Fjarill - Walden

Fjarill
Walden
Erscheinungstermin: 01.09.2023
Label: Butter & Fly, 2023
Aino Löwenmark – Gesang & Piano
Hanmari Spiegel – Violine & Gesang
Jürgen Spiegel – Schlagzeug & Percussion
Omar Rodriguez Calvo – Kontrabass
Gastmusiker:
Jens Thomas – Piano
Hans-Georg Spiegel – Akkordeon
Da ist dieses tiefe Gefühl des Vertrauens. In die Freundschaft. In die Intuition. In die Musik. Mit „Walden“ veröffentlicht das Hamburger Duo Fjarill sein mittlerweile zehntes Album. Und auf dieser Jubiläumsplatte ist viel zu hören: Hanmari Spiegel und Aino Löwenmark sind in ihren Kompositionen im besten Sinne kompromissloser geworden. Ihre Verbindung ist so innig, dass sie auf dieser Basis befreit aufspielen können. Experimentell und eingängig. Raffiniert und zermürbend. Fordernd und zärtlich. Zwei charakterstarke Frauen. Und zwei spannende Lebensgeschichten. Hanmari aus Südafrika, Aino aus Schweden, gefunden und geblieben in Hamburg. Ihre Familien längst miteinander verwoben. Gemeinsam haben sie gelitten und geliebt, sich ausprobiert und Flügel bekommen. All diese Erfahrungen schwingen mit und machen Fjarill zu einem ganz eigenen musikalischen Ereignis, das die Welt in ihrer Vielfalt umarmt und ihre feinen Zwischentöne funkeln lässt. Wenn Hanmari luftig und intensiv ihre Geige spielt, wenn Aino akzentuiert und einfühlsam ihr Piano erklingen lässt, wenn sie einzeln oder gemeinsam auf Schwedisch, Afrikaans, Zulu und Deutsch singen, dann entfesselt das eine mitreißende Dynamik, die sich wie der namensgebende Schmetterling spielerisch zwischen Folk, Pop, Klassik und Jazz bewegt.
Der Titel des Jubiläumsalbums - „Walden“ - steht zunächst ganz konkret für das gemeinsame Studio im Norden Hamburgs. Ein Ort, an dem sich Aino und Hanmari immer wieder aufs Neue künstlerisch begegnen. Und wo sie regelmäßig ihre musikalische Familie um sich versammeln. Bei den aktuellen Aufnahmen erweitern Ainos Ehemann Jürgen Spiegel am Schlagzeug und Omar Rodriguez Calvo am Kontrabass den kreativen Kreis. Die beiden Musiker, die sonst im renommierten Tingvall Trio spielen, bereichern den Sound von Fjarill mit spannungsreichen Details. Jürgens Bruder Hans-Georg Spiegel, ebenfalls Ehemann von Hanmari, ist am Akkordeon zu hören. Und der Jazzpianist und Komponist Jens Thomas steuert improvisatorische Elemente bei. Das Album wurde an drei Tagen live eingespielt - im Walden Studio und im Studio Fattoria Musica in Osnabrück. „Alles auf dem Album ist sehr durchlässig, impulsiv und ungezwungen“, erzählt Aino, „wir haben weniger streng nach Noten gespielt, sondern mehr nach Gefühl.“
So wie das Wurzelwerk des Waldes unterirdisch miteinander verbunden ist, speist sich auch die Musik von Fjarill aus ihrem weit verzweigten Netzwerk. „Unsere Familien, Freunde und auch unsere treuen Fans stecken in all unseren Melodien“, sagt Hanmari. Und Aino ergänzt: „Die Beziehung zu unseren Söhnen zum Beispiel spiegelt sich in der Art und Weise wider, wie wir Musik machen. Wo ziehe ich Grenzen? Wie viel Freiraum gebe ich? Welche Gefühle lasse ich zu?“ Parallel zu Fjarill hat Aino eine Ausbildung zur Musiktherapeutin absolviert und arbeitet auch mit Hanmaris 21-jährigem Sohn, der mehrfach behindert ist. Unter anderem im Austausch mit ihm lernen Aino und Hanmari immer wieder neu, wie wichtig und anregend es ist, ohne Worte zu kommunizieren. Nur mit der Kraft der Musik.
