Ambrose Akinmusire Sextett 03.11.2017 - Jazzfest Berlin 2017
von Cosmo Scharmer

Voices oder wie Stimmen den Blues finden
Manchmal ist es positiv, wenn eine nicht bekannte Band bis zum Auftritt unbekannt bleibt und auf Recherchen wie Hören von CDs oder Videos verzichtet wird. Die Spannung bleibt erhalten, Überraschungen jeglicher Art sind möglich. So auch bei diesem Sextett, das neben der Rhythmusgruppe, verstärkt durch die Gitarre, als wichtigste Solostimme über die Trompete verfüg. Zwei Gesangstimmen prägen den Sound, eine als konventionelle Stimme, die andere Stimme kommt als „Voice aus dem Off“. Damit sind wir beim Thema.
Voices from the OFF
So kurz wie möglich: Die aufgenomme Voice hat eine Familiengeschichte in den Staaten, bei der die Aufnahme einer Gesangsstimme – von einer sich im Gefängnis befindenden Farbigen, von der nur ihr Namen bekannt ist -, einen wichtigen Bezugspunkt bildet. Dieser Record wird von einem Medium eingespielt und bildet die korrespondierende Stimme zu der lebendigen Voice des zwischen Bariton und Bass oszillierenden Sängers auf der Bühne. Musikalisch tönt bei verhaltener, gedämpfter Stimmung so was wie eine spirituelle Beschwörung – wenn schon nicht von Geistern, so doch von Ahnen. Die Band hält sich diskret im Hintergrund und überlässt den „Voices“ den Vorrang. Der Sänger zelebriert eine Beschwörung, bei der sein knarrender Gesang zwischen sonorem Bariton und brummenden Bass schwingt. Nur die Trompete darf gelegentlich solistisch mitklagen.
Nun, etwas irritierend, zumindest gewöhnungsbedürftig ist die – nicht von bester Qualität – knisternde Aufnahme schon, die aus fernen Tiefen und Welten kommend, den Ton angibt. Es ist eine Musik mit klagender Grundhaltung, die von der Band auch übernommen wird. So langsam dämmert es. Was hier zu hören ist, ist der von Haltung, Text und Geist der Musik ein Blues. Ein durchaus aktueller Blues vom (gefährlichen) Leben der „Black Community“ in den Staaten.
Give me the Blues

Blues, klagend und fordernd. Dies wird bei den folgenden Stücken deutlicher. Zunächst nur bei gelegentlichen Einsprengseln entpuppt sich die Musik jetzt als tradierter Blues, auch von der klassischen Form her. Der Gitarrist darf zeigen, dass er in dieser Welt Zuhause ist und tut dies in seinen Solo-Parts auch. Die Band lässt die dunkle Beschwörung bald hinter sich und überzeugt als gestandene Bluesformation, gekonnt gespielt von Jazz-Musikern. Ja, es wird zunehmend jazziger. Balladen, bei denen auch der Man am Klavier solistisch zum Zuge kommt und sein Können zeigen kann. Die anderen Instrumente bleiben meistens verhalten, solistische Einlagen sind selten, und wenn, dann nur kurz, aber gut. Den größten Anteil an den Stimmen hat unangefochten die Trompete des Bandleaders Ambrose Akinmusire, der sein Spiel mit den – in den Vordergrund sich drängenden - Voices oft teilen muss.
Dafür werden die Balladen umso stärker von den Improvisationen von Piano und Trompete getragen. Hier tönen nun erdige Balladen auf der Basis von afro-amerikanischen Mainstream Jazz. Diese Balladen und die bluesigen Titel überzeugen dann auch das Publikum.
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