Ramón Oliveras - drums
Anna Hirsch - voc
Andreas Lareida - voc
Lucca Fries - piano
Mo Meyer - bass
Plasma entstammt dem Griechischen und wird als formbare Substanz definiert. Sterne sind daraus aufgebaut, aber auch bei einem Blitzeinschlag entsteht Plasma: Materie in einem hochenergetischen Zustand, bekannt als der vierte Aggregatzustand. Poetisch betrachtet steht das Wort zudem für Spezialeffekte der Natur, die magische Momente passieren lassen. Momente wie die Polarlichter am nördlichen Himmelszelt oder summend flackernde Schilder, welche die engen Seitenstrassen in Hongkong zieren. Auf ihrem vierten Album "Plasma" widmen sich Ikarus genau diesem Phänomen und seinen Facetten.
Zunächst steht "Plasma" für einige Veränderungen: Die Band bewegt sich weg vom Eintauchen ins Klangliche hin zu zu einer physischeren Qualität der Musik, wie sie in der Electronica zu finden ist. Dies führt bei Ikarus zu einem neuen Höhenflug, wobei dessen Wendungen unberechenbar, geradezu wild wirken anbetrachts der nach wie vor komplexen rhythmischen und harmonischen Ebenen. Auf "Altaelva" wechselt zum Beispiel die Taktart von 7/4 zu 6/4 beziehungsweise 5/4, zugleich ist die Darbietung aber von Leichtigkeit und Emotionen geprägt. Hier ist einerseits ein hörbar erfahrenes Quintett am Werk, das jedoch andererseits offen für Neues bleibt: Erstmals wurden die Songs nämlich gemeinsam entwickelt.
Im Frühjahr 2021 erhielt die Band erste Skizzen von Leader/Schlagzeuger Ramón Oliveras, der diese teilweise schon 2019 komponiert hat. Ein intensiver Prozess der Ausarbeitung sowie Reduktion folgte, bis die Songs den spezifischen Anforderungen aller Beteiligten entsprachen. Während des Prozesses wählten die jeweiligen Mitglieder ihre eigenen Herausforderungen. Sängerin Anna Hirsch konzentrierte sich auf die Ausarbeitung von Melodien (zu hören beispielsweise auf "Tritium"), Pianist Lucca Fries hingegen experimentierte mit harmonischen Ideen und verfeinerte seinen gedämpften Spielstil. Er übernahm von Oliveras zudem einen Teil der Arrangement-Aufgaben. Mo Meyer wiederum suchte nach neuen Wegen, um seinen Kontrabass wie einen Bass-Synthesizer klingen zu lassen, ohne dabei auf Effektgeräte zurückgreifen zu müssen. Und Sänger Andreas Lareida erweiterte die Palette der möglichen Stimmen-Sounds. Improvisationen bildeten dabei einen wichtigen Teil dieser Probephase, wobei der Song "Cocoro" während einer besonders inspirierten Session entstand. Nach den Aufnahmen wurde das Material durch Jan Wagner abgemischt. Das vom Quintett angestrebte elektronisch angehauchte Klangbild fiel dementsprechend in seinen Verantwortungsbereich.
"Die Musik, die wir machen, lässt sich nicht an einer spezifischen Musikkultur festmachen", erklärt Leader Ramón Oliveras einen weiteren zentralen Hintergedanken. "Alle fünf Mitglieder von Ikarus haben sehr unterschiedliche Geschmäcker und als Band haben wir eine eigene Geschichte, auf die wir uns beziehen können." Ein Exempel bildet beispielsweise "Sessapinae". Oliveras: "Bei diesem Song könnte ich als Hörer*in Verbindungen zu einer Vielzahl Gesangstraditionen herstellen, seien sie aus Bulgarien, der Türkei, der Schweiz oder Indien – obwohl keine von ihnen eine spezifische Inspirationsquelle war. Dasselbe gilt oftmals auch für die Grooves. Wie dies erlebt wird, ist von Hörer*in zu Hörer*in unterschiedlich", sagt er und fasst wie folgt zusammen: "Die Herkunft dieses Albums ist wohl nicht zu erkennen, wenn sie nicht verraten wird."
Das Album "Plasma" stellt denn ein meisterliches Musikwerk dar, das pure Energie darstellt plus eine gewisse Ehrfurcht auslöst. So wirkt die Platte vertraut als auch fremd und erzählt ein neues Kapitel der Geschichte Ikarus’. Im Mittelpunkt stehen fünf Instrumentalist*innen, die herausgefunden haben, wie sie ihre individuellen Stimmen beibehalten und gleichzeitig zu einer Einheit werden. Oder präziser: zu einer nahtlosen, formbaren Substanz verschmelzen können.
jazz-fun.de meint:
Ikarus überraschte erneut mit der Frische neuer Ideen. Dieses Album ist wirklich großartig anzuhören, kein Ton ist hier überflüssig, die Suche der Bandmitglieder hat wieder einmal zum Erfolg geführt. Mit diesem Album gehen sie wieder neue Wege, ich frage mich, welchen sie als nächstes gehen werden...
- Tritium
- Isblink
- Sessapinae
- Cocoro
- Altaelva
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