Franco Ambrosetti & Friends - Cheers

Franco Ambrosetti & Friends
Cheers
Erscheinungstermin: 22.09.2017
Label: Enja, 2017
Franco Ambrosetti - flugelhorn
Kenny Barron - piano
Buster Williams - bass
Jack DeJohnette - drums
John Scofield - guitar
Randy Brecker - trumpet
Greg Osby - alto saxophone
Gianluca Ambrosetti - soprano saxophone
Antonio Faraò - piano
Uri Caine - piano
Dado Moroni - piano
Terry Lyne Carrington - drums
“Cheers” in der Tat! Am 10. Dezember 2016 feierte Franco Ambrosetti seinen 75ten Geburtstag. Und gibt es eine schönere Art diesen Anlass zu feiern, als mit einer Recording Session? Das Ergebnis ist Ambrosettis 15. Album, das er seit 1979 für das Label Enja eingespielt hat – für sich genommen schon ein viel versprechendes Ereignis. „Alle Musiker auf diesem Album waren an vorhergehenden Projekten mit Enja beteiligt“, sagt der in der Schweiz geborene Trompeter. „Wir sahen die Session als private Party mit großartigen Musikern und dem zusätzlichen Spaß, einige Songs zusammen zu spielen. Kein Plagen, kein schweres Zeug, das man lesen muss, einfach nur Musik wie in einer Jam Session – mit einem kleinen Bisschen an Organisation.“
Dieses Geburtstagsalbum gibt uns Gelegenheit, einen Blick zurück auf Ambrosettis Karriere zu werfen: Als Sohn des Bebop-Altsaxophonisten Flavio Ambrosetti (ein bedeutender Akteur des Europäischen Jazz in den 40ern) wird der junge Franco 1962 Mitglied im väterlichen Quintett und teilt die Bühne mit Leuten wie Kenny Clarke, Dexter Gordon, Donald Byrd, Johnny Griffin, Benny Golson, Woody Shaw und vielen, vielen mehr. George Gruntz, der Pianist im Quintett seines Vaters, wird schnell ein gefeierter Bandleader und Komponist und Franco spielt eine wichtige Rolle: in den 70er Jahren wird er zum Gründungsmitglied und einer der musikalischen Leiter der berühmten George Gruntz Concert Jazz Band und hält diese Position bis 1985. Selbstverständlich übernahm Ambrosetti über die Jahre viele Gruntz-Kompositionen auch für seine eigenen Alben – und natürlich findet sich auch eine der Interpretationen auf „Cheers!“
Allerdings ist Musik nicht Alles: Von 1973 bis 2000 war Ambrosetti Führungskraft in der Ambrosetti Industrial Group (zunächst Vizepräsident, dann Geschäftsführer und zum Schluss Vorstandsvorsitzender). In diesem „Hauptberuf“ überwachte er die Produktion von Stahlrädern und Landungsgeschirren für die Luftfahrt, nicht ohne in den 80er und 90er Jahren und bis heute parallel um sich ein Netzwerk aus brillanten Musikern zu pflegen – die Protagonisten auf dieser CD inbegriffen. Und genau wie es sein Vater ehemals tat, gab auch er den Stab weiter an seinen Sohn Gianluca, einen ausgezeichneten Sopransaxophonisten, der schon früher bei EnjaAufnahmen auftauchte und auch hier auf zwei Tracks mitspielt.
Für eine entspannte und sorgenfreie Session gibt es kaum einen besseren gemeinsamen Nenner als „Autumn Leaves“, den ersten Track auf „Cheers!“ und zugleich den einzigen, den Ambrosetti zuvor schon aufgenommen hatte. Auf dem geistreich betitelten Album „Gin and Pentatonic“ von 1984 leitet er den Prévet/Kosma-Klassiker mit einer Rubato-Trompeten-Kadenz ein und gibt der Band - Tommy Flanagan mit Dave Holland und Daniel Humair - den Einsatz für einen trockenen Uptempo-Swing. Hier allerdings wird der Song langsamer, launiger, grooviger, weil Buster Williams die Stimmung vorgibt (Williams spielte ebenso bereits auf „Gin and Pentatonic“). Bald schon steigen Uri Caine am Klavier und Jack DeJohnette am Schlagzeug kraftvoll und entschieden modal mit ein.
