Jens Fischer Rodrian - Wahn & Sinn

Jens Fischer Rodrian
Wahn & Sinn
Erscheinungstermin: 24.05.2019
Label: Lametta Music, 2019
Die Koordinaten für sein erstes Spoken-Word- und Sung-Word-Album WAHN & SINN bestimmt Jens Fischer Rodrian schon seit gefühlten Ewigkeiten. Er, der auch als Jens Fischer oder f i s c h e r firmiert, studierte das Leben und die Musik zunächst in München, dann in Los Angeles und später in New York und Boston, wo er Teil der Blue Man Group wurde. Zurück in Deutschland engagierte ihn die Blue Man Group Berlin als musikalischen Leiter, Produzenten und Sprecher. Schließlich lagen die ersten Kompositionsaufträge für Filmmusiken auf dem Tisch. Die Frohbotschaft, dass ein wenig bis gar nicht affektierter und gleichsam überaus vielfältiger, wachsamer und neugieriger Musikbesessener seine Ressourcen als Komponist, Produzent und Songwriter teilen wollte, machte in Musikdeutschland schnell die Runde. Unter seiner Ägide entstanden unter anderem Songs und Alben von Max Prosa, Katja Riemann, Tim Neuhaus und Boundzound. Mit Demba Nabé von Seeed gründete er die Band Hermen, Konstatin Wecker ist er als Produzent und Live- Musiker ein wichtiger Bruder im Geiste.
Einen eigenen Text zu vertonen, ist für Jens Fischer Rodrian ungewöhnlich. Immer noch. Die Instrumentalmusik ist seine Heimat. Eigentlich. Aber wenn er den Impuls zulässt, die Richtung eines Liedes vom Wort bestimmen zu lassen, entsteht seine Musik, entstehen außergewöhnliche Tonstücke. Ist das Musikkunst oder Kunstmusik? Wen interessiert's! Sein persönliches Glücksgefühl ist nicht davon abhängig, ob 200 oder 2000 Units seines neuen Albums WAHN & SINN ihre Kreise ziehen werden. Oder 200.000. Gold! Platin!! Man darf ja mal für ihn davon träumen, dass Formate nur ein vorübergehender, böser Spuk gewesen sind... Er sieht das so: Die Vermarktungsindustrie streut Hemmnisse, Musik frei zu interpretieren, und sie schlägt damit die tatsächliche persönliche Annäherung in die Flucht. WAHN & SINN existiert nicht für oder gegen den Zeitgeist. Dann wäre sie ja kein poetischer, sondern ein politischer Ausdruck. Die Platte trotzt nicht mal Bestehendem. Sie ist. Ohne Warum.
Raus den ewigen Retro-Schleifen! Tried & Tested - das war einmal. Zum Teufel mit der Polarisierung! This is the dawning of the age of complexity and invention! Alles mitnehmen und daraus etwas Neues, Unangetastetes kreieren. All inclusive, sozusagen. Es gibt kein Links und kein Rechts mehr. Die Masse existiert nicht, ergo lässt sie sich auch nicht manipulieren. Was zählt ist der erlebbare, empathische Individualismus. Die persönliche Verletzbarkeit wird zum kategorischen Imperativ. Daran appelliert WAHN & SINN abwechselnd in Pianissimo und Fortissimo. Die Songs laden zur individuellen Interpretation ein, sie wollen mit dem Leben und dem Erlebten jedes einzelnen Zuhörers gefüllt werden. Vom „Soundtrack für die Fantasie der Leute“ ist die Rede, wenn Jens Fischer Rodrian seine Musik beschreibt. Das soll reichen. Pink Floyd lieferten ja auch nie Gebrauchsanweisungen zu ihren Platten. Auch WAHN & SINN ist Zukunftsmusik. Zeitlos. Verstörend. Sexy. Schön.
WAHN & SINN ist die Vertonung von „Sich kurz fassen - ach", dem ersten Gedichtband von Jens Fischer Rodrian. Ja, schreiben tut er auch noch! Das Projekt existiert bereits seit zwei Jahren. Auf der Bühne. Als One-Man-Band, mit einer Reihe an Instrumenten und JFRs „Loopers“. Der stetig wachsenden Nachfrage, ob man das Programm auch auf Platte hören kann, wird jetzt nachgekommen. In verfeinerter Form. Unseren schönen, kollektiven Wahn zu preisen und der Sinnlichkeit als Vorbote der Liebe ein Gehege anzulegen, hat Jens Fischer Rodrian das Prinzip der Gleichzeitigkeit Musik werden lassen. Alles zu jeder Zeit, an jedem Ort, ohne ersichtlichen Grund - so ist das Leben. Und so klingt seine Musik. Feinsinn kann so anregend sein, dass er zu geistigem Ausnahmezustand führen kann. Und umgedreht. „Der Fisch“ bekleidet einen Blues, der staunen und schmunzeln macht. Schemenhafter Dancehall führt das alte Heten-Thema Frau und Mann in „Zwei sind ein Kreis" formvollendet in und aus seiner archaischen Bedeutung. Und gerade wenn man denkt, dass man glücklich ist, kommt „Weil immer...“, die federleichte Leichtigkeitsbremse. Das Kind, das immer etwas Neues sehen will, sieht in „Ich will das alles anders“... ein Rind. Glückwunsch! Dem scheinbar politisch korrekten „Rauchverbot“ liegt der Verlust eines Freundes zugrunde. Je weiter der Song voranschreitet, desto dringlicher wird er zur beatboxenden, persönlichen Verzweiflung, zum Wutausbrauch.
Davon abgesehen, ist der Sänger Jens Fischer Rodrian weder laut noch lautmalerisch. Wie angenehm anders! Dass der Istzustand des Gesangs in der populären Musik „pretentious as fuck“ klingt, wie Leute aus dem Mutterland der Popmusik sagen würden, ist hinlänglich bekannt. Emotionsdarstellen zählt. Auch hier setzt Jens Fischer Rodrian nicht neue, aber erfrischend andere Akzente. Er kann, was Paddy McAloon von Prefab Sprout und Neil Tennant können: Die Stimme neutral nutzen. In WAHN & SINN werden Emotionen nicht auf Teufel komm raus evoziert. Sie dürfen selbstverständlich entstehen. Dem ist die Musik in Symbiose mit dem gesungenen oder gesprochenen Wort durchaus zuträglich. Aber das eine kommentiert nicht das andere. „Du bist und bleibst der Architekt deiner Wege, nimm ab und zu die Gerade, aber öfters die Schräge“. Mehr als dieses Zitat aus einem der 14 Lieder von WAHN & SINN braucht es nicht, um Jens Fischer Rodrians Alleinstellungsmerkmal auf den Punkt zu bringen. „Sheik Yerbouti“ gibt es schon. WAHN & SINN gibt es endlich. Für die Menschen. Für das Leben. Für die Kunst. Für die Unterhaltung. Und... natürlich gerne auch für den Platin-Award!
- Morgen oder Jetzt
- Zwei sind ein Kreis
- Rein ins Getümmel
- Der Fisch
- Singen
- Ich will das alles anders
- Seelen schweben
- Weil immer was fehlt
- Analogisch
- Kehrer Song
- Das Glücksglas
- Wahn & Sinn
- Rauchverbot
- Was bleibt
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