„Unsere Lieder sind dazu da, sich ganz aufeinander einzulassen“, sagt Hanmari. Eine unmittelbare Energie, die sich direkt auf das Publikum überträgt. Ein einzigartiges Gefühl zwischen Seelenschau, Euphorie und Inspiration, das nachhaltig begeistert. Wie sehr die Fans ihren „Fjarills“ vertrauen, zeigt auch das erneute Crowdfunding, mit dem das Jubiläumsalbum finanziert wurde. Stolze 22.322 Euro kamen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Schweden und Südafrika zusammen, um „Walden“ Wirklichkeit werden zu lassen. Und diese besondere kollektive Atmosphäre, die Fjarill schafft, erlebt man besonders eindringlich bei den Konzerten des Duos. Wenn die Menschen leise lächelnd zuhören. Wenn sie die schöne, starke Verbindung zwischen Hanmari und Aino genießen. Wenn sie sich tief berühren lassen und ihre Herzen mit der Musik fliegen. Und vor allem, wenn sie gemeinsam mit Fjarill singen. Wenn es plötzlich gar nicht mehr so klar ist, ob man sich in einem Konzertsaal oder in einer Kirche befindet, in den schwedischen Schären oder in der südafrikanischen Steppe, versunken in sich selbst oder weit draußen am Horizont. So atmet das Wort „Walden“ die ganze Essenz von Fjarill: im Augenblick sein, zur Ruhe kommen, die Verbundenheit spüren und den ständigen Wandel wirken lassen. Das Urgewaltige ebenso wie das ganz Feine.
„In unseren Liedern drücken wir immer aus, wo wir im Leben stehen“, sagt Hanmari. Insofern sind die zehn Alben, die Fjarill in fast 20 Jahren veröffentlicht haben, auch so etwas wie vertonte Tagebücher. Zustandsbarometer zweier künstlerischer Existenzen. Und auf „Walden“ sind zwei gestandene, eigensinnige wie lebensfrohe Frauen zu erleben, die sich von der Idee verabschiedet haben, unbedingt gefallen zu wollen. Die sich noch klarer auf ihre Kunst konzentrieren. Mal konturierter und kantiger, mal fröhlicher und fließender. Sinnbildlich für diese Wandlung steht „Katharsis“, ein furioser Ritt eines Songs. Und eine ultimative Aufforderung, sich zu zeigen und sich nicht ins graue Haus zurückzuziehen. Wie ein rhythmischer Rausch, aus dem sich Aino mit ihrem Gesang erhebt.
„Ich singe jetzt viel freier nach außen“, sagt Aino. Beeindruckend zu hören gleich im Eröffnungsstück „Tempel“. Ein Lied, das mit einem ätherischen Flirren beginnt, in das sich Ainos Stimme mischt. Ein schwebender, auch melancholischer Gesang, mit dem sie von einem Mann erzählt, der eine heilige Stätte bewundert, sie aber aus Ehrfurcht nicht betritt. Eine sanfte Mahnung, den Dingen ihre Geheimnisse zu lassen. Mit „Tempel“ hat Fjarill ein Gedicht von Pär Lagerkvist vertont. Bereits auf dem Vorgängeralbum „Poësie“ hat sich das Duo intensiv mit dem schwedischen Dichter auseinandergesetzt. Doch bestimmte Persönlichkeiten und ihre Kunst wirken in der Welt von Fjarill einfach weiter. Sie wollen noch verwandelt und zum Klingen gebracht werden. So wie Nelly Sachs in dem wunderbar freigeistigen und irritierend rätselhaften „Abgewandt“, in dem Fjarill ihre avantgardistische Seite zum Tanz bittet. Und der gute alte Goethe wird in „Selbstbetrug“ ausnahmsweise mal als flottes wie geisterhaftes Tango-Chanson interpretiert.
