Romain Leleu - Inspirations

Romain Leleu
Inspirations
Erscheinungstermin: 12.08.2016
Label: Aparte, 2016
Romain Leleu: Trompette
Ensemble Convergences
Balladen, Streichquintett, Trompete – Die Klangwelten der CD Inspirations
Romain Leleu und das Ensemble Convergence
Nach der Ankündigung, die CD Inspirations vorzustellen, folgt hier die Einlösung. Beim ersten Überfliegen und Hören, keinesfalls Überhören der Titel, springen folgenden Genres der CD Musik in die Ohren, wobei diese Kategorien weit zu fassen sind. Ein Überblick:
Da gibt es einige Titel, die in der Tradition von Chansons, Liedern und Filmmusik stehen: Les Feuilles mortes, Cinema Paradiso, Youkali.
Von klassischen Komponisten gibt es verschieden Werke:
Gabriel Faure, George Bizet, JSBach, Grigorias Dinicu, Pablo De Sarasate
Desweiteren wärmt die Sonne Brasiliens den Hörer mit mehreren Titeln. Da darf Argentinien mit seinem Tango Nuevo von Astor Piazzolla natürlich nicht fehlen.
Das traditionelle Akkordeon vertritt eher die Neue Musik, irgendwo zwischen Klassik und Jazz, wie das Stück des virtuosen Vincent Peirani.
Nicht nur begleitend, sondern stark mitgestaltend, erweist sich das L’Ensemble Convergences, ein furioses Streichquartett, das zusätzlich durch den Kontrabass zum Quintett verstärkt wird. Dieses Ensemble erspielt einen kräftigen, rhythmisch akzentuierten Sound voller Wärme, auf dem sich der musikalische Farbenreichtum der Trompetenstimme auszeichnen kann.
Balladen: „Autum Leaves“ oder Les Feuilles mortes
Hier scheint mit Autum Leaves ein alter Jazz-Standard zu tönen. Einer der bekanntesten und schönsten Balladen im Jazz, der aber ursprünglich als Chansons geschrieben wurde und ursprünglich den Titel Les Feuilles mortes trägt. In vielen Jazz-Variationen überwiegen stärker die bunten Farben des goldenen Herbstes mit all seiner Pracht. Dagegen interpretieren Trompete und L’Ensemble Convergences dies eher im Sachverhalt des Originaltitels „Der toten Blätter“. Schwer, tragend mit der vollen Melancholie von Violinen und Horn.
Zu den Balladen gehört auch die betörende (Film)Melodie von Cinema Paradiso. Der voluminöse Klang, mit wärmsten Bässen untermalt, lassen Herz und Seele schmachten. Wem Musik und Text zu kitschig klingt, der möge bitte Techno hören.
Auch die tragende Melodie von Les Chansons Grises kann sich zu den Balladen zählen. Feinste Differenzierungen in der Tonfärbung geben den Hörern viel zu entdecken. „Darüber und darunter“ bestechen die Stimmen der kompletten Violinen-Familie. Das gleiche gilt für die Interpretation von Kurt Weills Youkali: Hier werden Geschichten erzählt, ein wenig mit melancholischer Färbung, aber stets mit dem Gewicht der schönen Kompositionen und der eigenen Interpretation.
Obwohl die Charakterisierung von Trauer weniger zum lebensbejahendem fröhlichen Samba oder Bossa Nova Brasiliens zu gelten scheint, ist Manha de Carneval eine antike Ballade von ergreifend tiefer Schönheit. Nämlich der Verlust von Eurydike, den Orpheus erleidet. Trauriger kann diese Geschichte kaum erzählt werden, wenn nicht durch das klagende Horn von Romain Leleu. Mittrauernd trägt der Kontrabass zu dieser Elegie bei. Und dann die Suite Nr. 3 Air von Johann Sebastian Bach. Ist dies nicht eine der allerschönsten Balladen?
„Rhythmus, bei dem jeder mitmuss“
Ziemlich abgedroschen ist diese Aussage. Ja, aber wenn sie stimmt, dann… Die flotten, galoppierenden, packenden Rhythmen basieren auf folgenden Werken:
Die Komposition des rumänischen Violinenvirtuosen Dinicu Grigoras geht einfach ab. Hora Staccato, der Titel verrät es. Dies ist ein knallig akzentuierter Rhythmus mit Stakkato. Dieses Stück beinhaltet viele Elemente aus der Roma-Musik und hatte die Violine im Fokus. Wie trefflich dies auch mit einer jubilierend erklingenden Solo-Trompete abgehen kann, zeigt das Ensemble. Ähnliches gilt für die barocke Komposition Le Coucou von Louis-Claude Daquin, die für Cembalo geschrieben wurde. Jetzt swingt sie im Stil des Baroque, angereichert mit den Trillern und Schleifen des geblasenen Horns voller Elegance.
