Ray Anderson - Marching On

Ray Anderson - Marching On

Ray Anderson
Marching On

Erscheinungstermin: 23.09.2022
Label: Double Moon, 2022

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Ray Anderson: trombone

Ein Posaunen-Solo-Album ist nicht gerade alltägliche Ware, denn das Instrument gilt als etwas sperrig, unhandlich und grummelig. In der Hand eines Meisters wie Ray Anderson fragt man sich allerdings, wie es zu diesen Vorurteilen kommen konnte, denn er macht mit der Posaune einfach Musik.

„Die Idee habe ich schon in meinem Kopf, seit ich 1982 begonnen habe, Solo-Konzerte zu spielen“, erinnert sich Ray Anderson. „Anthony Braxton hat 1969 diese Solo-Platte ‚For Alto‘ aufgenommen, wo die Herausforderung, ein Instrument allein ohne Begleitung zu spielen, besonders interessant ist. Also warum nicht auch auf der Posaune? Albert Mangelsdorff hat schöne Solo-Platten aufgenommen, die von George Lewis ist auch sehr inspirierend.“

Ray Anderson wurde 1952 in Chicago geboren - im Oktober wird er siebzig Jahre alt - und wurde zunächst in der Band von Anthony Braxton bekannt. Danach spielte er im Trio mit Barry Altschul und gründete die Funk-Band Slickaphonics, mit der er mehrere Alben einspielte. Seit den achtziger Jahren nahm er auch Platten unter eigenem Namen auf, oft auch an der Seite europäischer Avantgardisten wie Christy Doran, und er scheint auf seinem Instrument jegliche Stile zu beherrschen. Zu erkennen ist er trotzdem immer an seinem vitalen und kraftstrotzenden Stil.

„Marching On“ beginnt mit „Keep Your Heart Right“ seines Kollegen Roswell Rudd. „Roswell war für jeden eine riesige Inspiration und natürlich besonders für mich“, sagt Anderson. „Und ich liebe diese Melodie. Ich habe Roswell zuerst 1966 auf der Archie-Shepp-Platte ‚Live in Francisco‘ gehört und sie spielen dort sogar ganz kurz diesen Song an. Da Roswell vor ein paar Jahren gestorben ist, hielt ich es für eine schöne Idee, das Album mit diesem Song zu beginnen - der übrigens auch einen sehr schönen Text hat.“

Den Titelsong des Albums hat Anderson dem Politiker und Aktivisten John Lewis gewidmet. „John Lewis war eine große, inspirierende Figur in der Bürgerrechtsbewegung und ein enger Vertrauter von Martin Luther King“, erzählt der Posaunist. „Ich habe ihn einmal getroffen und konnte ihm sogar etwas vorspielen - daraus ist diese Komposition entstanden. Von ihm habe ich gelernt, wie man als Mensch sein kann. Er hat vierzig Jahre lang im Kongress gesessen und sich immer für Gleichheit und Gerechtigkeit eingesetzt.“

Ein selten gespielter Song von Duke Ellington ist „Just Squeeze Me“. „Den Song habe ich von Art Baron gelernt, der selbst bei Duke Ellington gespielt hat, aber auch für Leute wie Stevie Wonder und Bruce Springsteen. Er ist ein großartiger Posaunist, mit dem ich oft im Duo gespielt habe. ‚Just Squeeze Me‘ ist eine Konversation zwischen zwei Personen und das will ich auch in meiner Version deutlich machen.“

Neben weiteren Originalen und ausgesuchten Cover-Songs endet das Album mit Henry Mancinis „Moon River“. „Der Song ist das Lieblingslied meiner Frau“, sagt Anderson knapp, „und deshalb ist es ihr gewidmet und in diesem Fall ein Liebeslied.“

„Marching On“ ist eine Klangreise, die den Hörer verblüfft zurück lässt, denn Ray Anderson gelingt es, mit seinem Instrument vielen verschiedenen Stimmungen Raum zu geben und dem Hörer Musik ins Ohr zu träufeln, bei der man oft vergisst, dass man „nur“ einer Posaune zuhört - das Album erscheint wie die Summe einer bewegten Karriere.

„Die Herausforderung ist: Wie mache ich es, dass sich nicht jeder Song gleich anhört?“, hat Ray Anderson sich gefragt. „Ich habe nur ein Instrument zur Verfügung. Ich habe also Wert darauf gelegt, dass das Album voller Kontraste ist. Dabei habe ich mich gefragt, auf wie viele Arten ich die Posaune spielen und wie viele verschiedene Stimmungen ich erzeugen kann. Es soll ja für den Hörer faszinierend sein, sich das anzuhören. Wenn man ein Stück wirklich liebt, wie ‚Equinox‘ von John Coltrane, möchte ich die Harmonie dieses Songs deutlich machen, ohne dass mir Harmonien zur Verfügung stehen. Deshalb improvisiere ich über die Harmonien und hoffe, dass man das hören kann.“

Text: Double Moon

jazz-fun.de meint:
Achtung: hier spricht der Meister! Ray Anderson hat eine geradezu erstaunliche Technik. Mit Leidenschaft und Freiheit kann er sowohl mit rasanten Soloparts als auch mit komplexen Harmonien überzeugen. Auf diesem Album ist eine außergewöhnliche Musik entstanden, auf die keine Genrebeschreibung passt. Dieser Künstler hat längst seine eigene Stimme, seinen eigenen Stil, eine klare musikalische Persönlichkeit und ist wiedererkennbar. Dieses Album bestätigt dies hundertprozentig.

  1. Keep your heart right
  2. Marching on, blues for john lewis
  3. Just squeeze me
  4. Early morning in the andersonorious jungle
  5. Equinox
  6. You brought a new kind of love to me
  7. Choppers
  8. The sisyphus effect
  9. Moon river

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