Fabian Dudek & La Campagne - Protecting A Picture That's Fading

Fabian Dudek & La Campagne - Protecting A Picture That's Fading
Fabian Dudek & La Campagne - Protecting A Picture That's Fading

Fabian Dudek & La Campagne
Protecting A Picture That's Fading

Erscheinungstermin: 06.10.2023
Label: Traumton records, 2023

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jazz-fun`s recap:

Fabian Dudek hat eine kompromisslose Musik geschaffen, reich an Wendungen, farbig und voller Energie. Beherrscht von der Formel der Mehrdeutigkeit, befreit von allen Schemata, um eine Musik zu spielen, in der es keine Grenzen zu geben scheint. Das Album enthält viel kraftvolle Musik mit aufregenden Soli und einer feurigen Rhythmusgruppe. Wunderbare, ja aufregende Musik!

Fabian Dudek - Altsaxophon, Kompositionen
Pauline Turrillo - Querflöte, Piccoloflöte
Berthold Brauer - Trompete, Piccolo-Trompete
Felix Hauptmann - Klavier, Synth
Roger Kintopf - Kontrabass
Alexander Parzhuber - Schlagzeug

Fabian Dudek hat in den vergangenen vier Jahren vor allem mit seinem Quartett (mit Felix Hauptmann, Fabian Arends, David Helm) für Aufmerksamkeit gesorgt. Schon sein Debüt 2019 und die anschließende Tournee stießen auf begeisterte Resonanz. So bezeichnete die FAZ Dudek als echten Überflieger des zeitgenössischen Jazz". Noch mehr Lob erntete das zweite Album der Band Isolated Flowers, das im vergangenen Jahr erschien. Jazz Podium urteilte: „Eine packende Musik, die ihre Themen in immer neuen Wendungen angeht und sich nicht mit Beliebigkeit zufrieden gibt: fesselnd, kurzweilig und unerwartet kraftvoll. Großartig!“, die Zeitschrift Jazzthetik hob die „Lust am Aufbruch [...] und am Spiel mit komplexen Rhythmen“ sowie Dudeks „harte Expressivität“ hervor, und die Frankfurter Rundschau resümierte, dass Dudek „...mit seiner eigensinnigen Auffassung von Free Jazz eine bestechend gekonnte Balance zwischen [...] energetisch zugespitztem Spiel und einer auch formal souveränen Klangsprache findet“.

Sein neues Werk Protecting A Picture That’s Fading, das am 06.10.2023 bei Traumton erscheint, wurde nun mit der vor rund 2 ½ Jahren gegründeten Formation La Campagne eingespielt. Fünf der sechs jungen Musiker*innen kennen sich allerdings schon länger, teils aus dem Studium an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz. Die französische klassische Flötistin Pauline Turrillo kam über den Trompeter Berthold Brauer dazu. „Über Pauline sind wir zu einem Engagement bei einem Festival in Grasse gekommen, wo wir jeden Tag nicht nur auf verschiedenen Bühnen, sondern auch auf den Straßen gespielt haben“, erinnert sich Dudek an die hochmotivierte erste Quintett-Phase der Band. Die von Corona ausgelöste, weitreichende Live-Blockade kanalisierte die Energien des Ensembles damals in andere Richtungen. „Ich wollte unbedingt etwas Neues schaffen“, rekapituliert Dudek seine damalige Dringlichkeit, „und hatte zunächst keine Vorstellung davon, wie es sein würde, mit vier Jazzern und einer klassisch ausgebildeten Musikerin zu arbeiten. Diese Kombination hat mich gereizt, und ich habe angefangen zu komponieren“.

