Cécile McLorin Salvant - Ghost Song

Cécile McLorin Salvant
Ghost Song
Erscheinungstermin: 04.03.2022
Label: Nonesuch, 2021
Die dreifach mit einem Grammy prämierte und 2020 zur MacArthur-Stipendiatin gekürte Cécile McLorin Salvant ist Sängerin und Komponistin. Mit musikhistorischer Perspektive, erneuertem Sinn für Dramaturgie und vorurteilsfreiem, musikalischem Verständnis, reichert sie sowohl Jazz-Standards wie auch eigene Original-Kompositionen an. Klassisch ausgebildet, von Jazz, Blues und Folk erfüllt, und mit Bezügen zu Musiktheater und Varieté flirtend, umfasst Salvants Repertoire eine enorme Bandbreite.
„Ghost Song“ umfasst einen vielfältigen Mix aus sieben Neukompositionen und fünf Song-Interpretationen, die thematisch um Geister, Nostalgie und Verlangen kreisen. „Dieses Album unterscheidet sich von allem was ich vorher veröffentlicht habe“, erklärt Salvant. „Ich komme damit der Reflexion meiner Persönlichkeit als Kuratorin des Vielschichtigen näher. Ich umarme meine Seltsamkeiten, wenn man so will“. Über das Titelstück „Ghost Song“ sagt Salvant: „Was geschieht, wenn die Liebe sich verabschiedet hat, dich verließ, aber deine Gefühle dir wie Geister gebieten, dich weiterhin von dieser Liebe einnehmen zu lassen? Manche Songs erfordern Anstrengung bevor sie zum Vorschein kommen, aber dieses Stück entstand ziemlich schnell. In den vergangenen Jahren musste ich mich dem Tod meiner Großmutter und des Drummers meiner Band, Lawrence Leathers, stellen.“
„Ghost Song“ beginnt und endet jeweils mit einem Sean-nós-Gesangsstück, traditionell- irischem Kantus ohne Begleitung, aufgenommen in einer Kirche. Vom ersten Stück leitet Salvant über in“ Kate Bushs 1978 veröffentlichten Klassiker „Wuthering Heights“. Über diesen Song sagt Salvant: „‚Wuthering Heights‘, das Buch, zielte regelrecht in meine Seele während der Pandemie, als ich das neue Album aufnahm. Die beste Interpretation des Romans ist dieser Song von Kate Bush.“
„Das Lied handelt von der klassischsten aller Geistergeschichten. Nachdem ich mich dafür entschieden hatte, das Album ‚Ghost Song‘ zu nennen, war mir klar, dass eine Geistergeschichte darin platziert werden musste“, führt Salvant weiter aus. „Dann kam mir die Idee, den Song mit dem Sean-nós ‚Cúirt Bhaile Nua‘ zu verbinden, das eine Brücke zum
Traditional ‚Unquiet Grave‘, dem letzten Stück des Albums, baut. Der Geist verfolgt nicht mich, jetzt verfolge ich ihn – dafür steht dieser Erzählstrang. Beide Stücke entsprechen einander ausgezeichnet, obwohl sie aus unterschiedlichen Zeiträumen stammen. Ich wollte, dass sich dieses Album wie ein Kreislauf ausnimmt, mit den Sean-nós-Bezügen als Anfang und Ende. Insofern lade ich mit dem ersten Stück, aber auch mit dem letzten Stück, und mit dem Song in der Mitte der Platte zum Hören des Albums ein. In dieser Weise nähere ich mich selbst Alben, wenn ich durch meine Wohngegend spaziere, oder mit dem Flugzeug irgendwohin reise – ich schalte mein Abspielgerät auf Wiederholung.“
„Sämtliche Songs des Albums stehen in spiegelbildlichem Verhältnis zueinander. Ich probierte diese eigenartige Symmetrie aus, damit die Songs zusammenpassen, ganz gleich, ob man mit dem Hören am Ende oder am Anfang des Albums beginnt“, sagt Salvant. „‚I Lost My Mind‘ ist der Kern der Matrjoschka. Ich schrieb es inmitten der Pandemie. Es gab Nächte, in denen ich einfach nur schreien wollte. In den Tiefen meiner Seele gab es diesen Teil, der mir sagte: ‚Es ist okay, wenn das Material komplett verrückt klingt, es ist gut, diesem komplett verrückten Ding einfach zu folgen, und nicht zu fürchten, dass Leute annehmen könnten, ich hätte meinen Verstand verloren, weil ich daran arbeite.“
„Auch die Bands spiegeln einander von oben bis unten in Sachen Instrumentierung – in allem“, erklärt Salvant. „Deswegen stehen die Songs in Beziehung zueinander, sie entsprechen sich, sie sind wie zweieiige Zwillinge, einer könnte der böse Zwilling des anderen sein. Ich, als eine der Lebenden, werde von einem Geist besucht. Anschließend mache ich mich wiederum auf den Weg, den Geist zu besuchen. Ich verfolge und irritiere den Spuk, womit ich ausdrücke: ‚Scher dich hinaus und kümmere dich um deine eigentlichen Aufgaben.‘“
Über die klangliche Vielfalt auf „Ghost Song“ sagt Salvant: „Textur ist ein wesentliches Merkmal meiner Gesangsform, in einem Song von mir finden sich mannigfache Texturen. Ich werde beinahe von ihnen getrieben. Es kommt mir nicht in den Sinn, in nur einer Textur zu verharren. Die Instrumentierung schafft mir den Raum dafür, ebenso wie der jeweilige Aufnahmeprozess. Mir gefällt die Vielfalt, sogar beim Essen. Man mag das Cremige und Weiche und Knusprige gleichzeitig. Warm und kalt.“
Salvants Live-Auftritte erstrecken sich von spärlich besetzten Stimme-Piano-Duetten über Instrumental-Trios bis hin zu Orchester-Ensembles. Ihr unveröffentlichtes Werk „Ogresse“ ist ein ambitionierter, ausgiebig gestalteter Liederzyklus, der auf Märchenerzählungen aus dem 19. Jahrhundert basiert. Darin erforscht sie das Wesen der Freiheit und die Sehnsüchte in einer rassifizierten, patriarchalisch dominierten Welt. Salvant studierte an der Université Pierre Mendès in Frankreich. Sie trat weltweit in Konzerthäusern auf, performte beim Newport Jazz Festival, beim Monterey Jazz Festival, im Village Vanguard und im Kennedy Center. Sie ist außerdem bildende Künstlerin.
jazz-fun.de meint:
Cécile McLorin Salvant ist eine reife Künstlerin, und ihr neues Album ist bisher die bestmögliche Kombination des Unmöglichen. Hervorragend aufgenommen, gesungen und gespielt. Ein eklektisches und kohärentes Gesamtwerk. Cécile weiß, was sie will und versteht es, ihre Gefühle künstlerisch umzusetzen und ihre inneren Inspirationen in äußere Ausstrahlungen zu verwandeln - ein brillantes Album!
- Wuthering Heights
- Optimistic Voices / No Love Dying
- Ghost Song
- Obligation
- Until
- I Lost My Mind
- Moon Song
- Trail Mix
- The World Is Mean
- Dead Poplar
- Thunderclouds
- Unquiet Grave
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