Keno Harriehausen Quartet - Keno Harriehausen Quartet

Keno Harriehausen Quartet - Keno Harriehausen Quartet

Keno Harriehausen Quartet
Keno Harriehausen Quartet

Erscheinungstermin: 02.08.2019
Label: Lakeland Rec, 2019

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Karlis Auzins (LV) – Saxofon
Oda Mathilde (NOR) – Violoncello
Andris Meinig (DE) – Kontrabass
Keno Harriehausen (DE) – Piano & Komposition

Mit Tenorsaxofon, Cello, Kontrabass und Klavier erinnert die Kombination eher an ein modernes Kammer-Ensemble als an eine Jazz-Band und hat dabei eine völlig neue und in vielen Bereichen unerhörte musikalische Welt erschaffen: "Eine Musik, die den Hörer mit sich selbst an einen anderen Ort versetzt".

Was ist ein Ensemble? Eine Gruppe von Individuen, bei der jede Stimme so klar wie möglich herausgearbeitet wird, um die Summe der Einzelleistungen hörbar zu machen? Oder ist es im Gegenteil ein fest gefügter Körper von Musikern, in dem wie bei einem Sinfonieorchester eben jene Summe der Einzelleistungen nur im Gesamtklang aufgeht? Die Wahrheit liegt nicht wie so oft in der Mitte, sondern umfasst beide Aspekte in Gänze. Das Keno Harriehausen Quartet ist ein überaus lebendiges Beispiel für ein Ensemble, bei dem Mehrschichtigkeit aus der Summe der einzelnen Stimmen und des Ganzen als unteilbare Einheit bestens funktioniert.

Pianist Keno Harriehausen, Saxofonist Karlis Auzins, Cellistin Oda Mathilde und Bassist Andris Meinig spielen nicht lange um den heißen Brei herum. Vom ersten Ton ihres Debütalbums ‚Keno Harriehausen Quartet‘ machen sie deutlich, um was es hier geht. Subtile Wucht paart sich mit eindringlicher Klarheit. Diese Musik packt zu, mit jedem Ton, jedem Atemzug, jeder Bewegung. Sie hält sich nicht raus, bleibt nicht neutral, begnügt sich nicht mit dem Hintergrund. Keno Harriehausen und seine Gespielen aus Deutschland, Norwegen und Lettland nehmen sich die Freiheit, den Hörer im positivsten Sinne bis an die Grenzen der Zudringlichkeit zu vereinnahmen.

Die Besetzung allein zeugt schon von der Ungewöhnlichkeit der Band. Mit Tenorsaxofon, Cello, Kontrabass und Klavier erinnert die Kombination eher an ein modernes Kammer-Ensemble als an eine Jazz-Band. Aber an eingespielten Jazz-Formaten ist der Pianist und Komponist auch gar nicht interessiert. Mehr als sechzig Jahre ist es her, dass der amerikanische Komponist, Dirigent und Musiktheoretiker Gunter Schuller in seinen Thesen zum so genannten Third Stream forderte, aus der Kombination von Jazz und Klassik solle kein Jazz mit Klassik und keine Klassik mit Jazz entstehen, sondern eine eigenständige Musik, die sich frei macht von gängigen Reflexen. Woran Schuller selbst auf hohem Niveau gescheitert ist, das findet man bei Harriehausen auf geradezu magische Weise eingelöst. Die Musik erinnert an Momente von Schostakovitsch, Reger und Ravel, aber auch an große Augenblicke des amerikanischen Free Jazz und der skandinavischen Klangfarbenfindung. All diese Referenzen verlieren sich jedoch in der Vehemenz des aktuell Gespielten und in der zwingenden Verantwortung gegenüber jedem einzelnen Ton.

Um an diesen Punkt zu gelangen, ist Harriehausen weit gewandert. Er hat in Amsterdam, Trondheim und Kopenhagen gelebt und überall mit Klangfarben, Strukturen und Übersetzungen experimentiert. Die Besetzung seines Quartetts hat sich mehrfach verändert. Ursprünglich war statt der Cellistin ein Schlagzeuger an Bord. „Ich dachte einfach, das macht man so und das passt“, erinnert sich Harriehausen. „Bei den Melodien hatte ich jedoch immer das Gefühl, dass sich der klassische europäische Aspekt noch besser ausdrücken ließe. Das Cello war für mich das perfekte Streichinstrument, weil es diese Schwere und Dramatik hat. In Kopenhagen traf ich die Cellistin Oda Mathilde und wusste sofort, dass ich den Klang gefunden hatte, nach dem ich gesucht hatte.“

