Arthur Possing Quintett in Berliner b-flat 25.10.2021

Arthur Possing Quartet
Arthur Possing Quartet , Foto: Eric Engel

Besonders spannend ist es, wenn eine Band mit jungen Jazzern eine aktuelle CD hat und diese in Berlin vorstellen will. Luxemburg liegt im kulturellen Herzen Europas, ist jedoch weniger als Jazz-Hochburg bekannt, zumindest in Berlin. Das will das Arthur Possing Quintett ändern. Es ist schon mutig, sich an einem Montagabend in Berlin den Herausforderungen einer Jazzmetropole zu stellen. Wer dann ihre Musik in einer breiten stilistischen Vielfalt mit enthusiastischer Präsentation voller Emotionalität und Souveränität hört, der wird feststellen: Das war kein Risiko, denn sie wissen um ihre Qualitäten, so wie jetzt die Berliner.

Arthur Possing – piano
Pierre Cocq-Aman – tenor saxophone
Sebastian “Schlapbe“ Flach – bass
Thomas Mayade – trumpet & flugelhorn
Niels Engel - drums

Die Titel im Detail

Verhaltener Start eines Jazz-Piano-Trios, der bald darauf dramatische Akzente annimmt. Das Thema schraubt sich hoch, die Drums werden agiler bearbeitet, der Bass behält Ruhe und Übersicht. Das Piano ist mit heftigen Akkorden und quirligen Läufen zu hören. Durch ein Tenorsax mutiert das Trio zum Quartett, wobei Bass und Tenor eng verzahnte Linien spielen. Ein Zitat des Tenors blitzt auf: Girl form Ipanema? Es wird fetziger. Doch nicht verhört. Pierre Cocq-Aman bläst mit Latin-Groove den programmatischen Titel Flow zu ende.

Ansage. Mit dem frankophonen Titel Sentietincelle geht´s weiter. Tenorsax und gestrichener Kontrabass lassen eine Ballade in dunklen, tiefen Farben der Jahreszeit erklingen. Die Trommeln werden mit Klöppeln geschlagen, die Gruppe kreiert einen in sich ruhenden Sound, der zunehmend ausdrucksstärker wird. Gemeinsam werfen sie sich in die wilden Stromschnellen der Improvisation. Zum Verschnaufen zupft Bassist Sebastian “Schlapbe“ Flach melodische Figuren, unterstützt von riffartigen Akkorden des Pianos und den Trommelschlägen der Drums. Dann geht es wieder heftig zur Sache, volle Kanne Jazz.

Weitere Ansagen, Vorstellung der Band. Nächster Titel One Move Further. Ein rhythmisch markantes, fast rockiges Motiv, das durch die Ostinato-Figur des Basses vorwärts treibt. Wuchtig fallen die Drums ein, federn ab oder knallen dazwischen. Es entwickelt sich eine Art Tenor Drums Battle. Das volle Rohr des Tenors und die energiegeladenen Peitschenschläge der Drums peitschen die anderen voran. Ein unbändiges, geradezu ekstatisches Solo des Pianisten Arthur Possing bringt das Thema zum dramatischen Höhepunkt.

Terminus wird lyrisch - mit etwas klassisch gefärbtem Pianospiel - vorgestellt. Das hinzukommende Flügelhorn von Thomas Mayade tut sich mit dem Sax zusammen und beide Instrumente erspielen unisono die Melodielinie. Ein Bass-Solo, das sanfte melodische Linien bevorzugt, ein nachfolgendes elegantes Solo des Horns und die zurückhaltende Unterstützung von Drums und Piano machen das Thema rund. Ja, das kann nur eine Ballade sein und so ist es.

