Tonbruket - Forevergreens

Tonbruket - Forevergreens

Tonbruket
Forevergreens

Erscheinungstermin: 18.03.2016
Label: ACT, 2016

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Die schwedische Band Tonbruket hat sich über drei Alben die Reputation von unerschrockenen Gratwanderern zwischen progressivem Rock, avantgardistischem Folk und scheuklappenfreiem Jazz erspielt. Möglich war das, weil in dem Quartett vier Individualisten zusammenkamen, die sich in verschiedenen Kontexten bereits einen Namen erspielt hatten und ihre Erfahrungen hier neu montieren konnten. Bassist Dan Berglund hatte im Esbjörn Svensson Trio den Jazz neu erfunden, Gitarrist Johan Lindström ist eine flexibel einsetzbare Wunderwaffe auf allen nur denkbaren Saiteninstrumenten, Keyboarder und Geiger Martin Hederos gehört zu „The Soundtrack Of Our Lives“, einer der bekanntesten schwedischen Rockbands, und Drummer Andreas Werliin tritt mit Bands wie „Fire!“ und „Wildbirds & Peace Drums“ verschiedene Pfade von Song- und Free-Avantgarde aus. 

Die ersten drei Alben von Tonbruket beschreiben eine durchgängige Reise. „Tonbruket“ (2009), „Dig It To The End (2010) und „Nubium Swimtrip“ (2013) ergeben ein untrennbares Kontinuum, auf dem die Band konsequent eine Tendenz von herkömmlichen Jazzformaten in Richtung instrumentalen Rock beschreibt.

Am Anfang des neuen Albums stand das Ende einer Schaffensphase. Nach ihrem letzten Road Trip „Nubium Swimtrip“ verordneten sich Berglund, Lindström, Hederos und Werliin eine Auszeit. Der Grund lag beileibe nicht darin, dass die Band ausgebrannt gewesen wäre, sondern im Gegenteil, es gab einfach zu viel zu tun. Jeder der vier Musiker ist in zahlreiche externe Projekte involviert, wovon wiederum die Gruppe als Ganzes profitiert. Doch diese anderen Vorhaben wollen eben auch gepflegt werden. Vor allem Andreas Werliin wollte sich stärker auf seine Bands „Fire!“ und „Wildbirds & Peace Drums“ konzentrieren. Berglund, Lindström und Hederos nahmen indes den Auftrag an, die Musik für eine Inszenierung am Royal Dramatic Theatre Stockholm beizusteuern, die auf einem Film des finnischen Regisseurs Kaurismäki basiert. Passend zur Ästhetik des Stückes besetzte die Band die musikalischen Ränder unter anderem mit einigen Tangos und Polkas, die ihnen neue Anknüpfungspunkte gaben. Vollgeladen mit diesen Impressionen fanden sie sich schließlich wieder mit Werliin unter dem Banner von Tonbruket zusammen, um ganz neue Musik zu erfinden.

Das vierte Album ist ein kompletter Neuanfang. Einige Stücke sind extrem leise, romantisch, akustisch verjazzt, während andere den Progrock als Absprungbrett benutzen, um sich nahe dem Heavy Metal zu positionieren. Es geht stets um Kontraste. Das Ziel ist nicht vorgegeben. Jeder der vier Musiker trägt diese kollektive Mitte in sich, sodass sich das Epizentrum, von dem der jeweilige Impuls ausgeht, stetig verschieben kann. Das passiert ganz von selbst, muss nicht ständig durch ein verordnetes Konzept manifestiert werden. Die Stücke können in Form, Intensität und Traditionsbezug noch so unterschiedlich sein, sie richten den Fokus dennoch immer wieder aufs Neue nicht nur auf einen bestimmten Aspekt, sondern auf die Band als Ganzes.

Tonbruket waren schon immer unkategorisierbar gewesen, doch auf „Forevergreens“ lassen sie sogar diese Unkategorisierbarkeit hinter sich zurück. Stattdessen leben sie Gegensätze aus, Kontraste zwischen einzelnen Stücken, Tempi, Stimmungen, Verweissystemen und – ja auch – Klischees. Es ist die lauteste und die leiseste Platte, die sie bisher gemacht haben. Nie zuvor haben sie sich so sehr dem Jazz angenähert und gleichzeitig so weit von ihm entfernt. Das übliche Bild von der Achterbahnfahrt der Intensitäten, bei der man in schnellen Parts Schwung holt, um durch die Balladen zu kommen, ist hier unzutreffend. Es ist ein natürlicher und oft schroffer Wechsel der musikalischen Aggregatzustände.

Die Reihe der Überraschungen beginnt damit, dass die populäre norwegische Pop-Diva Ane Brun, deren Backing-Band Tonbruket seit einiger Zeit ist, die Band im Intro vorstellt. Die Tour der Kontraste geht mit dem postrockigen „Mano Sinistra“ weiter, setzt sich mit federleichten Jazz-Tunes wie „Sinkadus“, in dem abermals Ane Bruns Stimme erklingt, oder „Music For The Sun King“ fort, gipfelt in tonnenschweren Krachern wie „Tarantella“ oder „Linton“ und klingt mit dem zwischen Klezmer, Folk und Tango changierenden „Polka Oblivion“ aus, bei dem Hederos zum Sänger auf der Geige wird, und Per Texas Johansson Bassklarinette und Martin Holm Tenorsaxofon spielen.  

Es spricht einiges dafür, die Musik auf „Forevergreens“ Jazz zu nennen. Wer es instrumentalen Rock oder Folk Avantgarde nennen will, liegt sicher auch nicht falsch. Am überzeugendsten ist jedoch das Sub-Genre, das Johan Lindström für seine Reise an die Ränder gefunden hat. Er nennt es schlicht und ergreifend Musik.

Tonbruket ist:
Dan Berglund, double bass
Johan Lindström, guitar, pedal steel, keyboards
Martin Hederos, piano, synthesizers, violin
Andreas Werliin, drums

Guests:
Ane Brun, spoken words (01), voice (03)
Per Texas Johansson, bass clarinet
Anna Högberg, baritone saxophone
Martin Holm, tenor saxophone (11)

  1. Intro
  2. Mano sinistra
  3. Sinkadus
  4. Tarantella
  5. Music for the sun king
  6. The missing
  7. Frösön
  8. Linton
  9. First flight of a newbird
  10. Passage Europa
  11. Polka oblivion

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