Rotraut Jäger Sonambique - Dynamite

Rotraut Jäger Sonambique
Dynamite
Erscheinungstermin: 06.10.2023
Label: redplanet records, 2023
Was wäre Jazz ohne Flöte? Rotraut Jäger beweist nicht nur, dass dieses Instrument aus diesem Musikgenre nicht wegzudenken ist, sondern vor allem, dass sie hier eine Menge wunderbarer Musik geschaffen hat. Großartige Improvisationen, interessante Kompositionen und ein außergewöhnlicher Sound machen dieses Album zu einem atemlosen Hörgenuss. Die Mitwirkung exzellenter Musiker und die mitreißenden Soloparts von Andreas Ebenkofler dürfen hier nicht unerwähnt bleiben. Ein sehr gutes Album, wir sind begeistert!
Die Flöte... sie ist ein sehr spezielles Instrument. Die Jazzgeschichte ist nicht eben reich an Musikerinnen und Musikern, die sich allein auf die Flöte spezialisierten, die meisten von ihnen spielten auch noch Saxofon, Klarinette oder andere Holzblasinstrumente. Die in Zürich lebende Deutsche/Schweizerin Rotraut Jäger ist Flötistin aus Leidenschaft. Auf ihrem zweiten Album „Dynamite“ gelingt ihr das bemerkenswerte Kunststück, sich voll und ganz auf die Flöte zu kalibrieren und doch kein Flötenalbum einzuspielen. Denn im Mittelpunkt ihrer in jeder Hinsicht erfrischenden Musik steht ausnahmslos der jeweilige Song – die Melodie, der Groove, die Stimmung und das gedankliche Umfeld, in dem der Song entstanden ist. Mit einer Gelöstheit, die man so im Jazz selten hört, spielt sie einfach drauflos. Und Spielen ist in diesem Fall durchaus wörtlich zu nehmen. Sie treibt auf ihren Instrumenten ein ganz unbefangenes Spiel.
Instrumente? Spielt Rotraut Jäger nicht ausschließlich Flöte? Ja, aber unter dem Begriff Flöte verbirgt sich wie beim Saxofon eine ganze Familie von Instrumenten, die hier zum Einsatz kommt. Dabei ist es für das hörende Ohr letztlich völlig unerheblich, ob Rotraut Jäger jeweils C-, Bass-, Alt-, Piccolo- oder die unberechenbare Bansuri-Flöte spielt, denn das Album ist kein Werbesoundtrack für verschiedene Flötentypen. Aber mit einem feinen Gefühl für Zusammenhänge und Klangassoziationen findet die Deutsche/Schweizerin für jede Stimmung, jedes Ambiente und jeden Kontext das passende Timbre und somit das entsprechende Instrument. Wenn sie liebevoll von ihren Flöten erzählt, klingt das tatsächlich, als würde sie von Familienmitgliedern reden. „Die C-Flöte ist sehr flexibel, die kann ich für alle Stile gut verwenden. Auf der Bassflöte kann man groovige Sachen spielen, sich aber auch sehr weich ausdrücken. Das trifft auch auf die Altflöte zu. Die tieferen Instrumente klingen sehr gut und eignen sich bestens für Balladen. Man kann damit aber auch etwas perkussiver reinhauen. Die Piccoloflöte ist nicht gerade das beliebteste Instrument. Ich hatte den Ehrgeiz, sie so einzusetzen, dass es cool passt. Die Bansuri-Flöte ist wiederum ein schwierigeres Instrument, weil sie oft etwas out of tune ist und man sehr genau mit der Intonation justieren muss. Aber gerade das macht den Reiz ihrer Klangfarbe aus.“
Den Charme ihrer Platte machen aber noch ganz andere Komponenten aus. Rotraut Jäger ist eine begnadete Geschichtenerzählerin. Gerade indem sie verschiedene Flöten spielt, kommen dabei ganz unterschiedliche Stimmen ins Spiel, die wie die Charaktere in einem Plot wirken. Von der klassischen Flöte kommend, interessierte sich die Musikerin auch schon früh für die Rockband Jethro Tull, deren Bandkonzept ja von einer Flöte dominiert wurde, und spielte in Funk- und Fusion Bands. Der Klassik ist sie bis heute treu geblieben, aber gerade im Austausch ihrer Erfahrungen mit diversen Stilistiken, Kulturen, Traditionen und Spielhaltungen sieht sie ihre Chance, eine breite Hörerschicht anzusprechen, die eben weit über eines der erwähnten Segmente hinausgeht.
