Pablo Held - Elders

Pablo Held - Elders

Pablo Held
Elders

Erscheinungstermin: 22.11.2013
Label: Pirouet, 2013

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Pablo Held, piano
Robert Landfermann, bass
Jonas Burgwinkel, drums
Jason Seizer, tenor saxophone
Domenic Landolf, alto flute
Ronny Graupe, acoustic guitar

Innigkeit und Klangwitz für die Vorbilder

Elders: Der Pianist Pablo Held verbeugt sich. Und erweist anderen Generationen – neben den eigenen Eltern auch Musikern wie Wayne Shorter und Frederico Mompou – die Ehre mit einer Musik von ganz eigenem Charme und augenzwinkernder Schönheit. Seinem Trio gesellen sich hier zwei Bläser und ein Gitarrist hinzu. Und lassen eine beachtliche Klangfarbenpracht erblühen.

Er ist eine der meistbeachteten jungen Jazzbegabungen Deutschlands – doch längst über den Jungstar-Status hinaus. Der Pianist Pablo Held, geboren 1986, in den letzten Jahren einer der beim Label Pirouet präsentesten und produktivsten Künstler, hat sich längst im Bewusstsein von Jazzhörern und –publizisten als ein Musiker von beachtlicher Ausdrucksvielfalt etabliert, bei dem man eine hohe Reife als selbstverständlich voraussetzt. Jetzt hat er – nach Trio-CDs und einer Aufnahme in größerer Besetzung – eine Hommage an jene aufgenommen, die ihn geprägt haben. Elders heißt die CD nach einem Stück von Wayne Shorter. Und der Titel ist bewusst so gewählt, dass er sich ganz allgemein auf Vorbilder aus älteren Generationen beziehen lässt – aber auch konkret auf Pablo Helds Eltern. Eine Verbeugung, eine musikalische Danksagung – jedoch eine, die den Vorbildern so viel eigene Kreativität entgegensetzt, dass aus der Huldigung eine aufregende Auseinandersetzung geworden ist. Zudem überrascht Pablo Held hier durch ein völlig ungewohntes Klanggewand. Seinem Trio gesellen sich hier drei Gastmusiker hinzu, neben Klavier, Bass und Schlagzeug hört man hier zwei Blasinstrumente und eine akustische Gitarre.

Die Besetzung also: Pablo Held, Klavier, Robert Landfermann, Bass, Jonas Burgwinkel, Schlagzeug. Und hinzu kommen Ronny Graupe, akustische Gitarre, Domenic Landolf, Altflöte, und der Produzent dieser CD, Jason Seizer, am Tenorsaxophon. Das Repertoire der CD besteht knapp zur Hälfte aus Kompositionen von Pablo Helds Vater, der ebenfalls Pianist ist, und zur anderen Hälfte aus weiteren Stücken, die in Pablo Helds Jugend besonders präsent waren. Sie stammen von Joni Mitchell, Wayne Shorter, Manuel de Falla und Frederico Mompou. Eine sehr spannende Verbindung unterschiedlicher Welten – in "meinem ersten Konzeptalbum", wie Pablo Held sagt.

"Hier gibt es einen ziemlichen Unterschied zu meinen bisherigen Platten", sagt Held außerdem: "Diese hier ist viel straighter". Das heißt: "Im Mittelpunkt steht es, Stücke zu präsentieren". Hier ist bedeutend mehr niedergeschrieben als etwa in Helds anderer Platte mit erweiterter Besetzung, Glow, der Rahmen ist enger, aber "innerhalb dieses Rahmens passiert viel". Was so viel bedeutet wie: Der Pianist hält hier dennoch so viel wie möglich offen – und konventionell ist kein einziges Stück. Dafür sorgt schon der besondere Klangwitz dieser Band und die Fähigkeit, auch in weniger avantgardistischem Kontext klischeefrei zu improvisieren. Alles klingt hier frisch, inspiriert und dicht.

Mit der Musik seines Vaters wuchs Pablo Held auf. Er hörte sie stets, wenn sein Vater die Stücke komponierte oder spielte. Und er kennt sie immer noch in- und auswendig, sagt er. Es sind Stücke, die sein Vater solo am Klavier spielte. Pablo Held arbeitete sie für eine Gruppenbesetzung um nach dem Prinzip "Kopf frei, freie Hand: Ich kann alles machen, solange ich nur dem Stück diene". Er wollte wenig ändern, allerdings hat er dann doch hier und da Takte herausgeschnitten, das Metrum verändert oder Teile neu kombiniert. So hat er die Stücke für seine Zwecke "umgebaut", wie er sagt, aber ist ihnen doch treu geblieben.

