JazzBaltica 2019
JazzBaltica 2019 - Jakob Bro meets Palle Mikkelborg – Die Schlafwandler – 21.06.2019

Jakob Bro - g
Palle Mikkelborg - tp, flh
Thomas Morgan - b
Jorge Rossy - dr
So wie es beginnt, so wird das Konzert enden: Weite, Sphären, musikalische Felder, Klangwelten von fragiler Beschaffenheit bei melancholischer Grundstimmung. Die behutsamen, langsamen Töne der Trompete weisen den Weg: nur nicht verschrecken, nicht verstören, nicht berühren. Das Horn von Palle Mikkelborg spielt lang angehauchte, sehr sparsame Motive. Der Bass von Thomas Morgan verschafft ein Gegengewicht, indem er der luftigen Zerbrechlichkeit des Sounds die Bodenhaftung von klaren Bassfiguren entgegenstellt. Der Gitarrist Jakob Bro hält sich bei seinem ebenfalls flüchtigen Solo noch bedeckt. Vom Drummer ist fast nichts zu spüren.
Das Spiel der Gitarre dominiert die Musik des Quartetts. Schlagzeug und Trompeter stehen im Abseits. Bei Palle Mikkelborg ist dies sogar räumlich. Er verweilt oft an den Seitenlinien der Bühne, macht sich unsichtbar. Jetzt erhebt er sein Horn und bläst so verträumte wie zerbrechliche Töne in diese elegische Musik. Er ist der Rufer in der Wüste der realen (Konzert-)Welt. Es hat schon was Gespenstisches, wie tastend der Trompeter und seine Klänge im Raum herumirren. Ha, da tönt ein Fanal. Ein (Trompeten-)Signal der Befreiung schallt durch den Saal. Aber nur kurzzeitig. Die Gitarre von Jakob Bro sticht schnell mit schrillen Tonfetzen in diesen behutsamen Sound der Verlorenheit. Zusätzlich werden noch einige Effekte und Gags vom digitalen Medium eingespielt. Diese Effekte gehen in Richtung bewusster Ver- oder Zerstörung des schwelgenden Sounds, hart an der Grenze zur Destruktion und zur Noise-Musik. Der Kontrast zwischen den Klangmustern der Trompete und den gegensätzlichen Tonfolgen der Gitarre ist ziemlich groß. Diese beiden musikalisch-ästhetischen Welten liegen sehr weit auseinander. Die Anzahl der Hörer, die beides mögen, ist wohl ziemlich gering. Ein mäßiger Beifall des Publikums scheint diese Auffassung zu teilen. Erste Besucher verlassen den Saal.
Und noch immer nicht greift der Drummer mit seinem Spiel in das Geschehen ein. Nicht nur die Gitarre, auch der Klangcharakter der Trompete wird stark digital unterstützt. Jeder Ton der Trompete wird durch extremen Hall ausgeweitet. Mitunter kommt es einem (mir?) so vor, als wenn die Töne der Trompete digital so aufgemotzt werden, dass das reale Spiel zur Nebensache verkommt. Dazu trägt auch noch der Eindruck bei, dass Palle Mikkelborg häufig auf der Bühne herumirrt, sich nur kurz bei den anderen Musikern in der Mitte der Bühne aufhält, um dann schnell wieder an den Rand zurückzukehren, wo sein digitales Equipment ihn erwartet. Dieses Herumirren auf der Bühne hat sowohl im räumlichen wie auch im musikalischen Sinn etwas von Schlafwandlerei.
Ein Muster wiederholt sich mehrfach. Es gibt einen Spannungspol zwischen den elektrischen verfremdeten Gitarren-Sounds – plus elektronischem Support – und den elegischen Klängen von Palle Mikkelborgs Horn. Diese Spanungspole lösen sich jedoch nicht auf, da sie zu weit auseinander liegen. Dabei bleibt die emotionale Wirkung der Musik auf der Strecke. Diese Musik verweilt auf der Stelle, sie bewegt sich nicht, sie ist langweilig. Leider! Ohne das Spiel des Bassisten wäre diese Musik ganz verloren, aber der kann auch nur den Schaden begrenzen. Es bleibt dieser unselige Eindruck von Schlafwandlerei. Ganz zum Schluss scheint es so, dass ein Ausweg aus der Verlorenheit des Sounds möglich wäre. Bass und Drums spielen rhythmisch akzentuiert auf, das Thema will sich entwickeln, wird aber jäh durch die Töne der Trompete in die klangliche Tristesse zurückgestoßen.
JazzBaltica 2019 - Fotoreportage

19.000 Besucher feierten vom 20. bis zum 23. Juni die 29. Ausgabe von JazzBaltica in Timmendorfer Strand. Sämtliche Konzerte auf der MainStage im Festsaal des Maritim Seehotel Timmendorfer Strand waren ausverkauft. Hier waren unter anderem Mathias Eick, Nils Wülker, Jakob Bro und Palle Mikkelborg, Katja Riemann, Marilyn Mazur, Bugge Wesseltoft, Dan Berglund und Magnus Öström sowie das senegalesische Orchestra Baobab zu erleben.
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