That´s Life – Das Sinatra-Musical - Kurzbericht

von Cosmo Scharmer

Einige Anmerkungen zum „Genre“ Musical

Musicals sind etwa gleich alt wie der Jazz. Beide haben sich auch von Beginn an stark beeinflusst, haben sich des Materials des anderen bedient. Die Jazz-Musiker entnahmen Titel aus den Musicals und machten sie zu ihren Stücken und dabei weltberühmt. Umgekehrt komponierten Persönlichkeiten wie Gershwin, Cole Porter und Bernstein mit zahlreichen Jazzelementen und schufen ein Material, das sich für Jazz-Interpretationen genial eignete.

Frank Sinatras Musik

Frank Sinatra
Foto © COFO Entertainment / Kary Lasch

Seine Musik ist extrem vielfältig, trieft nur so vor Erfolg. Neben Swing gibt es weitere Genres: gefühlvolle (Liebes-)Balladen und einschmeichelnde Pop-Songs. Nicht nur die Jazz-Gemeinde, jeder, der sich für Musik begeistert, kennt diese Titel: Fly Me to the Moon, That´s Live, Strangers in the Night, The Lady is a Trump, My Way, New York - New York. Kurzum: Sinatra hat so gut wie alle berühmten Jazz-Standards präsentiert.. Es sind seine Songs, sein Stil, es ist der swingender Big Band Jazz von Frank Sinatra. Die Messlatte liegt hoch für alle, die seine Musik spielen, sei es „nur“ als Song oder gar als Musical.

Die Sinatra-Musical Big Band

Eine Schwierigkeit, den Sound von Frank Sinatra auf die Bühne zu bringen, liegt darin, dass Sinatra stets mit vielköpfigen hochkarätigen Orchestern, gewaltigen Big Bands, die durch zahlreiche Streicher verstärkt wurden, gearbeitet hat. Wenn zu der klassischen 16-köpfigen Big Band noch weitere Instrumente und zahlreiche Streicher hinzukamen, so verfügte Sinatra über ein mehr als doppelt so starkes Ensemble wie die aktuelle Sinatra-Musical Band.

Es bedeutet für Musiker und Arrangements eine große Herausforderung, wenn mit einer „Big Band Light“ der Sinatra-Sound erreicht werden soll. Neben der traditionellen Rhythmusgruppe aus Piano, Drums und Bass besteht das Blech aus 2 Trompeten und einer Posaune. Die dreiköpfige Saxofon-Gruppe wechselt sich zwischen Alt-, Tenor- und Bariton-Sax ab. Ein klassisches Streich-Quartett verstärkt das Ensemble. Das klingt schon recht beeindruckend, ist auf alle Fälle mehr als nur eine Big Band Light, aber gemessen an den Orchestern, die Sinatra präsentierte, eher moderat.

Ein besonderer Aspekt ist dieser: In einem Musical über Sinatra sollte oder muss die Stimme wie der Meister klingen. Die bekanntesten und erfolgreichsten Titel müssen nahe an das Original heranreichen. Auf der anderen Seite ist eine gewisse eigene Interpretation der Titel erforderlich, wenn die Musik wirklich leben, also nicht nur eine Kopie des Originals sein soll. Beides zu verbinden gleicht eher einem Tanz auf dem schwingenden Drahtseil des Swings. Hier sind besonders die beiden Sinatra-Darsteller gefordert.

Die Stimmen

Frank Sinatra Musical
Frank Sinatra Musical, Foto: Dominik Gruss

Ein besonderer Aspekt ist dieser: In einem Musical über Sinatra sollte oder muss die Stimme wie der Meister klingen. Die bekanntesten und erfolgreichsten Titel müssen eben gespielt werden und nahe an das Original heranreichen. Auf der anderen Seite ist eine gewisse eigene Interpretation der Titel erforderlich. Beides zu verbinden ist eine gewaltige Aufgabe. Das gleicht eher einem Tanz auf dem schwingenden Drahtseil des Swings. Hier sind besonders die beiden Sinatra-Darsteller herausgefordert.

Das Musical als Schauspiel

Sinatras Karriere und seine Ehen mit Nancy Barato, Ava Gardner und Mia Farrow, das ist viel Rohstoff für jede Handlung auf der Bühne.

Die Musik

Ohne Ansage, mit Musik geht´s los. Swingende Sequenzen werden von der Band nur angespielt, es klingt nach einem kurzen Meadly zum Einstimmen und Aufwärmen. Mit dem Ende der Karriere fängt es an: das letzte Konzert von Frank Sinatra in LA. Tam Ward als älterer Sinatra kommt in den Fokus der Scheinwerfer und legt los. Die ersten klassischen Standards wie der Cole Porter-Song „I´got You Under My Skin“ sind zu hören. Tam Ward macht seine Sache ausgezeichnet. Er intoniert und phrasiert die Titel in bester Jazz-Tradition. Dabei kommt er Sinatras Stil wirklich nah. Es ist nicht wichtig, ob er den Meister perfekt imitieren kann oder nicht. Wichtig ist, dass die Titel, der Swing in seiner Interpretation überzeugen, leben und emotional berühren. Das erreicht er mit seinem sanften Bariton allemal. Die Big Band steht dem Sänger nicht nach und liefert die Grundlage für einen unaufdringlichen Swing. Dass das so lässig klingt, liegt auch an den ausgefeilten Arrangements von Band Leader Gerald Meier.

