Hely - Jangal

Hely - Jangal

Hely
Jangal

Erscheinungstermin: 06.05.2016
Label: TRAUMTON Records, 2016

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Lucca Fries, piano
Jonas Ruther, drums

Diese Konstellation sieht nicht nur auf dem Papier ungewöhnlich aus, sie klingt auch so. Mit ihrem zweiten Album Jangal stechen Hely musikalisch wie formal aus dem Umfeld europäischer Jazzpiano-Bands heraus. Was die raffinierte Interaktion des jungen Duos aus Zürich ausmacht, ist – neben anderen Aspekten – das tiefe Verständnis für ihr jeweiliges Gegenüber. Pianist Lucca Fries lernte schon früh auch Schlagzeug und nahm während des Studiums Unterricht auf seinem Zweitinstrument. Drummer Jonas Ruther setzte sich ebenfalls schon als Kind ans Klavier und spielt es bis heute, so sagt er, „leidenschaftlich“.

Es ist also eine mehr als intuitive Nähe, die sich in Helys Kompositionen widerspiegelt, Sie manifestiert sich in der engen Verzahnung der Instrumente, einem facettenreichen Sound und infizierenden rhythmischen Flüssen. „Wir spielen viel, improvisieren, tauschen manchmal die Instrumente oder hören zusammen Musik“, beschreibt Lucca Fries die intensiv-freundschaftliche Zusammenarbeit. „Es kann auch vorkommen, dass wir stundenlang nur diskutieren und dann was essen gehen. Unsere Stücke entstehen auf diesen Wegen also ganz natürlich. Die Ideen kommen uns oft spontan, danach geht es darum, sie auszuleuchten, was manchmal länger dauern kann. Es passiert aber auch, dass ein Stück schon beim ersten Versuch so gut funktioniert, dass wir uns entscheiden, es ohne weitere Proben beim nächsten Gig wieder zu spielen.“

Mäandernde Linien lassen klassischen Minimalismus am Horizont wetterleuchten. Dynamisch anschwellende Figuren und sich zuspitzende Stakkati entfachen fast Trance-artige Atmosphäre. Traumwandlerisch sicher bewegen sich Klavier und Schlagzeug zwischen Klarheit und Komplexität, interessanter Harmonik und Klangfarben. Offene Strukturen verdichten sich langsam, aber unaufhaltsam; eine unmittelbare, nie plakativ auftrumpfende Energie zieht den Hörer unwillkürlich in Helys oszillierendes Universum. Zwischendurch bieten ruhigere, atmosphärische Passagen Raum zur Kontemplation.

Die unkonventionelle Ästhetik des Duos schöpft aus verschiedenen Inspirationsquellen, nutzt Einflüsse aber nur als Impulse für einen insgesamt sehr persönlichen Ausdruck. „Wir setzen uns keine stilistischen Grenzen“, hält Jonas Ruther fest. „Schon früh haben uns freie Geister wie das John Coltrane Quartett geprägt, ihre Haltung zur Musik, der gemeinsame spontane Ausdruck und die Suche nach ekstatischen Momenten des Zusammenspiels.“ Mit Dogmen und Moden haben Hely nichts im Sinn. Anfangs, vor bald fünf Jahren, nutzten sie zuweilen elektronische Effekte, doch schon für ihr erstes Album Rapture entschieden sie, rein akustisch zu spielen. „Die Möglichkeiten unserer Instrumente schienen uns unerschöpflich und wir hatten Lust, in diese Richtung zu forschen. Dafür haben wir viel experimentiert, etwa mit Präparierungen, um eine interessante Klangvielfalt ohne elektronischer Hilfe zu erreichen. Auf unserem neuen Album verzichten wir weitgehend auf solche Präparierungen, zugunsten der Kompositionen.“

Unabhängig voneinander kamen Fries und Ruther auf verblüffend ähnlichen Wegen zum Jazz. „Mein Vater arbeitete als Klavierlehrer und ich hörte ihn schon als kleines Kind Bach spielen und improvisieren“, erzählt Lucca Fries. „So begann ich, neben dem klassischen Unterricht, nach seinem Vorbild frei zu improvisieren. Mit sieben schenkte er mir Keith Jarretts Köln Concert, das mir so eingefahren ist, dass ich es über Monate jeden Abend vorm Einschlafen mit dem Discman hörte.“ Jonas Ruthers Geschichte geht so: „Mit sechs wollte ich unbedingt Schlagzeug spielen, da das aber noch nicht möglich war, kam ich erstmal zu den Trommlern und bekam später ein Schlagzeug. Eines Tages spielte mir mein Vater eine CD des McCoy Tyner Trios und ein Solo-Album von Keith Jarrett vor. Sie faszinierten mich dermassen, dass sich mein Leben quasi über Nacht verändert hat.“ Fries und Ruther wurden mit einem halben Jahr Abstand 1986 respektive 1987 in Zürich geboren, absolvierten ihren Master in Jazzperformance in Luzern und einen Master in Pädagogik in Zürich. Ehe sie 2011 beschlossen, als Duo unter dem Namen Hely zu arbeiten, hatte Lucca Fries vor allem solo und in einem Trio gespielt, zum dem der seinerzeit in mehreren Jazzbands beschäftigte Jonas Ruther stieß.

„Nachdem der Bassist die Band verlassen hatte, arbeiteten wir zunächst zu zweit und suchten einen passenden Ersatz. Nach einer Weile merkten wir aber, dass unsere direkte Kommunikation im Duo noch besser funktioniert und noch ganz andere Dinge möglich wurden“, fasst Fries die damalige Entwicklung zusammen. Ruther ergänzt: „Wir wussten einfach, dass wir unbedingt zusammenspielen wollten. So probierten wir verschiedene Besetzungen aus. Nach einigen gescheiterten Versuchen und einer weiteren berauschenden Duo-Improvisation realisierten wir, dass wir längst hatten, was wir suchten.“

Die ungewöhnliche Besetzung ist für Hely also selbstverständlich und kein ausgedachtes Konzept. „Es war nie unsere Absicht, das Publikum zu irritieren, obwohl das immer noch vorkommen kann.“ Die Konzentration auf Klavier und Schlagzeug bietet eben enormes Potential für Überraschungen, das die beiden jungen Schweizer ebenso präzise wie spielfreudig ausloten. Auf ihrem prägnanten Album ebenso wie in bisweilen euphorischen Konzerten. Übrigens: Der Albumtitel Jangal bedeutet in Farsi Dickicht und wurde vom gleichnamigen Stück übernommen. „Schon unser Arbeitstitel für diese Komposition war Jungle, weil sie nach einem großen Ameisenhaufen und Schlangen klingt“, erzählt das Duo lachend. Insgesamt wirkt Helys Musik nicht selten wie ein Urwald, dessen dichte Vielfalt unausweichlich fasziniert und auf den zweiten Blick spannende Details offenbart.

  1. Basinski
  2. Jangal
  3. Dwand
  4. Pippettera
  5. Xiii
  6. Unterschneit

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