Tja, zwischen balladenhafter Intonierung und rhythmischer Vehemenz bewegen sich die Titel von Antonio Carlos Jobim: Aguas De Março und Chega De Saudade. Beides trifft hier zu: die balladeske Stilistik und rhythmische Gewichtung a la Brasil. Es mag an den gängigen Hörgewohnheiten liegen, dass brasilianische Musik ohne deren perkussive Unterfütterung etwas fremd, zumindest ungewohnt anmutet. Wer diese Perkussion nicht vermisst, der kann sich an diesen Versionen sicherlich erfreuen.
Bleiben wie bei der Latinischen Musik. Mit Pablo De Sarasate steuert wieder ein Virtuose der Violine seine Komposition bei. Elemente der spanischen Folklore, wie sie sich besonders gut in der mexikanischen Mariachi-Musik behauptet haben werden hier höchst lebendig. Dazu passt die Stimme der Trompete hervorragend. Bleiben wir in dem Spanien, wie es Georges Bizet mit seiner Fantaisie Sur Carmen festgehalten hat. Allseits beliebt ist diese Komposition für Violine. Was kann da schon Neues erklingen? Doch, es kann. Strahlend und jubilierend, trumpft das Metall der Trompete im 1. Satz auf, um dann in den folgenden Sätzen in verhaltene Töne zu verfallen. Aber stets mit Gelassenheit und vollem Körper sowie einer andächtigen Stille zwischen den Sequenzen. So auch bei der tanzbaren Habanera. Mit der Strahlkraft seiner Saiten bildet das Ensemble Convergance souverän das musikalische Rückgrat für die solistischen Ausflüge des goldenen Metalls, das sich zum Finale in schnellen Figuren erhebt und davonfliegt.
Was fehlt? Die Stimmen von Bandoneon und Akkordeon.
María De Buenos Aires von Astor Piazzolla
Ein Tango: rhythmisch packend, voller tiefer Dramatik im besten Sinne dieser Musik. Schmachtend tönen Geige und Trompete, die sich - angefüllt mit Emotion und Passion – in der Stimmführung abwechseln und ergänzen. Beeindruckend wie die fauchende Intonation des lamentierenden Bandoneons von der Trompete aufgenommen und in die eigene Sprache von Romain Leleu überführt werden kann. „Dale“ auf argentinisch, das ist es!
Random Obsession von Vincent Peirani
Die große musikalische Tradition, die das Akkordeon in Frankreich innehat, wird durch den Landsmann und Virtuosen Vincent Peirani vertreten, auch wenn dieser stärker in der Neuen Musik, wenn nicht im Jazz beheimatet ist.
Auch in Random Obsession sind dramatische Töne zu hören, zu Beginn angereichert mit Ostinato-Motiven. Dann wieder Stille. Jetzt kommen Überraschungen und stilistische Wechsel im Minutentakt, die viel Raum für die Entfaltung des Metalls zulässt. Die Streicher können die Intonation der Akkordionstimme nahezu perfekt imitieren und schaffen einen dicht gewebten Klangteppich, voll mit dunklen Farben. Schon folgt das nächste unerwartete musikalische Ereignis und lässt alles kurzweilig wirken. Eine zeitgemäße Komposition, die für individuelle Interpretationen offen ist. Ein Titel, das durch die ausgezeichnete Präsentation des Ensembles voll zur Geltung kommt. Das Beste zum Schluss, auch wenn Random Obsession nicht der finale Titel der CD ist.
Zwei Wünsche bleiben.
Der erste Wunsch könnte darin bestehen, dass sich der klassische Trompeter - nach seiner Orientierung zur Weltmusik - auch weiter in Richtung Jazz bewegt. Dies könnte höchst spannende Musik aus dem Grenzland zwischen Jazz und Klassik zur Folge haben.
Der zweite Wunsch liegt darin, dass es hoffentlich bald möglich sein wird, Romain Leleu und sein Ensemble Convergence live in Berlin zu hören! Der Autor „bleibt am Ball, genauer an der Trompete“ und wird darüber informieren.
Verwandte Themen:
Interview mit Romain Leleu
Vom Finden eines virtuosen Trompeters - Romain Leleu
Die Suche nach Jazz in der Jazz-Suite-Nr.2 oder wider dem tierischen Ernst!
- Les feuilles mortes
- Hora staccato
- Fugy y misterio
- Cinema Paradiso
- Après un rêve
- Fantasie über Bizets Carmen
- L'heure exquise
- Le Coucou
- Aguas de Março
- Chega de saudade
- Random Obsession
- Aria
- Zapateado
- Youkali
- Manha de Carnaval
Einen Kommentar schreiben