Tatsächlich erwies sich die ungewöhnliche Konstellation als besonders inspirierend, etwa „in Bezug auf die Präzision der Tongebung und eine allgemein geschärfte Sensibilität“, so Dudek. „Anfangs habe ich mich gefragt, welche Musik ich schreiben kann, die meine Handschrift trägt, meinem Empfinden entspricht und gleichzeitig die Querflöte nicht überrollt.“ Schnell erwiesen sich diese Sorgen als unbegründet. Von Ende 2020 bis August 2022 traf sich das Ensemble immer wieder zu intensiven Probenphasen an verschiedenen Orten, um den von Dudek vorgegebenen Rahmen mit einem gemeinsamen Bild zu füllen. „Dabei kamen Aspekte zum Vorschein, die für mich eher untypisch sind, die ich aber sehr schätze“, stellt Dudek fest. Seine Kompositionen wurden zur Grundlage kollektiver Entwicklungen, zu einer Art Katalysator für alle Beteiligten, ihre eigenen Ideen einzubringen. „Bei den Aufnahmen ist von Take zu Take immer wieder etwas Neues passiert“, sagt Dudek, „an diesen Punkt sind wir erst durch die vielen Proben gekommen. Wir spielen mit dem Material und brechen dabei Regeln auf, das sind persönliche und kollektive Prozesse.“ In diesem Zusammenhang hebt er auch den Moment hervor, als Pauline Turrillo ebenfalls zu improvisieren begann, was in weiten Teilen der klassischen Musik unüblich ist: „Das hat die Band noch einmal sehr weit gebracht.“

Zu den eher ungewöhnlichen Facetten gehört sicherlich auch, dass der Bandleader erst nach etwa einer Viertelstunde in der zweiten Hälfte des zweiten Stücks mit seinem Altsaxophon zu hören ist. "Es macht mir Spaß, den anderen zuzuhören, wie sie meine Musik spielen", sagt Dudek gelassen, "mir geht es darum, was der Musik gut tut, nicht um mein Ego als Instrumentalist."

Nach dem eher impressionistischen „She Took Me Hear The Birds Sing“ mit Flöten- und Trompetenspots, teils gestrichenem Bass und Piano setzen Turrillos zarte A-cappella-Motive zu Beginn von „Oddballs“ die ruhige Stimmung fort. Ein fast an fernöstliche Rituale erinnerndes Schlagzeugsolo Parzhubers markiert den Wendepunkt; gleich darauf verfällt es in einen schrägen Groove, Turrillo, Kintopf und Brauer wechseln zum Jazz-Gestus. Hauptmann unterlegt das Geschehen anfangs mit orgelartigen Synthesizer-Sounds, später kommuniziert er am Klavier mit der Band, vor allem mit Brauers zeitweise führender, klanglich variabler Trompete, deren Solo von zunehmender Schlagzeug-Vehemenz beflügelt wird. Nach gut acht Minuten setzt Dudeks markant angerautes Saxophon ein, nun „spricht“ er mit Hauptmann. Um dann plötzlich, in hartem Kontrast zur bis dahin vorherrschenden Ästhetik, einen energiegeladenen Ausbruch bis in quietschende Höhen zu zelebrieren. Danach schafft die Band eine Art Neustart des immer noch laufenden Stücks, mit neuem Spannungsbogen, mitreißendem Groove und zusätzlichen Klangfarben einer Melodika. Das folgende „Sunsets“ klingt alles andere als romantisch oder gar verträumt; Parzhubers treibende, immer vehementer rührende und wirbelnde Einwürfe, Kintopfs federnde Basslinien sowie die direkt an Latin-Music erinnernde Kuhglocke animieren erst Dudek zu wendigen und phantasievollen Exkursionen, dann Brauer zu brillanten Trompetenmodulationen. Nach einem nervösen Break kulminiert das Geschehen schließlich in einem kurzen Unisono-Rausch.

Dass das Album diesen Umfang annehmen würde, war anfangs nicht geplant. Jetzt wirken die sieben Stücke mit einer Gesamtspielzeit von 85 Minuten wie eine spannende Reise durch ganz unterschiedliche Klanglandschaften und Stimmungen. Auf abstrakte Weise spiegeln sie eine von Dudeks außermusikalischen Inspirationsquellen wider. „Ich laufe sehr viel, gerne auch durch Städte. Als ich in Berlin lebte, hatte ich den Eindruck, dass sich die Stadt auf relativ kurzen Strecken ständig verändert.“ Wie Dudeks Spaziergänge oder ein gelungenes Konzert lässt das Album den Hörer durch verschiedene Welten wandern und manchmal auch staunen. Pointierte Variationen von Transparenz und Verdichtung, überraschende Wendungen, eine enorme dynamische Bandbreite von subtilen Flüstertönen (z.B. vom gestrichenen Bass in „Tiger Face“) bis zu aufbrausenden, explosiven Expressionen sowie ebenso detaillierte wie lebendige Interaktionen schaffen im besten Sinne abenteuerliche Erlebnisse.

