Pierrick Pédron - Cheerleaders

Pierrick Pédron
Cheerleaders
Erscheinungstermin: 30.09.2011
Label: ACT, 2011
Besetzung:
Pierrcik Pédron / alto saxophone
Chris De Pauw / guitar
Laurent Coq / piano, keyboards
Vincent Artaud / bass
Franck Agulhon & Fabrice Moreau / drums
and others
Jazz ist eine musikalische Weltsprache, die keine Grenzen kennt und die weitesten Entfernungen überbrücken kann. Trotzdem stößt man immer noch auf kulturelle Barrieren, nicht zuletzt zwischen Deutschland und Frankreich, den zwei Nachbarländern, die doch ansonsten inzwischen so besonders eng und freundschaftlich verbunden sind. Oder wie soll man es sonst erklären, dass der Altsaxophonist Perrick Pédron in Deutschland bislang nahezu unbekannt ist? Seit einem Vierteljahrhundert ist der 42-jährige Ausnahmekönner, der in seiner Heimat den „Concours de la Defense“ und andere wichtige Preise wie den „Prix Django Reinhardt“ oder den „Prix Boris Vian“ gewann, als professioneller Jazzmusiker unterwegs. Pedron hat mit auch hierzulande bekannten Landsleuten wie Baptiste Trotignon, Vincent Artaud oder den Belmondo-Brüdern gearbeitet, genauso wie mit den US-Stars Wynton Marsalis, Mulgrew Miller und Lewis Nash. Darüber hinaus ist der Franzose Referenz-Musiker der mit Abstand wichtigsten Saxophon-Firma Selmer.
Immerhin, jetzt könnte sich der Name Pédron auch in Deutschland einprägen. Nicht nur, weil er mit seinem neuen Album „Cheerleaders“ ab sofort zur ACT-Familie gehört, sondern weil dies auch sein bislang persönlichstes und aufwendigstes Projekt ist: „Ich wollte nicht mehr wie zuvor Standards spielen, sondern meine eigene Musik“, erklärt Pedron, der mit seinem Debütalbum „Cherokee“ (2000) als herausragender Charlie Parker Interpret gefeiert wurde. Ein Thema brannte dem Bretonen dabei seit der frühesten Jugend auf den Nägeln: die in seiner Heimat so populären Blaskapellen, „Fanfares“ genannt. In Nordfrankreich, aber auch den Niederlanden und in Belgien gibt es sie fast in jedem Ort, mal als Amateurband oder auch als professionelle Truppe. Wie die Marching Bands in den USA spielen sie bei Festen auf und ziehen durch die Straßen, oft von Cheerleadern begleitet. Diese Tradition in sein persönliches Jazz-Universum zu überführen, reizte Pedron ungemein.
Neun nächtliche Träume eines Cheerleader sind auf dem Album vertont. Jeder Song erzählt eine Geschichte, mal ganz einfach und melodiebetont, mal sehr expressionistisch und traumverhangen. „Esox lucius“ (lateinisch für Hecht) schildert den Alptraum eines Cheerleaders, sich im Spiegel als Fisch zu erblicken. „The Mists of Time“ handelt vom Verschwimmen der Zeit und „2010 White Boots“ ist von der Vorstellung von tanzenden weißen Schuhen, wie sie Cheerleader tragen, inspiriert. In der von Laurent Coq geschriebenen Hommage an die japanischstämmige amerikanische Tänzerin Toshiko artikuliert sich der Traum der Cheerleaderin, sich wie Toshiko, also wie eine professionelle Tänzerin bewegen zu können. Das einzige Cover ist „Miss Falk’s Dog“: Ein Thema von Henry Mancini, das Pedron seit langem faszinierte, seit er es im Soundtrack einer Folge der Fernsehserie „Columbo“ gehört hatte
„Cheerleaders“: ist eine opulente Suite, bei der sich die Stücke aus im Hintergrund unterlegten, mitunter stark verfremdeten Klängen einer Blaskapelle entwickeln. Mal trägt eine ganz einfache, melodiöse Idee einen Song, mal sind es schwere, filmmusikalische Cluster, mal gewichtige, mitunter an Strawinsky erinnernde Passagen - die permanente Überraschung ist Pédrons Konzept: „Ich wollte vieles einbeziehen, was mich musikalisch geprägt hat, nicht nur Jazz, auch die Musik, die ich als Kind und Jugendlicher lieben lernte, von Neil Young bis Pink Floyd“. Und so erklingt hier ein vor Soundideen berstendes Album, mit einer lyrisch-melodiösen, dem klassischem Jazz verhafteten Konstante: das Saxophon von Pierrick Pedron, dessen Ton sich seinen großen Bop-Vorbildern wie Charlie Parker, Cannonball Adderley oder Phil Woods zuordnen lässt.
„Ich wollte Jazz und Rock verbinden, aber nicht als Jazzrock, wie man ihn kennt. Cheerleaders ist kompositorisch Jazz, entstanden durch den improvisatorischen Ideenaustausch der Musiker. Aber der Sound sollte rockig sein, aufwendig produziert wie bei den Supergroups der Siebziger Jahre.“
Dank zweier Fans und Mäzene, die ihm Sponsoren vermittelten, sollte dieser Traum Pédrons in Erfüllung gehen. „Cheerleaders ist die aufwendigste und teuerste Produktion, die ich persönlich im Jazz erlebt habe.“ In einem Pariser Studio wurden unter der Leitung von Ludovic Bource zunächst die Bläser eingespielt. Danach kam im Brüsseler Studio des erfolgreichen Pop-Produzenten Jean Lamoot die Band an die Reihe: Pedron, sein langjähriger Weggefährte Vincent Artaud am Bass, Pianist Laurent Coq, der auch alle Stücke arrangierte, die beiden Schlagzeuger Franck Agulhon und Fabrice Moreau sowie an der Gitarre Chris De Pauw, der einzige, der kein „reinrassiger“ Jazzer ist.
„Als Jazzkünstler - und so definieren wir uns - hast du die Chance, zu tun, was du willst. Niemand schreibt dir vor, auf eine bestimmte Weise Musik zu schreiben, weil das die Fans so wollen“, sagt Pedron. Diese Chance nutzte er mit „Cheerleaders“: Ein Album, das ein völlig unverbrauchtes Thema hat, frischen Wind in die Gehörgänge bläst und den Namen Pierrick Pedron weit über Frankreich hinaus als neue Jazz-Verheißung etablieren dürfte.
- Esox-Lucius
- The Cloud
- Miss Falk's Dog
- The Mists Of Time
- Nonagon's Dance
- 2010 White Boots
- The Cheerleaders NDE
- Coupe 3
- Toshiko
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