JazzBaltica 2018 oder 13 Kurzgeschichten vom hohem Meer im Osten, dem Mare Balticum und seinem Jazz. So. 24.06.2018
Aus der Tiefe der baltischen See – der Sounds der Latvian Radio Big Band mit Randy Brecker

Ein Fan, der der Festival seit Jahren besucht, bemerkt: Es sind zwar die nordischen und die deutschen Musiker gut vertreten, aber es fehlen die baltischen Gruppen. Dies mag berechtigt sein. Nur in Beziehung auf die lettische Big Band aus Riga tritt dies nicht zu. Die Latvian Radio Big Band bekommt als Gastsolisten den legendären Trompeter Randy Brecker zugeteilt. Ja, der von den Brecker Brothers.
Verhaltener Auftakt, dezente Bläsersätze, bei denen sich Blech- und Holzbläser zwar gut verschachteln, es aber eher konventionell klingt. Ein erstes tastendes Trompetensolo. Alles klingt noch nach der Aufwärm- und Warmspielen-Phase. Folgerichtig meint dann Randy Brecker“ „This was the sound check“. Das Publikum lacht, aber es könnte durchaus ernstgemeint sein.
„Secret Hearts“ ist eine angehauchte Ballade im Latin Groove, wenig anspruchsvoll, unkompliziert, geeignet zum lässigen Ausruhen auf der Strandpromenade. Die Big Band ist hörbar gut aufeinander eingestimmt. Aber auch Randy Brecker? Der scheint noch etwas außen vor zu sein, noch nicht vollständig integriert.
Ein Stück von der legendären CD „Return of the Brecker Brothers“ langt dann zu. Über den treibenden Beat ertönt ein so präzises wie scharfkantiges Blech der Bläser. Das Tenorsaxofon bläst das Thema in spitze Höhen und zusammen mit dem ausgezeichneten Drummer wird dieses Thema zu Power Play.
Randy Brecker hat seine Kompositionen und die zugehörigen Arrangements mitgebracht. Über die Band, die dies realisieren soll, äußert er sich mehrfach sehr positiv. Diese sei, wie auch der technisch perfekt ausgesteuerte Sound „amazing“. Einfach mal so – bei vermutlich nur kurzer Zeit zum Proben – fremde Arrangements und Titel so exakt und engagiert zu spielen, ist nicht selbstverständlich und belegt die hohe Qualität der Latvian Radio Big Band.

In Erinnerung an den Bruder und großen Tenorsaxofonisten Michael Brecker erklingt dessen Komposition „African Skies“. Mit verhaltenem Blech und den behutsam säuselnden Saxofonen startet das Thema. Es steigert sich nach und nach zum packenden kraftvollen Sound der gesamten Band. Nicht nur die Soli von Randy Brecker sind jetzt stimmig eingewoben, sondern auch das Solo des Altsaxofonisten ergänzt diese Klangwelten, indem es seine ausdrucksstarken Tonfolgen in den afrikanischen Himmel schleudert, der sich heute über die Ostsee erstreckt und musikalisch sich ins Blaue wandelt.
Bei „Jack Knife“ kann die Big Band wiederum durch ihre Präzision überzeugen. Rockige Drums, verschlungene Bläsersätze und die stets präsente Trompete des Gastsolisten machen diesen großorchestralen Sound kurzweilig spannend. Es wäre an der Zeit, auch die Musiker der Band mal solistisch zu hören. Als ich es denke, passiert genau dies. Die jetzt folgenden Soli von Posaune und Tenorsaxofon überbezeugen, dass sich die Musiker auch solistisch hervorragend ausdrücken können. Das Thema wechselt in einen anmutigen Swing, in den Randy Brecker seine höchsten Töne schmettert. Kein Set ohne das treibende Power Play des ausgezeichneten Schlagzeugers, der ist bei dieser Big Band einfach unverzichtbar. So empfindet es auch das kundige Publikum.
Fazit: tolles Orchester, das die musikalischen Freiräume für die Trompete von Randy Brecker nahezu perfekt liefert. Folgerichtig kann es der Gastsolist auch nicht lassen, immer wieder darauf hinzuweisen, was für ein fantastisches Orchester dies sei. Der Autor meint: Die Latvian Radio Big Band ist eine Reise nach Riga wert!
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