„1994 spielte ich mit Uri eine Woche im Sweet Basil“, erinnert sich Ambrosetti. „Er ist oft in Europa, und wir spielen Musik von Bach bis Coltrane, erkunden, wie nah Barockmusik am Jazz ist.“ Zusammen mit Caines Trio nahm Ambrosetti bereits 2007 das Album „The Wind“ für Enja auf. „Cheers!“ jedoch gibt die allererste spielende Begegnung mit DeJohnette wieder. „Ich wollte immer mit ihm arbeiten und dachte, es sei an der Zeit, diese Lücke zu füllen.“
Abgesehen von „Autumn Leaves“ sind alle anderen Songs Neueinträge in der Enja-Discographie Ambrosettis. Die Idee war nicht einfach nur zurück zu blicken, sondern neue Territorien zu erkunden. Unter den Standards finden sich „I’m Glad There Is You“ als reichhaltige Ballade, eingespielt mit Kenny Barron, Buster und DeJohnette; „Bye Bye Blackbird“ und „Someday My Prince Will Come“, beide mit Barron, Buster und der beeindruckenden Terri Lyne Carrington sowie „Body and Soul“, das das Set durch ein wunderschönes schlagzeugfreies Trio mit Buster und dem Pianisten Dado Moroni, der mit Ambrosetti seit den frühen 80ern zusammen arbeitet, ausklingen lässt. Eine weitere Premiere ist die Paarung von Carrington und DeJohnette, Schützling und Mentor, in „Drums Corrida“, einer Komposition, die Franco Ambrosetti speziell für diesen Anlass und diese besondere Schlagzeugerpaarung geschrieben hat.
“No Silia, No Party,” ein weiteres Ambrosetti Stück, engagiert Greg Osby, einen langjährigen Mitstreiter in Ambrosettis Enja-Projekten, angefangen bei „Movies Too“ (1988) bis hin zur letzten Coltrane-Hommage „After The Rain“ (2015). Osby und Gitarrist John Scofield, ein weiterer Begleiter seit Urzeiten, kommen mit Moroni und Ambrosetti zu „The Smart Went Crazy“ zusammen, dem auftaktigen Selbstläufer aus der Feder von George Gruntz. Scofield bleibt auf der Bühne für den simmernden Moll-Swing von Joey Calderazzos „Midnight Voyage“, eingespielt zusammen mit Francos Freund und Trompeter Randy Brecker. Dieses Stück gehörte zum Repertoire des späten Tenor-Meisters Michael Brecker, eine wichtige Figur in Ambrosettis früheren Enja-Jahren. „Michael war ein ganz besonderer Freund, den ich während dieser Session innig vermisst habe“, sagt der Bandleader. „Aber Randy, mein Freund seit 1966, konnte kommen!“ Am Klavier ist der fantastische Antonio Faraò zu hören, der mit Franco in vielen Formationen, inklusive der 1998-Enja-Session „Light Breeze“, zusammengearbeitet hat.
“Ich plane, diese großartigen Musiker auch zukünftig zu präsentieren, solange sie Zeit haben“, sagt Ambrosetti. Und bestimmt wird es mehr zu hören geben von dieser lebhaften Trompeten-Stimme, tief eingetaucht in Dekaden voller Bebop und allem, was in dessen Kielwasser aufkam. Man kann rechtmäßig stolz darauf sein, die 75 zu erreichen und dabei das Sprichwort zu beherzigen: Das Alter ist nichts als eine Zahl. Also: Hoch die Tassen, die Ohren gespitzt, und stets daran gedacht, dass Musik nichts weniger als der Quell ewiger Jugend ist.
David R. Adler
- Autumn leaves
- No silia no party
- I'm glad there is you
- Bye bye blackbird
- Drums corrida
- Someday my prince will come
- The smart went crazy
- Midnight voyage
- Body and soul
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