Marcus Klossek Electric Trio - Time Was Now

Marcus Klossek Electric Trio
Time Was Now
Erscheinungstermin: 06.11.2020
Label: Double Moon Records, 2020
Marcus Klossek - guitar
Carsten Hein - bass
Derek Scherzer - drums
Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen. Von Mund zu Mund, deklamiert und gesungen, als geschriebenes Wort, in Stein gemeißelt, fein gezeichnet mit Federkiel und Tusche, von Künstlerhand vielfarbig auf Leinwand geworfen. Was aber passiert, wenn ein Gitarrist einfach zu seinem Instrument greift, die Lippen geschlossen hält, aber die Saiten bewegt und mit einem Mal Bilder vor dem geistigen Auge entstehen, die alle emotionalen Schubladen öffnen und in Klangfarben strahlen, die man sich zuvor kaum vorstellen konnte?
Marcus Klossek ist so ein musikalischer „Griot“, einer dieser fast ausgestorbenen Stammesweisen, die ihr Handwerk nicht einfach erlernen mussten. Es war von Anbeginn in ihrem Gencode vorhanden. Wobei die Botschaften des Berliners mit dem schütteren Haaransatz keineswegs aus einer nostalgieverklärten Vergangenheit stammen. Klossek benutzt die Fender Telecaster, den Archetypus der E-Gitarre, als Sprachrohr. Damit folgt er einer Spur, die vor ihm bekannte Namen wie Jimmy Bryant, Ed Bickert, Bill Frisell, Mike Stern, Jim Campilongo oder Jakob Bro legten. Jazzpuristen mögen angesichts der elektrischen Note der Fender Telecaster womöglich die Nase rümpfen, aber wer Klossek und seinem Electric Trio mit Derek Scherzer (Drums) und Carsten Hein (Bass) nur wenige Sekunden zuhört, der spürt sofort, dass in deren Mitte ein höchst vitales und lebhaftes Improvisationsherz schlägt.
Auch auf seiner neuen CD „Time Was Now“ entwickelt das Dreigestirn dynamische Rhythmen und zauberhafte Melodien, die sich vor dem Publikum auf wundersame Weise öffnen. Gleich Kapiteln eines Romans oder Strophen komplexer Lyrik schafft es Marcus Klossek als Gitarrist und Komponist mit seinen Stücken, ein intensiv und plastisch empfundenes Handlungsgefüge vor dem inneren Auge emporwachsen zu lassen. Wie von leichter Hand skizziert, entstehen Tongebilde von berückender Dichte und enormer Vielseitigkeit. Kraftvoll groovend wie in „Up Close“, süffig bluesend wie in „Done“, wieselflink swingend wie „One Of Us“, melancholisch gründelnd wie in „Let Me Know“, lyrisch träumend wie in „August 30“. brachial rockend wie in „Black Year“ oder voll subtiler Spannung wie in „Unexpected Skies“.
Mit seinem achten Album ist Marcus Klossek ein Meisterwerk gelungen, das nicht nur bei eingefleischten Gitarren-Afficionados für Begeisterung sorgen dürfte. Da marschiert einer unbeirrt voran, ohne seine beiden kongenialen Partner auch nur einen Zentimeter hinter sich zu lassen. Auf „Time Was Now“ sitzt wirklich jeder Ton genau da wo er hingehört. Klossek, Scherzer und Hein wandeln ihre jahrelange Erfahrung in einen bündigen, stimmigen Zyklus an Geschichten um, bei denen alles perfekt austariert wirkt: die geschwungenen Linien, die wohldosierten Eruptionen, das dramaturgische Konzept. So kann sich vor dem geistigen Auge problemlos und ohne akademischen Zeigefinger ein Sammelsurium an präzisem Timing und spürbarer Spielfreude entfalten, bei dem humorvolle Country- und Surf-Zitate unmittelbar in das Jazz-Erbe eines Wes Montgomery oder eines John Scofield einfließen. So viel Selbstverständlichkeit kann nur aus der tiefen Überzeugung heraus entstehen, dass Geschichten ohne Worte Menschen überall in ihren Bann schlagen. Hoher Suchtfaktor!
- Like 4 minutes ago
- Up close
- Let me know
- Big town dies
- Memory lane
- Done
- One of us
- Unexpected skies
- Black year
- August 30
Einen Kommentar schreiben