Jason Seizer - Cinema Paradiso

Jason Seizer - Cinema Paradiso

Jason Seizer
Cinema Paradiso

Erscheinungstermin: 16.01.2015
Label: Pirouet, 2014

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Raus aus den abgedunkelten Sälen, rein ins leuchtende Sound-Universum: Saxophonist Jason Seizer entdeckt mit Pablo Held, Klavier, Mathias Pichler, Bass, und Fabian Arends, Schlagzeug, Filmmusiken neu. Cinema Paradiso ganz fürs Ohr – mit Klangbildern für eigene Köpfe.

Die erste Saxophonlinie ertönt – und schon sind die Bilder da. Der Vorführraum in einem alten Kino auf einem sizilianischen Dorfplatz, die staunenden Augen des kleinen Jungen, der sich mit dem Vorführer angefreundet hat, die für die kindliche Wahrnehmung riesig erscheinenden Filmrollen auf dem Projektor. Und mit den Bildern die Sehnsuchtsstimmung. Der Sog. Die Magie. Und doch ist etwas anders. Nicht die Geigen, wie im Original-Soundtrack zu dem Kino-Hit Cinema Paradiso von Regisseur Giuseppe Tornatore, seufzen hier von einer wunderbaren Welt. Keine gefühlstrunkene Fülle hebt an. Sondern der auf ganz feine Art eindringliche Klang eines Jazzquartetts – und der geht ganz schnell eigene Wege, weg von den Bildern, hin zu einer ganz eigenen Intensität der Töne. Diese Aufnahmen greifen die Erinnerung an die bewegten Leinwandbilder auf und entführen sie in eine eigene Welt. Und schnell wird klar: Cinema Paradiso, die neue CD des Saxophonisten und künstlerischen Leiters des Pirouet-Labels Jason Seizer, ist keine Hommage an Bilder, sondern entschieden eine an die Töne, die sie begleiten. Im zitierten Fall schiebt sich die ergreifende Melodie, die der Filmmusik-Magier Ennio Morricone schuf, vor die Bilder des Regisseurs und erlebt im zeitgemäßen Jazzgewand von Jason Seizers Quartett schillernde und am Ende eindringliche, fast schmerzlich schöne Metamorphosen.

Cinema Paradiso, eine der berühmtesten Filmmusiken der letzten Jahrzehnte, lieh zwar auch der ganzen CD den Namen – aber die Stücke stammen aus vielen unterschiedlichen Filmen. Als da etwa sind: das von Alex North komponierte Liebesthema aus Spartacus (1960), die berühmte Cavatina von Stanley Myers für den Film The Deer Hunter von 1978, Carlotta’s Portrait aus Bernhard Herrmanns Soundtrack zu Hitchcocks Vertigo (1958), Leonard Bernsteins Thema zu On the Waterfront (Die Faust im Nacken) von Elia Kazan (1954), Jerry Goldsmiths Hauptthema zu Ridley Scott’s Alien von 1979, Steve’s Care von Roque Baños aus The Machinist von 2004 – und dazu so witzige Stücke wie das hier nervös-pointenreich dahintreibende Jungle Beat aus Walt Disneys Dschungelbuch (1967). Einige große Klassiker spielt Seizers Quartett auf dieser Veröffentlichung. Und je länger man die Aufnahmen hört, desto klarer wird: Es geht eben nicht um die Aura der Bilder mit Darstellern wie Marlon Brando, Philippe Noiret oder Kirk Douglas, sondern es geht um das eigenständige Leben, das großartige Filmmusik-Kompositionen entfalten können. Gerade die Cavatina oder auch das Spartacus- Thema sind jüngeren Generationen auch ohne die Bilder vertraut – weil die Musik auch für sich selbst so stark ist.

