NUEJAZZ 2023 - Nürnberg

NUEJAZZ 2023, Foto: Leon Greiner

Er hat den Konzertflügel ganz nach rechts auf der Bühne rücken lassen. Um seinen Bassisten Joe Sanders sehen zu können muss Gerald Clayton schon den Kopf ein ganzes Stück nach hinten links schwenken. Der wahnsinnig kreativ Akzente setzende Drummer Jeff Ballard sitzt gar ganz im Rücken des Pianisten. Aber mit diesem Bühnen-Setting hat Sanders den besten Blick auf die linke Hand des Pianisten. Und so lässt sich traumwandlerisch zusammenspielen. Und genau das tun die drei US-Amerikaner in einem gut einstündigen Set mit ihrer zeitlos schönen Jazzmusik. Mit einem sensiblen Anschlag von Gerald Clayton, wie man ihn im Jazz nicht so oft hört. Mit Klangsinnlichkeit und herrlich spontanen Interaktionen. Mit tief empfundenen Gefühlen, die wunderschön in Noten gepackt werden. Und das alles mit keiner Note zu viel. Hier geht es nur um die Essenz der Musik. Weniger ist bei diesem Trio mehr. Ein magischer Auftritt.

Direkt vor dem Gerald Clayton Trio stand Landsfrau Lakecia Benjamin auf der Bühne. Und die extrovertierte, im silbernen Glitzerfummel gekleidete Altsaxofonistin ist das genaue Gegenteil des Pianisten. Sie stürmt gleich mal an den Bühnenrand und schreit dem Publikum entgegen, was es zu erwarten hat: eine Party. Das Dach soll vom Gebäude fliegen. Und dann geht es mit ihrem Quartett los: High Energy-Jazz im Geiste und sogar aus der Feder von John Coltrane, dessen Name sie später auch noch mehrfach durch den Saal brüllt. Das ist stark gespielt, ihre Band ist klasse, aber ihre Bühnenattitüde muss man schon mögen. Musikalisch präsentiert sie sich mit ihrer expressiven, spirituellen Musikentrückung und ihrer politischen Haltung jedoch als starke Künstlerin, die was zu sagen hat.
         
Das NUEJAZZ feierte in diesem Jahr sein rundes Jubiläum. Zehn Jahre Jazzfestival, dafür gibt es von der Stadt Nürnberg sogar den Kulturpreis verliehen. Die beiden Macher Frank Wuppinger und Marco Kühnl haben ein sehr schönes und vielfältiges Festival auf die Beine gestellt, das für den Jazz erstaunlich viele junge Leute anzieht. Das liegt sicher auch an den coolen Konzertorten wie dem historischen Z-Bau, einst von den Nazis als Kaserne gebaut, aber natürlich in erster Linie am Programm. Denn das bietet Musik für viele Geschmäcker. Coole Künstler wie den amerikanischen Bassisten und Sänger MonoNeon etwa, der schon optisch mit seiner Kleidung und Kopfbedeckung ein Kunstwerk ist. Und der mit seinem knackigen, deutlich von Prince inspirierten Funk, mit rockiger Attitüde und seinem ungewöhnlichen Basspiel und schrägen Bassläufen vor der Bühne für Gedränge und Begeisterung sorgt. Das Berliner Sextett Make A Move bringt sogar 1.000 Leute im großen Saal des Z-Bau zum Hüpfen mit einer von gleich drei Bläsern angetrieben Partymusik. Direkt zuvor zeigte das aus Nürnberg stammende, sechsköpfige Kollektiv Ferge X Fisherman & Nujakasha in der prall gefüllten, kleinen Galerie des großen Kulturhauses wie cool und gut man englischsprachigen HipHop mit lässigen Beats und Jazz zusammenbringen kann.

Eine Vinyl-Lounge am zweiten Hauptspielort, der Kulturwerkstatt Auf AEG, gibt diversen DJs die Möglichkeit aufzulegen und dem Publikum einen Ort zum Chillen. Und junge Bands aus der Umgebung und der Region locken im kleinen Saal der Kulturwerkstatt bei freiem Eintritt Neugierige an. Bei solch einem bunten Angebot ließt es sich auch verschmerzen, dass der Auftritt des US-Amerikaners Cory Henry und seinen an diesem Abend nur mittelprächtig aufspielenden Funk Apostles im Z-Bau zwar stark begann, dann aber wenig aufregend weiterging.

Text: Christoph Giese
Fotos: Leon Greiner

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