radio. string. quartet. vienna - Posting Joe Celebrating Weather Report - Live

Radio. String. Quartet. Vienna
Posting Joe Celebrating Weather Report - Live
Erscheinungstermin: 22.03.2013
Label: ACT
Besetzung:
Bernie Mallinger, violin
Igmar Jenner, violin
Cynthia Liao, viola
Asja Valcic, cello
Neue Wiener Streicherschule at its best
„Ich habe ihm einmal die Hand geschüttelt, eine nähere Bekanntschaft kann man das wohl nicht nennen“, antwortet Bernie Mallinger typisch wienerisch auf die Frage nach seiner persönlichen Bekanntschaft mit Joe Zawinul. Trotzdem war die Musik seines österreichischen Landsmannes für ihn wie auch die anderen Mitglieder des radio.string.quartet.vienna ( r.s.q.v ) allgegenwärtig. Wie könnte es auch anders sein, gehört Zawinul doch zu den prägendsten Gestalten des Jazz: als stilbildender Pianist der Hardbop-Ära bei „Cannonball“ Adderley; als Wegbereiter des Fusion-Jazz erst bei Miles Davis‘ bahnbrechenden Einspielungen „In A Silent Way“ und „Bitches Brew“, dann mit seiner eigenen, mit Wayne Shorter gegründeten Band „Weather Report“; und schließlich mit seinem „Syndicate“, als Brückenbauer eines der Weltmusik zugewandten Jazz.
Dass das r.s.q.v, das seit seiner Gründung 2003 die Definition des Genres Streichquartett genial erweitert hat, sich auf seinem fünften Album „Posting Joe“ nun (man möchte fast sagen: endlich) mit dem größten Wiener Jazz-Genius beschäftigt, hat eine ebenso lange Vorgeschichte wie die Band selbst. „Einen konkreten Plan gab es zwar nie“, berichtet Liao, „aber Zawinuls Musik war bei uns einfach immer da. Schon nachdem uns das Mahavishnu-Projekt international bekannt gemacht hatte, waren wir nahe daran, ein Zawinul-Programm vorzubereiten. Doch dann kam „Radiotree“ mit dem Akkordeonisten Klaus Paier zuvor. Immerhin sind auf diesem Album bereits zwei Zawinul-Stücke in r.s.q.v - Bearbeitung vertreten.“
Doch dem Ausbau dieses Ansatzes kam die Anfrage der unwiderstehlichen Rigmor Gustafsson zuvor, woraus „Calling You“ entstand. Und danach war der Drang, einmal etwas wirklich Eigenes zu machen, zunächst stärker: „Radiodream“, das bislang letzte, 2011 erschienene Album, auf dem erstmals Igmar Jenner Johannes Dickbauer an der Geige ersetzte, markierte mit seinen selbst komponierten musikalischen Traumdeutungen den bis dato letzten Mosaikstein im außergewöhnlichen Schaffen des radio.string.quartet.vienna.
Genau der richtige Zeitpunkt, um lange Verschobenes anzupacken. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der offizielle Zawinul-Biograph Brian Glasser und die ehemalige Zawinul-Managerin Theresia Zinke mit einer Konzerteinladung zu den Wiener „Zawinul Music Days“ das Vorhaben angeschoben hatten. Zugleich schlugen die vier zwei Fliegen mit einem Streich: Nicht nur Zawinul lag uns seit Ewigkeiten am Herzen, wir wollten auch schon lange ein Live-Album machen, weil unsere Konzerte im Vergleich zu den Studioaufnahmen doch ein Eigenleben entwickelt haben“, erzählt Valcic.
„Deshalb spielte man zuletzt bei allen „Radiodream“-Auftritten im zweiten Teil ein immer wieder variiertes Zawinul-Set. „Einige dieser Sets haben wir aufgenommen. Wir konnten also Stücke auswählen, mit denen wir wirklich zufrieden sind.“ Mitschnitte aus ganz Europa vereinen sich somit zu der Zawinul-Hommage. Aus dem legendären Musikverein Wien, dem finnischen Pori, aus Zagreb, Warschau, Zürich und Ravensburg sendet das r.s.q.v. auf „Posting Joe“ musikalische Liebeserklärungen an einen der größten Jazzmusiker aller Zeiten.
Wie respektvoll, sorgfältig und visionär Mallinger, Jenner, Liao und Valcic dabei vorgingen, zeigt bereits das kurze Intro „Troposphere“, die einzige im Studio entstandene Passage des Albums. Es ist zum einen eine Reflektion über das erste Weather Report Stück überhaupt, das kuriose „Milky Way“: „Wo entsteht das Wetter? In der Troposphäre“ beschreibt Mallinger den Gedankengang zu der entrückten Soundcollage. Zum anderen nimmt das Stück auch die späten weltmusikalischen Klänge Zawinuls auf. Der Zawinul-Klassiker „Birdland“ raubt einem mit seinem dramatischen Bogen vom klassischen Einstieg über den flirrenden Basisrhythmus bis zu den wilden Geigenattacken in höchster Lage den Atem. Die Interpretationen etwa von „Peace“ oder „Cannonball“ belegen erneut den bahnbrechenden Umgang des r.s.q.v mit den Gegensätzen von rhythmischer Spannung und klarer Melodik. Und dass ein klassisches Streichquartett in punkto Dynamik und Tempo einer Jazzband nicht nachstehen muss, zeigt wieder einmal das furiose Finale „Volcano For Hire“. Wie auch „Wireless Wings“, neben dem Opener „Trophosphere“ die einzige Eigenkomposition: Die bis dato namenlose Komposition von Asja Valcic erwies sich bei den Konzerten als so ideal zum Zawinul-Konzept passend, dass die Widmung „For Joe“ mit in den Titel kam.
Der Arbeitsprozess war diesmal anders als bei anderen r.s.q.v - Projekten zuvor: Es ging diesmal nicht um offensichtliche Virtuosität und strukturelle Opulenz, sondern um die Details und die minimalistisch im Hintergrund laufenden Grooves. Zawinuls formal sehr eigenwilligen Kompositionen mussten die vier mit ausgeklügelter, fast Bachscher Stimmführung begegnen, und mit dem Ausreizen aller Klangmöglichkeiten der Saiten. So ist es auch hier wieder die Umkehrung der Hörgewohnheiten, die das r.s.q.v so spannend und einzigartig macht: Galt für Zawinul das gerne kolportierte Bonmot: „Spiele elektrisch, aber klinge akustisch“, so ist es hier oft genau umgekehrt und wurde damit zum Leitmotiv der Band für „Posting Joe“: „We sing the body acoustic“
- Troposphere
- Birdland
- Freezing Fire
- Peace
- Black Market
- Dream Clock
- Wireless Wings - For Joe
- In A Silent Way
- Cannonball
- Volcano For Hire
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