In „Walden“ erforscht Fjarill, wie sich Kindheitserinnerungen und Lebenserfahrungen im Alter immer mehr vermischen. Die Seele kann aufatmen und ankommen. „Siyakwamukela“ („Willkommen“) strahlt diese Ruhe und Gewissheit in warmen Tönen aus. Auf Zulu und Afrikaans reist Hanmari da ins Tal der tausend Hügel in ihrer alten Heimat Südafrika und stellt sich vor, wie die Frauen eines Dorfes über die Landschaft singen. Wie ein Mantra oder ein Gospelsong strahlt „Siyakwamukela“ viel Trost und Zuversicht aus. Das beschwingte und verspielte „Höstbossa“ wiederum erzählt davon, wie in der Frische des Herbstes alles klar und mutig geordnet werden kann.
Es geht um das Abschiednehmen. Von einer Liebe, einem Sommer, einem Lebensabschnitt. Um Platz zu schaffen für das abenteuerlich Neue und das anders Vertraute. Zu diesem Weg gehört es auch, zwischendurch immer wieder innezuhalten: „Sag mir“ ist eine berührende, meditative Ballade, die dem oft verborgenen Bedürfnis nachkommt, sich selbst wirklich zu erkennen. Violine und Piano führen sanft in eine Stimmung, in der man im Zuhören und in der Stille zu sich selbst finden kann.
Wie sehr Hanmari und Aino in Hamburg zu Hause sind, zeigt auch die Tatsache, dass vier Songs des Albums auf Deutsch gesungen sind. „Unsere Wurzeln liegen vielleicht in anderen Ländern. Aber die Wurzeln, die wir hier entwickelt haben, geben uns Halt und lassen uns wachsen“, sagt Hanmari. Fjarills vielfältige Verwurzelung in der Kunst und in der Welt mag sich im Laufe des Lebens wie nebenbei ergeben haben, ist aber zugleich eine überzeugte Haltung. „Wir brauchen all die Unterschiede in der Natur“, sagt Aino, „wir sind gegen Monokulturen. Unsere Wurzeln sind nur durch die Vielfalt stark.“ Die Selbstverständlichkeit, mit der sich Fjarill für Vielfalt und Inklusion einsetzen, lässt ihre Musik zeitlos und zugleich hochaktuell erscheinen. Davon zeugt auch das Lied „Tro“ („Glaube“), das das Jubiläumsalbum „Walden“ beschließt: Es handelt von der Sehnsucht nach Frieden. Davon, wie sich auf dem Meeresgrund niemand für Kriege und Machtgelüste interessiert. Und am Ende siegt der Optimismus. Mit einem einfachen Vers: „Wir glauben an das Gute“.
jazz-fun.de meint:
Dieses Album zeugt von der beeindruckenden Arbeit, Reife und Gelehrsamkeit von Aino Löwenmark und Hanmari Spiegel. Wieder einmal präsentieren sie uns wunderbare Musik, die sich in keine Schublade stecken lässt. Alle Elemente dieses Werkes wirken harmonisch und in den richtigen Proportionen zusammen: melodische Themen, eine reiche rhythmische Sphäre, Raum, Dynamik, ein kohärenter Klang und wunderbare Texte, ohne die diese Lieder wahrscheinlich nicht existieren würden. Die Musik ist fröhlich, farbenfroh, optimistisch. Gleichzeitig ist sie eine beschwörende Geschichte über die magische Kraft der Träume, die uns in eine andere Welt entführen und unseren Alltag bunter machen können.
- Tempel
- Katharsis
- Symphony
- Siyakwamukela
- Hoestbossa
- Sag mir
- Abgewandt
- Firmament
- Selbstbetrug
- Gute Nacht
- Tro
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