Gebhard Ullmann im Gespräch mit jazz-fun.de

Gebhard Ullmann
Gebhard Ullmann, Foto: Oliver Potratz

Anlässlich seines 65. Geburtstages haben wir Gebhard Ullmann zu einem kurzen Gespräch eingeladen.

65 – das ist der Zeitpunkt, an dem die meisten Menschen Resümee ziehen, viele von ihnen nicht zum ersten Mal. Der umtriebige Berliner Saxofonist, Flötist, Klarinettist, Komponist und Bandleader Gebhard Ullmann wird in diesem Jahr 65 Jahre alt, doch nach einem Resümee steht ihm bislang so gar nicht der Sinn. Denn egal, was er vorhat, Gebhard Ullmann steht immer ganz am Anfang, und aller Anfang hält jung.

Wolf Kampmann

jazz-fun.de:
Glückwunsch zum 65. Geburtstag. Ist das ein Moment, zurück zu blicken? Falls ja, welche Deiner Projekte waren für Dich besonders erwähnenswert?

Gebhard Ullmann:
Alles hatte seine Wichtigkeit in meinem jeweiligen Lebensabschnitt.

Die Minimal Kidds, Out To Lunch oder Die Elefanten waren ebenso wichtig wie meine Zusammenarbeit mit Steve Swell, das Clarinet Trio und Tá Lam oder meine jahrzehntelange Zusammenarbeit mit Projekten wie ConferenceCall oder Basement Research.

Ich habe kürzlich anlässlich des Kaufs einer neuen Stereoanlage viele meiner Produktionen noch einmal gehört und eins ist sicher: ich war immer mein schärfster Kritiker. Zum Glück kann ich sagen: Da ist schon einiges Gutes dabei.

jazz-fun.de:
Die CD 'GULFH of Berlin' ist Anfang des Jahres auf dem legendären New Yorker Label ESP-Disk' erschienen. Was ist für Dich das Besondere an dieser Veröffentlichung?

Gebhard Ullmann:
In den 70ern waren einige der LPs, die mich am meisten beeindruckt haben, LPs von ESP. Und zwar sowohl in der Geradlinigkeit der Musik wie auch der Cover-Gestaltung.
Nicht, dass ich zu der Zeit wirklich verstanden hätte was ich da höre. Und jetzt veröffentliche ich selbst auf dem Label. Das ist für mich wirklich einschneidend besonders.

jazz-fun.de
Und anscheinend kein Grund, sich auszuruhen. Zum Geburtstag erscheinen zwei weitere Alben: das Clarinet Trio mit Eigenkompositionen der Bandmitglieder in einer Reise durch die Geschichte des deutschen Jazz und das zweite Album mit der Band Chicago Plan mit einem eher politischen Ansatz. Wie fügen sich diese unterschiedlichen Ansätze in das Oeuvre ein, das sich in seiner Gesamtheit erschließt?

Gebhard Ullmann:
Das Clarinet Trio gibt es seit 25 Jahren. Wir wollten für die 6. CD etwas Spezielles machen. Und als wir auf diese Idee kamen, Jazz-Kompositionen aus den 50ern und 60ern dachte ich, das ist toll. Viele von den Komponisten kenne ich oder/und habe mit ihnen gespielt. Ich finde es passiert viel zu selten, dass sich Musiker aus Deutschland mit der (Jazz)Geschichte aus Deutschland auseinandersetzen. Und natürlich machen wir das in der Form, dass wir unsere Clarinet Trio Konzeptionen in diese Kompositionen einbringen. Anders würde das für mich auch keinen Sinn machen.

Der Chicago Plan ist ein kooperatives Projekt meines Freunds und langjährigen Kollegen Steve Swell mit mir. Und wir haben mit Michael und Fred aus Chicago in diversen Tourneen einen wirklichen Gruppensound entwickelt.

- Einschub –
Ich bin ein Fan von Bandprojekten über lange Zeit. Heutzutage ist alles schnell und es wird gerne vergessen, dass die Zusammenarbeit und der Mensch immer noch genauso funktionieren wie vor hunderten von Jahren. Irgendwie bleiben wir auf eine Art analog. Ich liebe digitale Technik – don’t get me wrong.
- Einschub Ende -

OK zurück zur CD:
Hier haben Steve und ich für zum ersten Mal speziell für diese Gruppe, diesen Sound komponiert und Konzepte entwickelt. Und ja das erste Stück hat eine klare Botschaft. Schluss mit dem Waffenwahnsinn – vor allem in Privathand dachten wir damals. Nun gut.

jazz-fun.de:
65 Alben in 65 Jahren, was wird noch kommen? Wie sehen Deine zukünftigen Vorhaben aus?

Gebhard Ullmann:
Ich werde für ESP-Disk’ eine Solo Aufnahme machen.

Auf Jazz Haus Musik wird das neue Hemisphere Projekt erscheinen und zwar mit je einer CD 2023 und 2024. Ein neues Projekt mit fantastischen Kolleginnen. Und ja 2023 wird endlich eines meiner Streichquartette – das erste – vom Al Pari Quartett aufgenommen.

Ich habe immer schon viel komponiert. In den letzten Jahren sind viele Kompositionen auch größere Werke für Orchester – z.B. meine erste Symphonie und eine Version meines Tá Lam Zyklus wie auch mehrere Streichquartette - entstanden und ich hoffe, dass einige davon noch zu meinen Lebzeiten aufgeführt werden.

Ich arbeite gerne in Lebensphasen. 10 – Jahre .

Obiges und weitere Kompositionen (z.B. weitere Symphonien) sind das, was ich mir für die nächste Phase vorgenommen habe. Aber wer weiss schon, was das Leben bringt?

jazz-fun.de:
Wann sehen wir Dich wieder auf Konzerten?

Gebhard Ullmann:
Alle meine Konzerte - und vieles andere mehr - können auf meiner Webseite gefunden werden.
https://www.gebhard-ullmann.com/

jazz-fun.de:
Welche Art von Musik hörst Du "privat"?

Gebhard Ullmann:
Das ändert sich permanent. Im Moment z.B. Lowell Liebermann, Schostakowitsch, Billy Holiday, Kaija Saariaho ...

jazz-fun.de:
Was ist für Dich die schönste Aussicht?

Gebhard Ullmann:
Der Sonnenuntergang über den Bergen, wenn ich weit draußen mit dem Kite auf dem Wasser bin.

jazz-fun.de:
Was machst Du an einem Sonntag, wenn Du nicht gerade Musik machst?

Gebhard Ullmann:
Spazierengehen an der Ostsee oder Fahrrad fahren auf dem Tempelhofer Feld.

jazz-fun.de:
Pizza oder Pasta?

Gebhard Ullmann:
Nee, nee dann schon lieber jede Art von asiatischem Essen.

jazz-fun.de:
Dein Lieblingsgetränk?

Gebhard Ullmann:
Rhabarberschorle, Campari Tonic ...

jazz-fun.de:
Was sagt Dir dieses Zitat? (Freistil Magazin aus Österreich, welches sich wiederum auf den Tagesspiegel Berlin beruft): "Gebhard Ullmann ist in New York ein Star, in Berlin ein schräger Vogel"

Gebhard Ullmann:
Stimmt.

Eine hochinteressante musikalische Biografie (beginnend in den 90ern), vom Künstler wie ein Album zusammengestellt und ein Querschnitt all seiner Instrumente:
https://soundcloud.com/user-797040711-399216775/sets/gebhard-ullmann

Text: jazz-fun.de
Foto: Gebhard Ullmann

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