Johannes Haage DRIFT - Wings

Johannes Haage DRIFT
Wings
Erscheinungstermin: 30.09.2022
Label: Schoebill Music, 2022
Johannes Haage - guitar, compositions (2-4,6,7,9,10,12)
Matthias Pichler - bass
Joe Smith - drums, compositions (1,5,8,11)
Die drei Musiker aus Deutschland, Österreich und den USA trafen sich in ihrer gemeinsamen Wahlheimat Berlin, spielen seit 10 Jahren in dieser Besetzung zusammen und haben in Berlin und europaweit extensiv konzertiert.
“Wings” ist das nunmehr dritte Album des Trios und wurde während der Pandemie im Sommer 2021 im Berliner Teldex Studio aufgenommen. Es präsentiert neue Kompositionen von Johannes Haage und Joe Smith: Hier geht es um die stets neue, gemeinsame Entwicklung des oft sparsam instrumentierten Materials im spontan-improvisatorischen Raum. Dabei driftet die Musik von karg zu verdichtet, von Song-Strukturen zu freierer Improvisation, bleibt dabei jedoch immer der Melodie des jeweiligen Stücks und der Einzigartigkeit des Moments treu.
Die drei Musiker sind zu jeder Zeit gleichberechtigte improvisatorische Akteuere, die die Musik gemeinsam entstehen lassen, ohne dabei ihre individuellen technischen Fähigkeiten in den Vordergrund spielen zu müssen.
Wie auf den vorangegangenen Alben ergänzen sich auf „Wings“ die Stücke von Haage und Smith, weil sie in Struktur und Genese sehr unterschiedlich sind – während Haage ́s Stücke, je nach Schwerpunkt harmonisch, melodisch oder rhythmisch eher strukturiert sind, verwendet Smith seinen sehr persönlichen, vokalhaften, intuitiv-spontanen Kompositionsprozess, der meist Melodien hervorbringt, die über freiem Metrum oder Puls schweben, und viel Freiheit in der rhythmisch- improvisatorischen Interpretation der Musiker lassen.
Der Grundsound des Albums ist sehr akustisch und o!en gehalten, nicht zuletzt dank Atmosphäre und Klang des großen Saals des Teldex. Wie schon auf dem vorangegangenen Album “Darwins Blues” erweitert Haage das Klangspektrum der Band an mehreren Stellen durch den Einsatz eines Geigenbogens, mit dem er die jeweiligen Themen gestrichen präsentiert.
Angel in the air (J.Smith)
Diese Melodie entstand am Heiligabend 2020 in einem nostalgischen Gesangsanfall. Die festlich anmutenden, freien Trommelschläge, die das meterlose Pulsfundament für die darüber schwebende Rubato-Melodie bilden spiegeln das charakteristische Konzept des Komponisten Joe Smith wieder, das es dem Trio ermöglicht, sich frei ohne die Beschränkungen konventioneller Formen auszudrücken.
Delaney (J.Haage)
Dieses Stück ist dem australischen Gitarristen Jon Delaney gewidmet. Ich erfuhr, dass er nach einer schweren Krankheit verstorben war, während wir an der Musik für dieses Album arbeiteten, und schrieb die Melodie in Gedanken an ihn. Ich habe viele wertvolle Erinnerungen daran, mit ihm Duo zu spielen, als er vor Jahren in Berlin lebte. Ein großartiger Musiker und Freund, der viel zu früh von uns gegangen ist. Das Lied ist im 3/4-Takt, aber die Melodie ist größtenteils in 4/4, was ein „4 über 3“-Feeling erzeugt, das vom Trio frei und spontan verwendet werden kann. Das melodische Material des Themas entwickelte sich aus einer konstanten Intervall-Akkordstruktur, die sich chromatisch über verschiedene Bassnoten bewegt und so die harmonische Form des Stücks erzeugt.
Feraxus VIII. (J.Haage)
Dieses Stück ist dem imaginären König Feraxus VIII. geschrieben, der einst über die Spiaggia di Feraxi regierte, einen Strand an der Ostküste Sardiniens... Ich schrieb es am achten Geburtstag meines Sohnes im Mai 2021. In Gedanken an ihn tauchte plötzlich die Erinnerung daran auf, wie ich mit seiner Mutter an diesem wunderschönen, leeren Strand spazieren ging, bevor er geboren wurde... Die beiden zyklischen Teile spiegeln diese Erfahrung wider und können vom Trio frei interpretiert, geloopt und wiederholt werden.
Mantz (J.Haage)
Dies ist ein Abschiedslied und dem großen Künstler Gerhard Mantz gewidmet. Ich habe ihn einige Jahre gekannt, bevor er ganz plötzlich und unerwartet verstarb, während wir die Musik für diese Aufnahme vorbereiteten. Er war ein großartiger Zuhörer und einzigartiger Künstler.