Was Harriehausen über viele Jahre im Norden Europas ausgesät hat, geht nun in Leipzig auf. Es mag an dem nordischen Einschlag liegen, dass Harriehausens Kompositionen immer ein wenig wie in Klang gegossene Landschaftsmalerei wirken. Diese gedachten Landschaften erstrecken sich jedoch nicht nur vor dem assoziierenden Auge, sondern der Blick richtet sich auch nach Innen. „Unabhängig von aktuellen Trends ist mir diese Perspektive sehr wichtig, so Harriehausen. „Es kommt mir darauf an, mit mir selbst in Kontakt zu sein. Mein Ziel ist eine Musik, die den Hörer mit sich selbst an einen anderen Ort versetzt.“

Harriehausen gibt sich nicht mit der Erschaffung seiner Musik zufrieden. Er macht sich auch intensive Gedanken um ihre Wirkung, um die Verhandlung jener introspektiven und extrovertierten Wahrnehmungsebenen und die Stellung seiner Musik in der Gesellschaft. Komposition und Improvisation, Struktur und Freiheit, Individuum und Gruppe gehen jeweils ein ganz spezielles Verhältnis ein. Aus diesen Koordinaten entsteht ein Kosmos unbegrenzter Möglichkeiten. Die Palette an Klangkonstellationen, die sich aus der Besetzung von Piano, Tenorsaxofon, Cello und Bass entfalten, ist schier überwältigend. Nach eigenem Bekunden besteht die größte Herausforderung den Bandleader, Komponisten und Pianisten darin, diesen Raum zu füllen und sich dennoch nicht in ihm zu verlieren. Er sucht nicht nach dem bestmöglichen Kompromiss, sondern geht auch in der Vereinigung der Gegensätze ins Extrem. „In den freieren Teilen haben wir eine Art von Storytelling gefunden, das seinen eigenen Gesetzen folgt. Es geht darum, den Kontakt mit uns selbst und unseren Gefühlen zu finden. Man braucht den richtigen Fluss, um das nach außen zu vermitteln und zu den Menschen zu bringen. Es geht darum, die Energie rauszulassen und nicht die Form zu ihr zu lenken. Das geht aber nur, wenn man das schon viel geübt hat.“

Über das Verhältnis zwischen Komposition und Improvisation ist schon so viel gesagt worden, dass es fast wie eine Plattitüde klingt, wenn man dem Quartett attestiert, jede Improvisation sei zugleich eine spontane Komposition. Was den Ansatz des Keno Harriehausen Quartets von ähnlichen Unterfangen abhebt, ist die extreme Bewusstheit der vier Beteiligten in jedem Moment des gemeinsamen Spiels. Jedes der vier Mitglieder erspürt immer intuitiv, wo es ist und welche Rolle es im flexiblen Ganzen spielt. Auch in den freien Parts wird nie ins Leere improvisiert. Die vier Musiker wissen nicht nur genau, wo sei ankommen wollen, sondern auch, dass sie ankommen werden. Sie bleiben sehr klar in der Musik und lassen sich nicht von äußeren Konzepten ablenken. So hoch der Grad der Abstraktion auch sein mag, folgt alles einer sehr natürlichen Logik. „Wir haben sehr ähnliche Vorstellungen von Improvisation. Natürlich hat jeder seine Persönlichkeit, aber jedes Mitglied packt sich mit seiner ganzen Verwundbarkeit in den Kontext hinein. Das kann natürlich zu Fragezeichen führen, weil man keine Garantien für das Ergebnis geben kann, aber die Ausrufezeichen ergeben sich aus dem Antrieb, immer alles zu geben.“

Nach seiner langen Reise durch Europa ist es Keno Harriehausen gelungen, in Leipzig eine autarke, völlig neue und in vielen Bereichen unerhörte musikalische Welt zu erschaffen, die sich nicht von der Realität abkapselt, sondern mit acht Händen auf die ebenso schmerzvolle wie beglückende Intensität des Lebens zugreift. Oder um es in seinen eigenen Worten zu sagen: „Ich finde es unerlässlich zu überlegen, was man den Menschen gibt.“

http://kenoharriehausen.com/

Text: Uwe Kerkau Promotion

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