Auf den ersten Blick scheint manches Stück einen bestimmten Gedanken oder gar ein Gefühl des Komponisten anzudeuten, doch Dudek wehrt Fragen nach den Hintergründen der einzelnen Stücke lieber ab. „Ich mag die Last der Bedeutung nicht. Natürlich gibt es immer einen Punkt, der mich zum Schreiben bewegt. Das können gesellschaftliche Ereignisse sein, wie damals die Pandemie mit all ihren frustrierenden Begleiterscheinungen. Oder etwas, das ich auf der Straße sehe. Aber in dem Moment, in dem wir es zusammen proben, ist mein Gefühl schon ein anderes als beim Komponieren. Und bei Konzerten ändern sich die Gefühle jeden Abend. Deshalb überlässt Dudek die Interpretation seiner Musik am liebsten dem Publikum. Genauer gesagt: Er möchte, dass es die Musik unvoreingenommen hören kann. „Das ist ja das Schöne an der Kunst, dass man Teil davon sein kann.“

Insgesamt ist Fabian Dudek fasziniert von den Möglichkeiten des Sextetts, wie La Campagne ihn beim Schreiben motiviert hat, Ideen und Einflüsse zu kombinieren, und was die Gruppendynamik daraus entstehen ließ. Als wir "Amsterdam Night Walk" aufnahmen, waren alle beeindruckt von der gemeinsamen "Reise", denn so wie im Studio hatten wir das Stück noch nie gespielt. Ausgehend vom Mikrokosmos einer Band weitet Dudek den Blick. Entscheidend sei, dass man gemeinsam etwas erlebe, wenn man sich darauf einlasse. „Vielleicht kommt man auf andere Gedanken - oder man kann für eine Weile abschalten, wie beim Laufen.“

Protecting A Picture That’s Fading mag den Körper nicht unbedingt in Schwung bringen, aber der Geist wird zweifellos von dieser ebenso intelligenten wie vitalen Musik in Schwung gebracht. Dabei überspringt das Ensemble mühelos althergebrachte Genrezäune; seine Generation ist ohnehin mit den unterschiedlichsten Stilen sozialisiert und weiß daraus Funken zu schlagen.

Fabian Dudek wurde 1995 geboren, wuchs im Rhein-Main-Gebiet auf und lebt heute in Köln. Inspiriert von der Plattensammlung seines Vaters wurde er noch während der Schulzeit Jungstudent an der Hochschule Mainz. 2016 erhielt Dudek mit seiner Band The Where Me?! das hochdotierte Jazzstipendium der Stadt Frankfurt, 2017 den Solistenpreis des Jungen Jazzpreises Osnabrück. Während seines Studiums in Köln gründete er 2018 sein eigenes Quartett, spielte außerdem im Trio mit Robert Landfermann und Dominik Mahnig und (bisher) im Quartett von Simon Below. Mit letzterem gewann er 2018 den Grand Prix beim Festival Tremplin Jazz d’Avignon. Nach seinem mit Bestnote abgeschlossenen Bachelorstudium arbeitete der Stipendiat der Studienstiftung des dt. Volkes an seinem Masterstudium bei Frank Gratkowski, das er 2022 abschließen wird. Dudek trat u.a. beim Deutschen Jazzfestival in Frankfurt, Moers Festival, Jazzfest Bonn, Klaeng Festival, c/o Pop, Klaipeda Jazz Festival, in der Kölner Philharmonie und vielen renommierten Clubs auf. Konzertreisen führten ihn in die Schweiz, die Niederlande, nach Litauen, Ecuador und Indien. Dudek ist seit 2022 Teil des NICA Artist Development Programms und seit 2023 Stipendiat des Horst und Gretl Will Stipendiums für Jazz und improvisierte Musik.

Text: Traumton records

Disk 1

  1. She Took Me Hear The Birds Sing
  2. Oddballs
  3. Sunsets
  4. Amsterdam Night Walk
  5. Tiger Face

Disk 2

  1. Dancing
  2. Protecting A Picture That's Fading

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