Chris Gall & Bernhard Schimpelsberger - Myriad

Chris Gall & Bernhard Schimpelsberger - Myriad

Chris Gall & Bernhard Schimpelsberger
Myriad

Erscheinungstermin: 24.04.2020
Label: GLM, 2020

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Chris Gall - Piano
Bernhard Schimpelsberger - Percussion

Das Visionäre findet in dieser Fusion aus westlicher und östlicher Kultur ebenso Platz, wie das Bodenständige. Rhythmusstrukturen aus der indischen Musik reiben sich an – und verschmelzen mit der ‚Jazz-Haltung‘ westlicher Improvisationsmusik. Eine Sternstunde des Duospiels.

Das Duo als die kleinstmögliche Bandbesetzung. Zugleich aber auch eine der Schwierigsten. Denn der öffentliche Dialog offenbart die Persönlichkeit und das Können der Beteiligten schonungslos und in sämtlichen Facetten. Alles ist hörbar, jedes Versehen, jede Verunsicherung beeinflusst das Projekt, gibt ihm eine ungewollte Richtung. Zugleich bedeutet das Duospiel im Jazz aber auch Herausforderung und Abenteuer. Sich auszuprobieren, musikalisch und individuell Reibung zu erzeugen, ohne den Faden zum Partner zu verlieren, ist nun einmal das Wesen des Jazz. Es gilt im Dialog Gemeinsamkeiten, sowie auch Unentdecktes, bisher Verborgenes zu ertasten und beides tolerabel in die eigenen musikalischen Betrachtungsweisen einzubauen. Dieses Feingefühl ist eine hohe Kunst.

Chris Gall und Bernhard Schimpelsberger beherrschen diese Kunst. Der Pianist und der Perkussionist suchen auf den 10 Titeln des Albums nach einem musikalischen Ausdruck, der eben jenes erwähnte Übereinstimmende und Abweichende miteinander ins Verhältnis bringt.

Ausgangspunkt für diese spannende Reise ist die unterschiedliche kulturelle Herangehensweise beider Musiker. Chris Gall sieht seine Wurzeln eher in der europäischen Klassik und in der Hinwendung zur westlichen Improvisationsmusik, wie sie überwiegend im Jazz genutzt wird. Bernhard Schimpelsberger hat sich in den letzten Jahren sehr intensiv mit indischer Musik beschäftigt, mit den sehr komplexen, tradierten Rhythmusstrukturen fernöstlicher Musik.

Als Anstoß nutzen sie einzelne, kurze Ideen, aus denen dann die Kompositionen entstehen. „Wir haben uns über Wochen Skizzen in Notenform oder als kleine Audio-Dateien zwischen London und München hin- und hergeschickt“, erzählt Chris Gall. „Vor unserem Studiotermin im Bayerischen Rundfunk, haben wir uns dann schließlich zwei Wochen im Proberaum eingesperrt, alles ausprobiert und die Puzzleteile zusammengesetzt. Die meisten Stücke sind auf diese Weise komplett neu entstanden und fast alle extra für unser Duo komponiert worden“.

„Die Kompositionen dienen uns hier als Kompass auf diesen Klangreisen“, erläutert Bernhard Schimpelsberger. „Wir folgen ihnen, dazwischen gibt es aber auch immer sehr viel Platz für Improvisation. Auch hier bietet das Duo eine wundervolle Freiheit.“

So bietet der notierte Unterbau noch genügend Raum für spontanes Reagieren, für improvisatorische Flüchtigkeiten, was den Fähigkeiten und dem musikalischen Denken der beiden Solisten enorm entgegenkommt.

Kennengelernt haben sie sich 2003, als Bernhard Schimpelsberger den Pianisten mit der brasilianischen Sängerin Giana Viscardi live in Österreich erlebte. „Ich war begeistert von seiner sehr impulsiven und rhythmisch starken Spielweise“, bekennt Bernhard Schimpelsberger. „In den Jahren darauf lud ich ihn ein, in meiner Band Taalism mit dem Sitarspieler Shakir Khan mitzuwirken. Nach zwei erfolgreichen Tourneen mit Taalism war es klar, dass wir in der Zukunft wieder gemeinsam musizieren wollten, die Details aber waren offen.“

Dann gab es eine Zeit mit wenigen musikalischen Kontakten. Chris Gall beschäftigte sich intensiv mit Trio-, Duo- und Soloprojekten, die in bemerkenswerten Aufnahmen für die Label Act, Acoustic Music und GLM mündeten. Bernhard Schimpelsberger zog es nach Indien, wo er sich vor Ort mit indischer Musik auseinandersetzte. Zusammengekommen sind sie dann wieder 2016, für eine spontane Produktion der Reihe „Studio Konzerte“ in den Ludwigsburger Bauer Studios, die auf Vinyl vorliegt. Diese gemeinsame Arbeit sahen beide von Beginn an als eine Herausforderung und beglückende Situation. Sie hatten die Möglichkeit, während der Probephase in einzelnen Konzerten die entstandenen Ideen in die Praxis umzusetzen.

Mit „Myriad“ ist nun ein Album entstanden, das von einer starken rhythmischen Spannung lebt und das von einer tiefgründigen Kommunikation getragen wird. Hier werden Grenzen im positiven Sinn durchbrochen, wechseln mit Bedacht die Stimmungen und der Terminus Weltmusik bekommt eine gänzlich eigene, individuelle Note. Das Visionäre findet in dieser Fusion aus westlicher und östlicher Kultur ebenso Platz, wie das Bodenständige. Und Chris Gall sagt dazu: „Wenn z.B. das 13-8-tel Pattern in „Pinhole Observer“ sehr durchgängig ist, wird dieses Pattern trotzdem frei und jedes Mal unterschiedlich ausgefüllt. Einen klassischen „Solo-Part“ wie das Klaviersolo im Mittelteil von selbigem Stück oder bei „Myriad“ gibt es relativ wenig.“

Die Vitalität des gespielten reißt auf „Myriad“ mit, öffnet immer wieder neue, entlegene Schubladen, die angereichert sind mit dramaturgischem Kalkül und magischen Klangtexturen. Eine Sternstunde in der langen Kunst des Duospiels.

Text: GLM

  1. Myriad
  2. Segeriyua
  3. Pinhole observer
  4. Interlude I
  5. Song of June
  6. The wheel
  7. Interlude II
  8. In a landscape
  9. Poem on a typewriter
  10. New life

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