Jason Seizers Partner sind der Pianist Pablo Held (geboren 1986) – den er 2007 als 20-Jährigen ins Programm von Pirouet nahm und der einer der herausragenden Künstler des Labels wurde –, der Bassist Mathias Pichler (geboren 1981) und der Schlagzeuger Fabian Arends (geboren 1990): Der 1964 in Stuttgart geborene Jason Seizer spielt hier also mit Kollegen der nächsten Generation, die sich alle in unterschiedlichen Projekten bestens ausgezeichnet haben und etwa im Falle von Fabian Arends zu den ganz jungen Entdeckungen der Jazz-Szene zählen. Es sind alles sehr starke musikalische Individuen, Held mit seiner Mischung aus Komplexität und intimer Feinheit im Spiel, Pichler mit seiner großen grundierenden Kraft und Arends mit seiner filigranen Freiheit und immensen Beweglichkeit. Das alles kommt Seizer, einem Saxophonisten mit entschiedener Strenge und Klarheit des Spiels und einer konsequenten Vermeidung von Klischees oder »Licks«, sehr entgegen. »Zwei meiner großen Einflüsse«, so sagte er dem Liner- Notes-Autor Marty Cook, »sind die legendären 1960er Bands von John Coltrane und Miles Davis. Ich habe mich stets mehr an das gehalten, wie Coltrane seine Band organisierte. Für mich hatte das eine größere Einheit, ein gemeinsames Ziel, während Miles’ Band mit Herbie Hancock und Wayne Shorter eher eine Band aus Individuen war mit einem disparateren Herangehen an die Musik. Das ist mehr die Richtung, aus der Pablo kommt. Diese beiden Arten von Zusammenspiel in der Gruppe sorgen für gute kreative Spannung.«

Und so ist es. Ein offener Horizont kennzeichnet diese Aufnahmen. Die Band-Mitglieder bringen ihre Individualität hier spürbar stark mit ein – die harmonische Freiheit des Klaviers etwa, die gelassene Erdenschwere des Basses, die fein ziselierte Quirligkeit des Schlagzeugspiels. Und doch hat sich das Spiel dieses Quartetts zu einer faszinierend geschlossenen ästhetischen Einheit geformt. Es entsteht ein atmosphärischer Sog, der den Hörer immer mehr packt – und in dem diese bekannten Melodien ein völlig eigenständiges Leben entwickeln. Mit berühmten Filmmusik- Interpretationen von Jazzmusikern wie Yusef Lateef oder Bill Evans treten diese Aufnahmen weder in Konkurrenz noch bleiben sie hinter ihnen zurück: Sie gehen unbeirrt einen ganz eigenen Weg.

Das tut Jason Seizer auch seit langem als Saxophonist. Er ist ein Musiker, der sich dem allzu Geläufigen und jeder Effekthascherei stets entschieden und manchmal auf fast störrische Weise gesperrt hat. Allem allzu Leichten und musikalisch schnell Hingeworfenen misstraut er. Dass er das hier ebenso konsequent wie sonst tut, ist ein großer Gewinn für den Hörer. Seizer spielt die Melodien in so strenger Klarheit, dass allzu schmeichelnde und zu sehr auf den blanken Wiedererkennungs-Effekt setzende Untertöne nicht die geringste Chance haben. Pure Substanz sind die Themen der Stücke bei ihm – und sie gehen in dichten, immer stark am musikalischen Kern angelehnte Improvisationen auf. Sein Tenorsaxophon-Ton entfaltet dabei eine aufregende Farbenvielfalt und große Wärme.

Cinema Paradiso: Das Filmmusiken-Paradies auf dieser CD ist eines, das nicht auf schnelllebigen schwelgerischen Glanz setzt, sondern das viele kleine Winkel und feine Momente hat, in denen man nach und nach immer mehr Faszinierendes entdeckt. Alles ist da – und alles etwas ganz Eigenes.

Jason Seizer - tenor saxophone
Pablo Held - piano
Matthias Pichler - bass
Fabian Arends - drums

  1. Carlotta's portrait
  2. Cinema paradiso
  3. Steve's care
  4. On the waterfront
  5. Cavatina
  6. Jungle beat
  7. Children´s games
  8. Alien main theme
  9. Spartacus love theme

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