Gipfeltreffen der ECM-Stars: Konzert für Manfred Eicher in der Hamburger Elbphilharmonie

Gipfeltreffen der ECM-Stars

Die Akteure des Abends:
Zsófia Boros - guitar; Trygve Seim - saxophone

Dominik Wania - piano; Anders Jormin - bass; Jon Fält - drums; Trygve Seim - saxophone

Vox Clamantis Choir; Tigran Hamasyan - Piano

Jaan-Eik Tulve - conductor

Reto Bieri - clarinet; Anna Gourari - piano

Anna Gourari - piano
Danish String Quartet:
Rune Tonsgaard Sørensen - violin; Frederik Øland - violin; Asbjørn Nørgaard - viola; Fredrik Schøyen Sjölin - violoncello

Gidon Kremer - violin; Giedre Dirvanauskaite - cello; Georgijs Osokins - piano

Thimar Trio:
Anouar Brahem - oud; John Surman - saxophone; Dave Holland - bass

Norma Winstone - voice; Ralph Towner - guitar; Dave Holland - bass

Avishai Cohen - trumpet; Nasheet Waits - drums; Joe Lovano - saxophone; Tigran Hamasyan - piano

Marcin Wasilewski Trio:
Marcin Wasilewski - piano; Slawomir Kurkiewicz - bass; Michal Miskiewicz - drums; Joe Lovano - saxophone

Das Zusammentreffen dieser Musiker auf der Bühne des Großen Saals der Elbphilharmonie kann man getrost als Gipfeltreffen bezeichnen. Und ein außergewöhnliches, denn diese Interpreten und Schöpfer herausragender Musik aus Europa und den USA werden sich in dieser Form wohl kein zweites Mal begegnen. Und obwohl der Abend eine Hommage an das Lebenswerk des legendären Plattenproduzenten war, wird die Nachwelt davon nur vom Hörensagen erfahren, denn das Konzert wurde weder gestreamt noch aufgezeichnet.

Eröffnet wurde der Abend von der jungen ungarischen Gitarristin Zsófia Boros. Seit 2013 hat sie drei Soloalben bei ECM New Series veröffentlicht. In ihrem Zusammenspiel mit Trygve Seim wird die Symbiose zwischen den verschiedenen Strömungen des Labels deutlich, denn die Komponisten der von den beiden gespielten Musik heißen Egberto Gismonti und Ralph Towner. Die Arbeit des norwegischen Saxophonisten Trygve Seim als Solist und Begleiter ist auf fast zwei Dutzend Alben bei ECM dokumentiert.

Der Kontrabassist Anders Jormin und der Perkussionist Jon Fält bilden mit dem Pianisten Bobo Stenson seit langem ein verträumt interagierendes und kompositorisch eng verbundenes Klaviertrio. Leider war Stenson an diesem Abend verhindert. Seinen Platz am Klavier nahm der Pole Dominik Wania ein, der nicht nur als Pianist auf drei ECM-Alben des Maciej Obara Quartetts auf sich aufmerksam gemacht hat, sondern 2020 auch sein erstes, von Manfred Eicher produziertes Soloalbum Lonely Shadows veröffentlicht hat.

Der lateinische Name des estnischen Ensembles "Vox Clamantis" steht für das breite Ausdrucksspektrum der menschlichen Stimme, von Klage über Weinen bis hin zu Freude. Seit 1996 widmen sich die Mitglieder des Ensembles sowohl der alten polyphonen Musik, etwa aus der Zeit des gregorianischen Chorals, als auch der zeitgenössischen Musik. Neben vielen anderen Auszeichnungen erhielt Vox Clamantis" 2014 einen Grammy Award für seinen Beitrag zu Arvo Pärts Album Adam's Lament".

Der armenische Pianist Tigran Hamasyan, der sich "Vox Clamantis" anschließt, ist ein Wanderer zwischen den musikalischen Welten des kaukasischen und des amerikanischen Jazz.

Nach der Pause betrat das Trio unter der Leitung des weltberühmten Geigers Gidon Kremer die Bühne, der bereits 1984 an der bahnbrechenden ersten Einspielung der ECM New Series, Arvo Pärts Tabula rasa, mitgewirkt hatte. Für das Concerto for Manfred Eicher" lud Kremer seine langjährige musikalische Partnerin Giedre Dirvanauskaite (Violoncello) und den Pianisten Georgijs Osokins sowie eine Komposition des georgischen Komponisten Giya Kancheli (1935-2019) ein, dem sich Eicher besonders verbunden fühlte.

Mit dem Thimar Trio, das vor 25 Jahren sein einziges Album bei ECM veröffentlichte, steht eine Traumbesetzung des Kammerjazz auf der Bühne. Für den tunesischen Oud-Spieler Anouar Brahem ist es der Beginn seiner internationalen Solokarriere. An seiner Seite, damals wie heute: Dave Holland, seit seiner Zusammenarbeit mit Miles Davis Ende der 60er Jahre eine Legende des Jazz-Kontrabasses, und der britische Multiinstrumentalist und Komponist John Surman, hier am Sopransaxophon.

Dave Holland spielt auch im Trio mit Norma Winstone, der Grande Dame des britischen Jazz, und dem amerikanischen Gitarristen, Pianisten und Komponisten Ralph Towner.

Der israelische Trompeter Avishai Cohen war bereits mehrfach mit unterschiedlichen Formationen in der Elbphilharmonie zu Gast. An diesem Abend spielte er erstmals im Duo mit dem amerikanischen Perkussionisten Nasheet Waits, einem der gefragtesten Schlagzeuger unserer Zeit. Dieser Dialog erweiterte sich zu einem Quartett, in dem Tigran Hamasyan ans Klavier zurückkehrte und Joe Lovano, eine der führenden Persönlichkeiten des modernen Jazz auf dem Tenorsaxophon, mitbrachte.

Lovano spielte auch im Finale des Abends, zusammen mit dem Marcin Wasilewski Trio aus Polen. Das Trio war Anfang des Jahrtausends als noch sehr junge Band mit dem legendären Trompeter Tomasz Stanko (Soul of Things) bei ECM aufgetreten und hatte sich schnell so viel Ruhm und Eigenständigkeit erspielt, dass Manfred Eicher mit dem Pianisten Wasilewski, Stawomir Kurkiewicz am Bass und dem Schlagzeuger Michat Miśkiewicz drei Jahre später ihr erstes Album unter eigenem Namen (Trio) aufnahm, dem inzwischen sechs weitere gefolgt sind, darunter eines mit Joe Lovano (Arctic Riff).

Dieses wunderbare Konzert zeigte deutlich, dass der Welt- und der europäische Jazz heute sehr viel versierter, emotionaler, intellektueller und auf der Suche nach Verbindungen zur zeitgenössischen Avantgarde, zur Klassik und zu ethnischen Strömungen zu sein scheinen. Unter dem Dach von ECM hat Manfred Eicher im Laufe der Jahre Musiker versammelt, die genau in diese Richtung gehen, und zwar nicht nur in Bezug auf die Homogenität der Kompositionen, sondern auch in Bezug auf das authentische Zusammenspiel.

Text: Jacek Brun, Elbphilharmonie
Foto: Daniel Dittus

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