Clara Haberkamp Trio - Orange Blossom

Clara Haberkamp Trio - Orange Blossom

Clara Haberkamp Trio
Orange Blossom

Erscheinungstermin: 30.09.2016
Label: Traumton Records, 2016

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Clara Haberkamp - pianist, singer, composer
Dan Peter Sundland - e-bass
Tilo Weber - drums

Die Musik und das Leben. Kunst, egal in welchem Gewand, ist immer dann am authentischsten, wenn sie das Leben abbildet. Nicht nur einen bestimmten Aspekt des Lebens, sondern das Leben in seiner ebenso verführerischen wie erbarmungslosen und nicht zuletzt oft paradoxen Vielfalt. Die junge Berliner Pianistin Clara Haberkamp lebt. Das klingt so simpel und banal, dass es hier eigentlich überhaupt nicht erwähnt werden sollte. Aber für Clara Haberkamp gibt es keine Trennung zwischen ihrem Leben und der Musik. Sie postuliert nicht das sprichwörtliche Leben für die Musik und musiziert nicht um ihr Leben, sondern Leben und Musik – das macht die neue CD deutlich – sind bei ihr schlichtweg eins.

Clara Haberkamp ist noch nicht lange auf der Szene. Obwohl sie sich in den letzten Jahren mit ihrem Trio schon einen klangvollen Namen erspielt hat, ist es nicht falsch, sie der jüngsten Generation deutscher und europäischer Jazzmusiker zuzurechnen. Das Wort Nachwuchs wäre trotzdem völlig fehl am Platze, denn dazu hat sie sich einfach eine viel zu autarke, unverwechselbare Sprache als Pianistin und Sängerin, aber auch als Bandleaderin und Komponistin angeeignet. In jedem Stück, das sie schreibt und interpretiert, findet sie eine ganz klare Antwort auf die Frage, was der jeweilige Song braucht. Wie eine Zimmerpflanze, die nicht nur Licht, Wasser und Dünger benötigt, um zu wachsen, sondern die auch im Raum und inmitten der anderen Pflanzen richtig platziert werden will, um zur Geltung zu kommen, wird jeder Song von ihr mit allem ausgestattet, was ihn für sich, aber auch auf dem Album zwischen den anderen Songs zu einem unverwechselbaren Erlebnis macht.

Für die junge Pianistin ist Leben nicht einfach nur ein Synonym für Lebendigkeit. Sie konfrontiert sich unablässig mit sich selbst und gewährt – auf „Orange Blossom“ noch viel konsequenter als auf ihren bisherigen CDs – allen Aspekten des Lebens Zugang zu ihrer Klangwelt. Statt auf ihrer CD dem berühmten roten Faden oder einem Konzept zu folgen, dessen Parameter meist schon vom ersten Ton an vorgegeben sind, baut sie auf die Logik des Alltags, die sich jeder Kalkulierbarkeit entzieht. Sie kann selbst innerhalb eines Songs extrem entgegengesetzte Positionen einnehmen, ohne dass sich daraus ein Widerspruch ergeben würde, und bezieht den Hörer mit beeindruckender Schonungslosigkeit in diese Erfahrung ein. Da gibt es die leichten, hoffnungsfrohen Momente, die sich einfach nur entfalten, ohne hinterfragt werden zu müssen. Da gibt es auch zaghafte und ängstliche Zustände, die nachdenklich und in sich verschränkt sind; Hürden, die sich nur aufbauen, um sich gemäß dem Energieerhaltungssatz selbst wieder auf dem Weg zu räumen. Und es gibt Augenblicke von brutaler Direktheit, die meist völlig unangekündigt über den Hörer hereinbrechen.

Clara Haberkamp hat nicht nur jedes der Stücke geschrieben – einzig der Text zu „Orchestra“ geht auf Walt Whitman zurück – , sie breitet sich auch mit der ganzen Kraft ihrer Imagination in der Musik aus. Trotzdem ist „Orange Blossom“ kein Soloalbum, sondern eine Trioplatte. Mit Drummer Tilo Weber verbindet sie seit langem eine enge musikalische Partnerschaft. Seine unaufdringlichen Drumteppiche tragen das Spiel der Pianistin, auf dass sie sich in jede nur denkbare Richtung tasten kann und unbekannte Räume erschließen kann. Weber hat die seltene Gabe, auch dann sehr vehement zu sein, wenn man ihn gar nicht hört. Er baut unsichtbare Brücken, schafft Spannung durch Weglassen, pointiert durch geschmackvolle Untertreibung. Der Neue im Bund ist Bassist Dan Peter Sundland, dessen E-Bass nicht selten wie ein akustischer Bass wirkt. Er schnellt nach vorn, um sich im nächsten Augenblick wieder komplett zurückzunehmen, setzt überraschende Kontrapunkte.

Überhaupt scheint Kontrapunkt die Überschrift zu sein, unter der das ganze Album steht. Nicht nur der musikalische Kontrapunkt, der natürlich auch bedient wird, sondern der Kontrapunkt des Lebens. Clara Haberkamp geht voll ins Risiko, tritt mit beiden Beinen fest auf, um sich einen Song später bewusst für das ganz dünne Eis zu entscheiden. Improvisation ist für sie unverzichtbar, nicht nur in Intros, kollektivem Freispiel oder solistischen Exkursen, sondern vor allem in der spontanen Gestaltung jeder Nuance.

Mehr denn je rückt bei Clara Haberkamp auf „Orange Blossom“ der Gesang in den Vordergrund, und auch hier schlägt sie sehr unterschiedliche Töne an. Ihre Stimme kann verträumt in der Melodie verweilen, aber auch kraftvoll in die Offensive gehen. Mal ist sie Wurzel oder Stamm, aber oft genug Blatt oder Blüte, und manchmal eben auch das Insekt, das den Pollen weiterträgt. Mehr noch als der Anschlag auf dem Klavier erstreckt sich der vokale Augenblick zwischen Erinnerung und Ahnung. Die Orangenblüte mag noch so schön sein, sie ist doch nur ein vorübergehendes Stadium zwischen Schöpfung und Vollendung. Was bleibt, ist die Erinnerung an die Pracht und am Ende die Erfüllung in der Frucht. Jedem Ton wird genug Zeit und Raum gegeben, zu entstehen und in sich zu verklingen. Clara Haberkamps ebenso souveräner wie poetischer Umgang mit der Vergänglichkeit des Augenblicks macht diese CD zu einem so starken und einmaligen Statement.

  1. Orange Blossom
  2. Lines Of Glass
  3. Inside Out
  4. Pink Leaf
  5. Orchestra
  6. Surfaces
  7. Twenty-Six
  8. This Suits Me
  9. Caged Bird
  10. From An Actor's Perspective
  11. A Glimpse
  12. Guardian A
  13. Within Me Without You

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