Szenen eines Sängerlebens

Sinatras abwechslungsreiches, glamouröses Leben liefert den Stoff aus dem die Handlung sich bedient. Regisseur Stefan Warmuth ist es gelungen, dieses Leben dramaturgisch auszugestalten.

Erste Szene: Der junge Sinatra (Jank Danailow) erzählt mehr als selbstbewusst von seinen Ambitionen, ein großer Sänger und Star zu werden. Er macht seiner Freundin Nancy Barbato eine Liebeserklärung und dann einer Heiratsantrag. „Night and Day“ singt Jank Danailow als junger Sinatra. Die Musik spielt den Song „When they begin the Beguine“. Hier wird gezeigt, dass die Choreografie den Swing gut versinnbildlichen kann. Der klassische Tanzstil des Swing war und ist der Lindy Hop. Die Paare zeigen die Grundfiguren und dann artistische Varianten. Musik und Tanz machen den Swing bildlich, zeigen die einnehmende Ästhetik, wenn sie harmonieren, was bei der Choreografie von Amy Share-Kissiov der Fall ist.

Hollywood

Schnitt: Sinatra in Hollywood. Der Sänger Sinatra versucht sich als Tänzer und Schauspieler beim Film. Der Auftritt der prominenten Schauspielerin Ava Gardner ist der knallende Bruch mit seinem bisherigen Leben als Ehemann. Er verfällt der Diva sofort, will sie sogleich heiraten. Dazu spielt die Musik den passenden Song: „The Lady is a Tramp“. Nancy Sinatra wandert im Hintergrund mit ihrem Baby auf dem Arm über die Bühne.

Ava Garner ist die glitzernde Diva, ein Gegenbild zur braven und biederen Ehefrau Nancy. Als Doppelrolle hat es Katja Bischoff nicht einfach, die sehr gegensätzlichen Rollen zu verkörpern. Wer sich mit dem Programmheft nicht näher beschäftigt hat, würde nicht bemerken, dass dieselbe Person zwei Rollen spielt. Respekt! Als Ava kann Katja Bischoff gut zeigen, dass sie trotz ihrer Jugend schon eine ausdruckstarke, kräftige Stimme verfügt, die sie gekonnt einzusetzen weiß.

Scheidung von Nancy und Heirat mit Ava. Dazu ertönt die dunkle Ballade „Angel Eyes“. Die Bläser der Big Band halten sich zurück, es spielt eine kleine Combo mit den Streichern, ein Saxofon setzt behutsame Farbtupfer in die schwermütige Ballade.

Las Vegas

Cut. Hollywood ade, Las Vegas tut (noch) nicht weh. Der Titelsong ertönt. Im Original kommt That's Life mit der swingend röhrenden Hammond-Orgel rüber. Das ist hier nicht zu machen, aber die Band weiß sich zu helfen durch schwirrende Klänge der Geigenfamilie, angereichert durch säuselnde Riffs der Saxofone.

In Las Vegas: „The Rat Pack“ mit Sammy Davis Jr. und Dean Martin, eine amerikanische Show mit allem was dazugehört. Entertainment mit kabarettistischen Einlagen und den bekannten Songs. Auch das Musical kombiniert Musik und Tanz sowie ironische Sketche. Die Darsteller können jetzt Ausbildung und Erfahrung in Sachen Musical zeigen.

Chicago

Frank Sinatra Musical
Frank Sinatra Musical, Foto: Dominik Gruss

Im nächsten Abschnitt im Leben von Frank heißt das Ziel Chicago und das wird durch den Titel „This is My Kind of Town“ perfekt angekündigt sowie untermalt. In die Chicago-Zeit fallen auch die Kontakte von Sinatra zu den Kennedys und der Mafia. Zurück nach Hollywood zum Film. Frank lernt bei MGM die blutjunge Mia Farrow kennen und alles fängt nochmal von vorne an.

Die Superhits zum Schluss

Der (vorläufige) Höhepunkt des Abends: „My Way“. Musikalisch wie inhaltlich ist der fantastische Titel perfekt positioniert. Rückblickend, bekennend und letzlich auf dem beharrend, was man/frau tat, bietet der Titel ein hohes Potenzial für Identifikation mit dem eigenen Leben: I Did it My Way! Die Musik holt aus. Ein gerader Beat, die Streicher intonieren verhalten, steigern sich zusehends, der Klang wird dichter und dichter. Bariton-Stimme und Bläser erhöhen ungemein die Dramatik der Musik, gipfeln in einem kompakten wie ergreifenden Big Band Sound. Das hat Wirkung.

Das Publikum ist jetzt richtig begeistert. War zuvor freundlicher und anerkennender Applaus zu hören, so steigert sich die Reaktion nun zur Euphorie. Die bleibt auf diesem Niveau als sogleich „Mac the Knife“ angestimmt wird. Dieses Lied wird dazu verwendet, das Ensemble vorzustellen. Das Publikum ist ausgiebig klatschend voll dabei, will aber noch was. Na klar. Ohne „New York, New York“ darf keine Sinatra-Veranstaltung zu Ende gehen. Ein freudiges Aufheulen! geht durch das Theater als der Titel dann kommt. Ein Spätwerk von „The Voice“, das nicht zu toppen ist. Dementsprechend ist das Publikum jetzt aus dem Häuschen. Was ist noch zu sagen? Nur das: Da gibt es nichts zu meckern. Hingehen!

Text: Cosmo Scharmer

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