Um Missverständnissen vorzubeugen: „Dynamite“ ist weder Klassik mit Jazz noch Jazz mit Klassik. Es ist auch keine Jazz-Torte mit Rock-Kirschen und Ethno-Glasur. Rotraut Jäger schafft ihr ganz eigenes Universum, mit einem Vokabular, innerhalb dessen sie sich frei und unvoreingenommen bewegen kann und – vielleicht noch wichtiger – das dem Hörer überhaupt keine Bedingungen stellt. So anspruchsvoll und komplex ihre Kompositionen sind, hören sie sich dennoch so leicht weg wie ein frischer Frühlingswind. „Ich überlege mir oft, in welchem Stil oder Groove ich ein Stück komponieren möchte“, schildert sie die Entstehung ihrer Songs. „Ich bin sehr rhythmisch orientiert und setze mich immer zuerst ans Klavier. Da entstehen rhythmische Patterns oder Motive. Das nehme ich auf und fange an, mit der Flöte darüber zu improvisieren. Dabei fallen mir dann neue Melodien und Motive ein, aus denen ich die Stücke zusammensetze. Ich überlege mir auch immer gleich eine Basslinie dazu.“
Nun spielt Rotraut Jäger ihr Album ja nicht im Alleingang ein, sondern mit ihrer Band Sonambique, zu der Schlagzeuger Omar Diadji Seydi, Bassist Abdourakhmane Fall und Pianist Andreas Ebenkofler gehören. Alle Drei bringen ganz unterschiedliche Qualitäten mit. Der Bassist und der Drummer kommen aus dem Senegal und funktionieren auch außerhalb von Sonambique als Rhythmuseinheit. Sie kennen sich nicht nur mit Jazz aus, sondern verfügen über Erfahrungen mit afrikanischer Musik wie auch mit Reggae, Flamenco oder Pop. Pianist Andreas Ebenkofler ist zudem ein glänzender Improvisator und spontaner Gestalter. Alle Drei bringen eine große Leidenschaft für ungerade Takte mit, was sie für die Kompositionen der Flötistin geradezu prädestiniert.
Obgleich Rotraut Jäger selbst auf ihrer Flöte eine unverkennbare Sprache entwickelt hat und die Chemie innerhalb ihrer Band auch alle Songs wie ein gutes Bindemittel zusammenhält, beschreibt doch jeder Track des Albums seine eigene stilistische Welt. Die Platte als Ganzes wirkt wie eine multistilistische Wanderung, nicht nur durch mannigfache Stimmungen, sondern auch durch eine ganze Reihe von Regionen dieses Planeten, ohne dass dabei je ein plattes Global-Village-Feeling aufkommen würde. Die Flötistin, Komponistin und in gewisser Weise auch Klangfarben-Kartografin geht sehr sensibel und subtil mit ihren Einflüssen um. „Ich bin an sehr vielen Stilen interessiert, die ich einerseits gehört habe, und die ich andererseits auch in verschiedenen Bands mitgespielt habe“, bekennt Rotraut Jäger. „Für mich steht immer die Frage im Mittelpunkt, welche Musik will ich selbst hören? Was interessiert mich?“
Gut so. Denn „Dynamite“ ist nicht weniger als ein explosiver Ausbruch unverstellter Lebensfreude, der das Leben in seiner Wechselwirkung aus banaler Alltäglichkeit und Komplexität abbildet.
- Southem Spice
- Balade
- Alma Roja
- Cloud Seven
- Dynamite
- After Dark
- Batida de Veraõ
- High Spirits
- Bounce
- Fancy Haze
Einen Kommentar schreiben