Dieter Ilg - double bass
Rainer Böhm - piano
Patrice Héral - drums
Verdi, Wagner, Beethoven, Bach... Dieter Ilg ist der kreative „Kreuzungsgenetiker für Klassik und Jazz“ (Süddeutsche Zeitung). Gemeinsam mit Pianist Rainer Böhm und Patrice Héral am Schlagzeug führt der Bassist gro- ße Komponisten der abendländischen Kunstmusik in neue Gefilde. Und nun: Ravel.
Die „Pavane pour une infante défunte“ (Pavane for a Dead Princess) brachte Ilg erstmals in Berührung mit dem französischen Komponisten. Das Stück hatte ihn in jungen Jahren in einer Version von Jim Hall und Art Farmer fasziniert: „Als ich nach einer neuen Inspirationsquelle für mein Trio suchte, erinnerte ich mich sofort an dieses Stück. Wir tauchten tiefer in Ravels Œuvre ein und stießen auf eine breite Palette von Interpretationsmustern, die wir zuvor bei Beethoven oder Bach nicht so vorfanden und die uns eine noch größere Freiheit anboten. Ravels Musik ist uns wie auf den Leib ge- schneidert!“
Dass Ilg irgendwann bei Maurice Ravel landen würde, verwundert nicht, ist doch sein künstlerischer Ansatz ganz und gar impressionistisch. „Mich interessiert, was zwischen mir und dem Objekt passiert“ hat Claude Monet einmal über seine Malerei gesagt. Für Ilgs Schaffensprozess gilt dies ebenso, denn die musikalischen Vorlagen sind der Trigger für eigene Empfindungen, die zu neuen Klangbildern verarbeitet werden: „Ich handele nicht nach Plan und will nichts nur einfach wie- dergeben, sondern mit den Meistern „in mind“, Eigenes gestal- ten.“ Die Stücke, die Ilg dafür auswählt, müssen ihn „ansprin- gen“, wie er selbst sagt. Wie, das ist völlig offen: Es kann eine Melodie sein, eine rhythmische Figur, Akkordfolge oder auch Stimmung, die für Anziehungskraft sorgt: „Hören und im Mo- ment entscheiden“, ist Ilgs Devise, im Prozess des Komponie- rens aber vor allem auch in den Trioimprovisation, die eine Atmosphäre des Augenblickes entstehen lassen.
Bei „Ravel“ wird der Betrachter zum Subjekt: „Er lässt uns mehr im Unklaren, was richtig und falsch ist. Die Deu- tungsfreiheit ist bei ihm schon angelegt. Seine Musik lässt sich ganz organisch in Jazz verwandeln“, sagt Ilg. Vielleicht auch deshalb weil Ravels Schaffen um 1900 mit der Entstehungs- geschichte des Jazz zusammenfiel und er dafür ein offenes Ohr hatte. Mit George Gershwin zog er in den 1920er Jahren durch Harlem, um Duke Ellington und Co. zu hören. Darüber hinaus war sein Lebensmittelpunkt Paris das kulturelle Dreh- kreuz in die USA. All das hat Spuren in Ravels Musik hinterlas- sen. Überhaupt läutete der musikalische Impressionismus die zeitgenössische Musik des 20. Jahrhunderts ein. Ein idealer Nährboden also für Ilgs Variationen im Jazzkontext.
Ein Füllhorn der musikalischen Stimmungen erwartet den Hörer. Auf das atmosphärisch hingetupfte „Pavane pour une infante défunte“ folgt das aufgewühlte, rhythmisch beweg- te „Alborada Del Gracioso“. Das „Trio“ mündet in ein Improvi- sationsfeuerwerk und „Valse II“ swingt lässig. Verträumt schwelgerisch endet das Album mit „Le Jardin féerique“. Der „Bolero“ mit seinem prägnanten rhythmischen Fundament durfte natürlich auch nicht fehlen. Der Vorschlag dazu kam, wie könnte es auch anders sein, von Schlagzeuger Patrice Héral. „Nur schade, dass er überhaupt keine Musik enthält“, sagte Ravel einst ironisch über sein Meisterwerk. Was für Ilgs Versi- on wahrlich nicht gilt, in der das melodische Tonmaterial des Stücks durch Böhms verdichtende Klavierimprovisation über- raschende Wendungen nimmt.
„Ravel“ ist ein spannungsreiches Wechselspiel der Protagonisten und immer ein Mitmachen. Zu jeder Zeit gestalten Ilg, Böhm und Héral die Musik gleichermaßen. Hier herrscht Meinungsfreiheit. Soli sind nie ein Egotrip, sondern Impulse für das Kollektiv: „Lange wirkte kein Trio mehr derart intensiv miteinander verstrickt wie dieses“, befand der NDR. Es eröffnet eine außergewöhnliche musikalische Welt, die Staunen lässt, mit welcher Natürlichkeit, Sensibilität und Ein- fühlsamkeit Brücken zwischen Klassik und Jazz gebaut wer- den.
Was ist Original, was Variation? Wo fängt Ilg an und wo hört Ravel auf...? Große Kunst muss man nicht verste- hen, das wusste schon Monet: „Die einzige nötige Sache ist, sie zu lieben.“
jazz-fun.de meint:
Eine weitere atemberaubende Reise durch die Welt der Inspiration und Faszination dieses außergewöhnlichen Künstlers. Auch die Bandbreite der von diesen Musikern verwendeten Techniken ist phänomenal. Dieter Ilg hat uns daran gewöhnt, Grenzen zu überschreiten, hier können wir entdecken, was hinter der nächsten liegt, es lohnt sich wirklich, das zu erleben.
- Menuet sur le nom de Haydn
- Quatuor
- Trio
- Pavane pour une infante défunte
- Alborada del gracioso
- Bolero
- Valse II
- Adagio assai
- Sonatine I
- Pavane de la belle au bois dormant
- Le jardin féerique
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