Arthur Narcy - Drums
Oren Ambarchi - Guitar And Dronz
Richard Pinhas - Guitars And Electronic
Florian Tatar - Bass Guitar
Masami Akita - Analog Synths
Duncan Nilson-Pinhas - Digital Synths
William Winant - Percussions
In den Siebzigerjahren war Richard Pinhas der musikalische Kopf der französischen Space-Rock-Pioniere Heldon, die insgesamt sieben einflussreiche Alben veröffentlichten. Danach folgten weitere fünf Soloalben, bis er sich ab 1982 eine sechsjährige Auszeit von der Musik nahm. Doch seit den Neunzigerjahren ist er wieder im Geschäft, produktiv und kreativ wie eh und je. Koryphäen wie Merzbow, Yoshida Tatsuya, Oren Ambarchi, Barry Cleveland und Wolf Eyes arbeiten oft und gerne mit ihm zusammen.
Über sein neues Album Reverse sagt Richard Pinhas: „Die Veränderungen in meinem Leben haben es stark beeinflusst.“ Er spricht mit viel Humor von den Anfängen, die alles andere als amüsant waren. „Die Frau eines Freundes bot mir an, mir die Tarot-Karten zu legen. Ich hatte so etwas noch nie zuvor gemacht und habe mich zum Spaß und aus reiner Neugier darauf eingelassen. Und dann habe ich die schlechteste aller möglichen Prognosen bekommen. Ich glaube wirklich nicht daran – ich bin überzeugter Materialist, nicht was das Geld angeht, aber in Bezug auf meine Lebensphilosophie. Darum war es umso verwunderlicher, dass ich im folgenden Jahr den Tod meiner Eltern, die Trennung von meiner Freundin, den Verlust meiner Wohnung und einen Umzug nach Nantes zu verkraften hatte. In diesem ganzen Durcheinander, in dem Chaos des totalen Verlustes ist dieses Album entstanden.“
Die düsteren, experimentellen Noise-Sounds und die langen, repetitiven Tracks wirken zunächst fast einschüchternd. Aber wer sich die insgesamt fünfzig Minuten am Stück anhört, bleibt mit einem Gefühl der inneren Reinigung zurück. Pinhas geht sogar so weit zu sagen, dass dieses Album ihn „geheilt“ und „wieder zum Leben erweckt“ habe. „Ursprünglich sollte es ‚@Last’ heißen, weil es mein letztes Album werden sollte. Aber dann wurde mein Gefühl immer besser und besser, bis ich gesagt habe: Na gut, dann kehren wir eben um.“ Er lacht. „Die ganze Produktion war für mich ein Heilungsprozess. Ich musste all die negative Energie loswerden, die sich in meinem Kopf festgesetzt hatte. Aber das ist jetzt Vergangenheit.“
Der wichtigste Abschnitt der Albumproduktion war der Konstruktionsprozess, in dessen Verlauf Pinhas und Oren Ambarchi (Gitarren, Dronz) das Skelett der Tracks entwickelten. Nach den ersten Sessions in Paris landete alles bis auf ihre eigenen Parts im Mülleimer. Anschließend begann die Suche nach „den richtigen Teilen. Nicht nach einem Schlagzeuger, sondern nach dem Schlagzeuger, nicht nach einem Bassisten, sondern nach dem Bassisten“. Und so stießen Arthur Narcy (Schlagzeug) und Florian Tatar (Bass) zu dem Projekt, außerdem Masami Akita (Analog-Synthesizer, aufgenommen in Tokio), Richard Pinhas’ Sohn Duncan Nilson-Pinhas (Digital-Synthesizer) und William Winant (Percussion, aufgenommen in Oakland, CA, USA). Pinhas spricht begeistert von „einem fantastischen Line-up für dieses Album.“
Pinhas – gebildet, belesen und Inhaber eines Doktortitels in Philosophie von der Sorbonne – interessiert sich sehr für die Kabbalah. Dieses Interesse kommt auch auf Reverse zum Ausdruck, in den Songs ebenso wie in der fantastischen Covergestaltung von Yann LeGendre. So gilt in der Kabbalah das „Keter“ als das dem Menschen verborgene Ziel seiner spirituellen Suche. Wir können immer nur Spuren einzelner Elemente erfassen, während das Ganze sich der Erkenntnis entzieht und sein Geheimnis bewahrt. „Nefesh“ bezeichnet die erste Bewusstseinsstufe der Seele. Das Stück macht diese geistliche Geburt durch Tropflaute anschaulich. „Alles, was mir wichtig ist, inspiriert mich auch, sei es nun Nietzsche, Jimi Hendrix oder die Kabbalah. Diese Dinge begleiten mich Tag für Tag.“ In „End“ wird das „Rückwärts“ das Albumtitels reflektiert. Sounds werden umgekehrt und fallen in sich zusammen, während Narcy enthemmt die Becken bearbeitet und gleichzeitig mit militärischer Präzision die Trommeln schlägt. Das Schlussstück „V2“ erinnert dann sowohl an Thomas Pynchons Gravity’s Rainbow als auch an David Bowie, die Pinhas beide sehr verehrt. Seine Musik klingt wie der Nachklang eines mächtigen, futuristischen Kurzschlusses, schwebend über einer gewaltigen Stadtlandschaft.
Pinhas hat, so scheint es, tatsächlich alles Negative, das ihm zu Beginn der Arbeiten an diesem Album widerfahren war, ins Positive umgekehrt. Und die Zukunft wirkt verheißungsvoll. Im Oktober 2016 bestritt er eine erfolgreiche USA-Tournee mit ausverkauften Häusern in New York, Houston und Austin („Es war unglaublich, zumal ich zum allerersten Mal überhaupt auch im Süden gespielt habe“). Reverse ist sein erstes Album für das Label Bureau B. „Vor sechs Monaten habe ich mir noch einmal die Karten legen lassen. Und ich habe die bestmögliche Prognose bekommen.“
- Dronz 1 - Ketter
- Dronz 2 - End
- Dronz 3 - Nefesh
- Dronz 4 - V2
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