Arthur Possing erzählt ein wenig aus seiner Corona-Perspektive, wie er diese Zeit kreativ nutzte und informiert über die ihn inspirierenden Jazzer Ambrose Akinmusire und Walter Smith. Dann darf New Directions mit den Drums loslegen. Zu Beginn des Schlagzeug-Solos überwiegt eine verhaltene, irgendwie melodische Spielweise. Das hält jedoch nicht lange an, um einem Hauen und Verdreschen der Felle Platz zu machen. Niels Engel schlägt sich in Rage, ist kurz davor, musikalisch auszuflippen. Das Publikum schlägt er zwangsläufig in seinen Bann. Die Bläser machen nun der „Schlägerei“ ein Ende und spielen wieder – weil es auch im letzten Song so schön war – unisono die Melodielinie. Holz und Blech wechseln sich in ihren Soli brav ab. Dann legen die Bläser noch eine volle Schippe Expressivität darauf und schon swingt es in bester Jazz-Manier mit Blech-Holz-Power als Sahne. Selbstredend wäre das alles nichts ohne die unermüdliche Basisarbeit der Jungs vom Rhythmus, der Arbeiterklasse im Jazz.

Der 2. Set lässt es gemächlich angehen. Das Piano führt im Zusammenspiel mit dem gestrichenen Bass ins Thema ein. Die Bläser erspielen sich Linien und Figuren, werfen sich die Bälle zu – ein Spielen mit Rufen und Antworten. Nach kurzem Piano-Solo zeigt Thomas Mayade mit seinem Flügelhorn seine Improvisationskunst. All das wird rhythmisch kräftig „unterlegt“. Anders formuliert: es wird „unterschlagen“, „unterzupft“. Was macht das Piano? Unter- oder übertreiben? Nee. Unterschlagen? Auch nicht. Quertreiben? Vielleicht ein wenig, aber auch das ist nicht korrekt. Vorwärtstreiben? Ja, das ist es!

Jetzt ist Walking Bass mit Support der Drums angesagt, der sich zum Funk entwickelt. Das Piano hämmert begeistert Figuren und Läufe in die Tasten, der Drummer ist voll dabei, macht seine Beats mit Schmackes wie es sich für Jazzgetrommel geziemt. Pianist Arthur Possing läuft jetzt zu Hochtouren auf, sein Spiel gerät in den roten Bereich des Drehzahlmessers, in den auch das Tenor hineinstößt.

Golden Fields könnte zu Beginn eine Huldigung der Bassgeige sein. Der Bass von “Schlapbe“ Flach darf auch mal knirschen, um dann mit singenden Tönen, Figuren und Melodien zu den Stärken des Instrumentes zurückzukehren, zu denen auch der Bogen gehört. Dann ändern sich die Klangwelten, der Sound der Band mutiert zur akustischen Orgie oder wie Arthur Possing nachher erklärt: „ein sehr energetisches Stück“. Wie wahr.

Von der Dramaturgie müsste jetzt eine Ballade her. So ist es. Nach einer lyrischen Einführung spinnt das Flügelhorn den Faden von Memory weiter. Die folgenden Bläsersätze sind sparsam, angerissen, nur angehaucht. Bass und Drums sorgen für ein wenig Dramatik mit Tiefgang, und die Soli von Bass und Horn schmücken das Thema aus. Deren musikalischen Schleifen und Bögen entfliehen sanft dem Raum.

Straight Forward. Der Titel sagt es. Ein knackiger zeitgemäßer Swing bei dem die Rhythmusgruppe zeigen kann, was in ihr steckt. Da geht die Post ab, analog natürlich. Die Bläser treffen sich jetzt zum gemeinsamen Abgesang und erledigen mit energischem Halali die Sache. Das Publikum gleich mit. Erbarmung, das ist der absolute Rausschmeißer-Song. Dann ist Schluss mit Jagen.

Fast, denn die Zugabe – vom Publikum frenetisch gefordert – setzt noch einen darauf. Die Jungs, die für den rhythmischen Drive verantwortlich sind, wollen es einfach wissen. Der Mann an der Trompete, bläst sich die Seele aus dem Leib, schmettert Töne um sein Leben. Da muss das Sax mitmachen, Ekstase versprühen. Und sie wollen einfach nicht aufhören… Doch dann ist Schluss.

Aus. Aus. Aus. Das Spiel ist aus. Luxemburg ist Weltmeister.

Text: Cosmo Scharmer

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