Dirty Dozen Brass Band im Berliner Quasimodo – 19.11.2019

von Cosmo Scharmer

Tropisches Gewitter à la New Orleans - Dirty Dozen Brass Band im Berliner Quasimodo – 19.11.2019

Dirty Dozen Brass Band
Dirty Dozen Brass Band, Foto: Chris Monaghan

Roger Lewis - Baritone Sax/Vocals
Gregory Davis - Trumpet/Vocals
Kirk Joseph – Sousaphone
TJ Norris - Trombone/Vocals
Julian Addison – Drums
Takeshi Shimmura - Guitar

Mit preußischer Pünktlichkeit - Schlag 22:30 Uhr - betritt das halbe Dutzend der „Dreckigen Zwölf“ die Bühne im längst unpreußisch gewordenen Berlin. Die Ansage des Trompeters Gregory Davis nach dem Anfangstitel macht klar, wo die gestandenen Jungs herkommen: New Orleans, Louisiana. Und so wird ihre Musik auch klingen, zumindest teilweise. New Orleans, als Geburtsstadt des Jazz, war und ist Verpflichtung für alle, die sich für Jazz begeistern. New Orleans steht für den Stil dieser Musik als der Jazz noch blutjung war. Im Laufe der Zeit entstand daraus, unter dem populären Namen Dixieland, eine mehr oder weniger gefällige Hintergrundberieselung auf Partys und in urigen Kneipen. Durch die Trompeter Wynton Marsalis und Terence Blanchard wurde der alte Stil rehabilitiert, wieder akzeptiert als seriöse Variante des Jazz. Zu den Gruppen, die dem New Orleans treu geblieben sind und ihn zeitgemäß zu spielen begannen, gehört auch die Dirty Dozen Brass Band.

Auf der Bühne ist eine wuchtige Ansammlung von Drums zu sehen, die in der Mitte thronen und so massiv nur im Rock vorkommen. Die Tom-Toms sind alle doppelt vorhanden, dazu zahlreiche Becken. Damit ist eines klar: Die Band wird sich nicht akustisch spielend im Club bewegen, wie dies gelegentlich - zur Freude des Publikums - von den New-Orleans-Gruppen und dem „Dreckigen Dutzend“ gepflegt wird. Dafür wird auch die „artfremde“ elektrische Gitarre sorgen, deren Mobilität arg eingeschränkt ist. Linker Hand machen sich zwei Blickfänger breit: ein voluminöses Bariton-Saxophon, das nicht zu dem tradierten New-Orleans-Instrumenten gehört und ein metallenes Kraftwerk, das sich Sousaphon nennt und als tragbare Tuba gilt. Das alles ist zu sehen. Was wird zu hören sein?

Die ersten Töne durchdringen den Raum: tieflagig, wuchtig, mit viel Kraft und ordentlicher Lautstärke vorgetragen. Der Rhythmus tönt nach Funk-Beat, aber auf 2-taktiger Basis. Bariton-Sax, Posaune und Gitarre verstärken den Kern der Rhythmusgruppe aus Drums und dem absolut unverzichtbarem Sousaphon. Über den Funk-Beat legt sich ein Solo der Trompete in hohen Lagen und sorgt für den musikalischen Ausgleich. Der nächste Titel gibt dem Sax die Möglichkeit solistisch zu überzeugen, was Roger Lewis auch tut. Sein Solo passt sich in den vorgegebenen musikalischen Rahmen ein, lotet nicht die Grenzen des Themas aus, sprengt sie auch nicht in bester Jazz-Manier. Es bleibt beim Funky-Power- Sound, der kräftig, tieflagig, und ohne Berührungsängste vor Lautstärke wie ein Gewitter daherkommt. Auch wenn die Bläser überwiegend den Rhythmus verstärken, so gibt es reihum Gelegenheit, Soli zu spielen. Diese sind stets in die Themen integriert, relativ kurz und überfordern nicht die Hörer mit Komplexität. Sie bleiben erdig, geradlinig, schnörkellos, wie der ganze kompakte Sound: Funk à la Louisiana. Die häufigen Bläsersätze orientieren sich an dieser musikalischen Konzeption, runden die Stücke mit unisono gespielten Linien ab.

Was macht der Drummer Julian Addison? Der haut sicher auf sein Trommel-Set, bleibt dabei stets im geraden Beat, den er mit großer Exaktheit hält. Und der Bass? Kirk Joseph am Sousaphon leistet Schwerstarbeit, um dem Sound seine New-Orleans-Wurzeln zu erhalten. Das ist ein Working Class Musician, der auch bei den vielen schnellen Tempi seine Sicherheit behält und seine Tonfolgen gnadenlos wie heroisch in den Raum bläst. Superb! Für den Sound der Band ist er absolut unverzichtbar.

Was ist mit dem Publikum? Das lässt sich von der Musik einnehmen, wippt mit großen körperlichem Einsatz auf den Stühlen hin und her. Die Stehenden bewegen sich - zwischen Rumhampeln und tänzerischen Figuren – mehr oder weniger schön. Ohne Pause macht die Band weiter. Immer wieder erklingt ein Unisono-Bläsersatz, der dann von Soli abgelöst wird, um in den nächsten zu münden. Das Bariton-Sax erspielt sich einen größeren Anteil an expressiven Soli, bleibt aber mit seinen geblasenen Riffs fester Bestandteil der Rhythmusgruppe. Jetzt tönt ein Solo des Posaunisten TJ Norris, beim Standard Caravan darf die Trompete ran. Von kurzen Ausflügen als Solostimme abgesehen, ist die nicht vollständig integrierte Gitarre von Takeshi Shimmura - mit ihren durchgeschlagenen Akkorden - fest in der Hand der Rhythmiker.

Es geht schon stürmisch ab, stets bei gleichbleibender Lautstarke. Schade, mit unterschiedlichen Levels an Lautstärke ließe sich sicher mehr Wirkung erzielen. Das Geheimnis des Spielens zwischen laut und leise wird hier nicht erzählt. Ein Drum-Solo darf nicht fehlen. Sehr schnell – so was kommt immer beim Publikum gut an – und präzise erklingt ein gestandenes Power Play. Dabei verbleibt der Drummer im geraden Beat, überwindet ihn nicht. Er trommelt so, wie ein versierter Jazzer eben Funk und Rock trommelt.

Drei Viertel des Konzertes sind vorbei, da beschließt die Band - unter der Moderation des Trompeters Gregory Davis - einen Richtungswechsel. Weg vom New-Orleans-Funk hin zur gefälligen Unterhaltung einer Animationsband. Da werden nicht nur die Anwesenden nachdrücklich zum Mitklatschen aufgefordert, da werden auch zwei junge attraktive Ladies auf die Bühne zum Tanzen gebeten oder - wenn man will – beordert. Dazu tönt der Refrain Get up, Get Up… Solche Mätzchen hat die Band nicht nötig und das Publikum nicht verdient. Die Anwesenden sind bei der Sache und machen von ganz alleine mit. Während der Animation verflacht der Sound in einen beliebigen Hip Hop. Der Funk-Gewitter-Sturm löst sich auf, nur die Lautstärke bleibt übrig. Anfangs überzeugte der wuchtige, aber durchaus originelle Sound mit seiner erdigen Ausprägung. Den letzten Teil des Konzertes hat das halbe „Dreckige Dutzend“ unnötigerweise vergeigt. Bedauerlich!

Text: Cosmo Scharmer

Dirty Dozen Brass Band Internetseite:
http://www.dirtydozenbrass.com/

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