Elders: Beide Eltern sind gemeint, nicht nur der Vater. Seine Mutter, eine Klavierbauerin, prägte Pablo Held genauso stark. Über die Rolle, die seine Eltern für seine musikalische Entwicklung spielten, sagt Pablo Held: "Meine Eltern haben mich wahnsinnig beeinflusst: durch das, was sie gespielt haben, aber auch durch das, was sie gehört haben. Viel Jazz – das ist ein großes Fundament für mich. Das Klavier war sehr präsent – doch ich spielte als erstes Schlagzeug. Mit der Zeit wurde das Klavier aber immer wichtiger für mich." Sein Vater habe ihm x-mal Bitches Brew, die revolutionäre 1970er Rockjazz-Platte von Miles Davis, vorgespielt, so lange, bis es klick gemacht habe, auch wenn Pablo Held sie anfangs "überhaupt nicht begriff".

Die Instrumentenbesetzung auf dieser CD hat ganz konkret mit Helds Eltern zu tun. Pablo Helds Mutter spielte außer Klavier auch Gitarre, und sein Vater – weil ihn Rückenprobleme am Klavierspielen hinderten – auch Querflöte. Deshalb tauchen hier also sowohl eine Gitarre als auch eine Flöte auf. Lange Zeit hielt Held dieses Projekt vor seinen Eltern geheim und irgendwann überraschte er sie mit den Rough Mixes.

Elders ist eine CD geworden, die von einer Atmosphäre besonderer musikalischer Wärme getragen ist – dabei allerdings augenzwinkernd locker daherkommt. Und: Es ist auch eine, die auf äußerst spannende Art die Schatten auflöst, aus denen Pablo Held als Musiker herausgetreten ist. Immer einen Schritt weiter, aus der Warte einer späteren Generation, ist diese Musik. "Der Rat meiner Eltern ist mir immer wichtig, und sie folgen meinen Entwicklungen stets mit großem Interesse, auch wenn diese Entwicklungen aus einer ganz anderen Lebenswelt kommen". Präziser kann man nicht ausdrücken, was generell in einer Musik wie dem Jazz von einer Generation zur nächsten passiert. Und genau von dieser Erkenntnis ist die Musik auf dieser CD beseelt. Man nimmt einen Faden auf, aber spinnt ihn anders fort.

Das geschieht auch mit den anderen Stücken, etwa Wayne Shorters The Elders aus der Wheater-Report-Platte Mr. Gone. "Wir spielen drum herum, und dadurch entsteht etwas Neues". Weather Report war stets ein großer Einfluss für Pablo Held. Zum Stück Nana von Manuel de Falla gibt es eine besonders hübsche Geschichte: "Das war auf einer José-Carreras-Platte, die ich immer aufgelegt habe, wenn ich aus der Badewanne kam". Eine Lieblingsplatte war das. "Wir haben die Melodie genommen und völlig andere Akkorde darunter gesetzt – da entstand ein völlig anderer Kontext." Joni Mitchells Marcie aus dem Album Song to a seagull von 1968 ist eine Komposition, die Held durch seine Mutter kennenlernte, die Joni Mitchell sehr verehrt und diese Platte oft hörte. Das Stück ist in einer Quartettversion zu hören – "und wir spielen einfach nur die Melodie". Secreto schließlich, eine Komposition des katalanischen Komponisten Frederico Mompou, ist ein Klavierstück, das Helds Vater oft gespielt hat, "Häufig abends, und ich bin mit diesen Klängen im Ohr eingeschlafen". An den Stücken Mompous schätzt Held das stark Reduzierte – das dann viel Offenheit ermöglicht. Held verweist hier auch auf kürzlich erschienene Aufnahmen des russischen Pianisten Arcadi Volodos mit Stücken von Mompou, auf dessen Intensität und dessen Fragestellung, was Musik in einem Hörer und Interpreten heraufbeschwöre und auf welche Weise man sie spüre. Musik und ihre Resonanz in einer Person: Darum geht es nicht zuletzt auf dem ganzen vorliegenden Album.

Ein einziges Stück auf Elders stammt von Pablo Held selbst: Es heißt Pastorale, das Stück erinnerte ihn an eine Hirtenmelodie, deshalb nannte er es so – und auf der CD ist es, weil diese Leitfiguren, "Hirten" eben, gewidmet ist. Es beginnt ganz hirtengemäß mit Flötenklängen, zweistimmig und klanglich voll schillerndem Witz, und erst zum Schlussklang steigt die ganze Band ein. Pablo Held und sein Konzeptalbum: Herausgekommen ist eine Musik, die mit zarten, warmen Klängen umfängt (Marcie), die ausgelassen und zugleich ironisch tanzt (Hunters), die in inniger Schönheit ausschwingt (Secreto). Und: die durchweg spannende und farbenreiche Klangwelten entdecken lässt. Musik, die Vergnügen macht und deren Schönheit und überraschende Vielfalt man auch einfach nur genießen kann. Und die noch einmal andere Facetten eines sehr spannenden jungen Künstlers zeigt. Diese Musik macht deutlich, wie viel Vergangenheit in der Gegenwart steckt – und mit wie viel Gegenwart man die Vergangenheit aufladen kann.

  1. Morning hour
  2. Hunter
  3. Poem number five
  4. Work song
  5. Secreto
  6. Nana
  7. The elders
  8. Pastorale
  9. Marcie

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