaschen‘, ihre tragische Entwurzelung und ihre Erfahrungen in Israel. Der Autor, ein französisch-senegalesischer Intellektueller namens Tidiane Ndiyae, reflektiert darin die großen Ungerechtigkeiten und Misshandlungen, die diese äthiopischen Juden auf ihrer Odyssee erleiden mussten, sowohl in ihrer Heimat als auch in dem Land, das sie ‚willkommen‘ hieß. Trotz alldem fühlte ich, dass es einen unzerstörbaren Link zwischen Afrika und dem Nahen Osten gibt. Diesen wollte ich erweitern.“

Tunesien ist der Ausgangspunkt in Wades neuestem Werk Sultan. In einer vom Institut Français de Tunis unterstützten 25-tägigen Künstler-Residenz bekam das Projekt im Januar 2021 seinen Kickstart. Eine Villa in La Marsa, nahe der tunesischen Hauptstadt, wurde zur Basis für Alunes gemeinsame Proben mit dem Jazz- und Sufi-Sänger Mounir Troudi. Letzterer half Alune dabei, die Größen der traditionellen tunesischen Musikszene für sein Projekt zu versammeln. „Es war eine große Entdeckung für mich, ich kannte mich zwar besser mit den marokkanischen und algerischen Sounds aus. Aber vieles klang doch vertraut: der Stambouli-Stil spiegelt zum Beispiel die diasporische Kultur der Gnawa, die ich über die Jahre schätzen gelernt habe“ so Wade.

Als sich in den Proben die von Alune anvisierten Crossover-Experimente konsolidiert hatten, brachte er sie in die modernen Arpège Studios in Tunis und danach zuerst nach Paris und New York zum mit vielen Grammys ausgezeichneten Produzenten Nic Hard (Snarky Puppy, The Klezmatics…) und zuletzt in seine Heimat Senegal. Nic Hard formte unter Einsatz all seiner Erfahrung ein schlüssiges Ganzes aus den vielen Teilen. Dieses Gewebe trägt nun den Titel Sultan, ein genderneutraler arabischer Name, den es auch im Türkischen und in Bengali, Avar und Urdu gibt.

Das dahinter steckende royale Bild passt ganz genau zu Alune Wade: ein elegantes Selbstbewusstsein, ruhige Autorität und eine Intensität, die sein Bassspiel durch die zwölf musikalischen Kapitel des Albums wiederhallen lässt. Er hat sich wie alle klugen Menschen mit Komplizen umgeben, die bereit waren, in einen musikalischen Dialog mit ihm zu treten, für den er den Schlüssel besitzt.

Text: enja

jazz-fun.de meint:
Die gut durchdachten und klanglich tiefen Themen zeichnen sich durch eine leicht verdauliche Melodie aus. Flexible Rhythmen, originelle harmonische Phrasen und zahlreiche Änderungen der Konventionen machen das Album sehr interessant zu hören.

  1. Saba's journey
  2. Donso
  3. Sultan
  4. Nasty sand
  5. Uthiopic
  6. Portrait de Maure
  7. Djolof blues
  8. Dalaka
  9. L'ombre de l'âme
  10. Lullaby for Sultan
  11. Célébration
  12. Café Oran

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