Chat (J.Haage)
Eine Melodie, die an Vogelgezwitscher oder das selbstvergessene, sorgenfreie Hin- und Her- Plaudern kleiner Kinder erinnert. Es gibt keine Akkordstruktur oder festes Metrum, nur Vorwärtsbewegung – ein Sprungbrett für den freien Energiefluss und den o!enen, melodischen Austausch unter den Musikern. Unser Take von der Recording-Session ist nur zu hören wenn man die Vinyl-LP auflegt ...
Double Rainbow (J.Smith)
Inspiriert vom Anblick eines doppelten Regenbogens, der im Frühjahr 2021 durch die Gewitterwolken über den regennassen Straßen Berlins brach. Johannes Haage präsentiert die bogenförmige Melodie dreimal, gestrichen mit seinen innovativen Gitarrenbogentechniken und -e!ekten, während Bass und Schlagzeug die (Strassen-)Intensität darunter erhöhen es, bis es (fast) zum Bruchpunkt kommt ...
Slope (J.Haage)
Dieses kurze, kontrapunktische Stück führt stetig abwärts ... indem es einen Dominantklang durch alle Tonarten rund um den Quintenzirkel herum trägt, mit Hilfe eines Tritonus in der Bassstimme. Es kann endlos wiederholt und auf viele Arten gespielt werden ... die einzelnen Stimmen können auf die verschiedenen Instrumente aufgeteilt und zusammen auf Gitarre und Bass gespielt, oder sie können gleichzeitig allein auf der Gitarre gespielt werden - was Bass und Schlagzeug viel Raum lässt zum improvisatorischen Erkunden, jede Runde neu ...
Two Way (J.Haage)
Dies ist eine Kontrapunkt-Komposition – zwei melodische Pfade durch den chromatischen Raum, die einander mal anziehen, mal abstossen und damit Harmonie und Bewegung erzeugen. Bass und Gitarre spielen die beiden Linien wiederholt mit nur subtilen rhythmischen Variationen und scha!en so ein strukturelles Gerüst, um das herum das Schlagzeug frei improvisieren kann ...
Fluttering Wings (J.Smith)
Ein Gefühl des Flatterns durch das Tremolo auf der Gitarre, kombiniert mit dem passenden Puls des Trommelschlags, bietet eine perfekte Plattform für Matthias Pichler, um in frei fließender Vorwärtsbewegung abzuheben um seine komplizierten rhythmisch/ poetischen Geschichten zu erzählen.
Local (J.Haage)
Die erste melodische Idee für dieses Stück kam mir in den Sinn, als ich durch meine unmittelbare Berliner Nachbarschaft in Schöneberg spazierte und darüber nachdachte, wie doch jeder „Kiez“ ein eigenes kleines Dorf in dieser Stadt ist... Während der Song melodisch sehr schnell und natürlich entstand, merkte ich beim Ausarbeiten auf dem Instrument und im Trio, dass der harmonische Rhythmus eine Form mit wechselnden Takten von 4/4 und 3/4 erzeugte, welche sich als Herausforderung herausstellen sollte...
Zero Gravity (J.Haage)
Ein einfaches Lied mit einer gesanglichen Melodie, in einem bestimmten Tonumfang geschrieben, damit sie mit einem Geigen- Bogen auf der hohen E-Saite der Gitarre spielbar ist...Matthias hat das Time-Feel und den tango-esken Basspart beigesteuert, der das melancholische Thema stilistisch perfekt ergänzt.
Whole (J.Smith)
Die kontinuierliche Bewegung der Melodie ist wie eine Schlange, die sich auf ihrem Weg den Berg hinauf langsam durch das Gestrüpp krümmt und sich sanft bewegend um alle Hindernisse windet, auf die sie tri!t. Sie nimmt das Trio mit auf ihre entschleunigte Reise ... Wohin? Irgendwo...
jazz-fun.de meint:
Diese Musik ist nicht einfach zu rezipieren und zu spielen, sie erfordert aufmerksames und konzentriertes Zuhören. Bei jedem Hören entdeckt man mehr und mehr Nuancen und Details, die ihren hohen künstlerischen Wert unterstreichen. Man merkt schnell, dass diese Musik ausgereift ist und mit außergewöhnlichem Können gespielt wird. Obwohl es sich scheinbar um ein klassisches Gitarrentrio handelt, klingt das Ganze überraschend attraktiv und modern.
- Angel in the Air
- Delaney
- Feraxus VIII.
- Mantz
- Double Rainbow
- Slope
- Two Way
- Fluttering Wings
- Local
- Zero Gravity
- Whole
- Slope
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