Han Solip - Jazz Korea Festival 2018 – Do. 22.11.2018

Han Solip Band
Han Solip Band

Korean Rhythms, Jazz, Electronic Sounds

Han Solip Band ist:
Han Solip – Cheolhyeongeum (Stahlsaiten-Zither), diverse koreanische Perkussionsinstrumente
SOWALL – Drums, Electronics
Lee Soojin – Gitarre
Shin Myoungwook – Daegeum (Bambus-Flöte)

Das Bühnenbild springt sofort ins Auge. In der Mitte wirkt eine erhöhte Fläche als weitere Bühne. Nein, stärker: Dies ist ein Thron! Der besteht aus zahlreichen aufgebauten Perkussions- und Saiteninstrumenten, die rundum die Musikerin in ihrer Eigenschaft als Throninhaberin beschützen. Besonders ein vertikales Glockenspiel prägt dieses Szenario, das fremd, exotisch und faszinierend wirkt. Die koreanische Bambus-Flöte Daegeum gehört ebenfalls dazu. Die anderen Instrumente wie E-Gitarre und Schlagzeug geben das gewohnte Erscheinungsbild ab. Soweit zum visuellen Eindruck von Han Solip mit ihrem Ensemble. Was ist mit der Musik?

Ein schriller Gesang des Flötisten gibt das Signal. Anders als das Bühnenbild erwarten lässt, geht es richtig zur Sache: ein rockiger, fetziger Sound scheint sich hier als wild gewordener freier Rock auszutoben. Neben Gitarre und Drums trägt Han Solip dazu bei, die eine stählerne koreanische Trommel bearbeitet. Krachend knallen die Schläge mit höchster Präzession. Es sind diese gnadenlosen Schläge der Silberschmiedin, die mit ihrem Hämmern das musikalische Eisen schmiedet. Han Solip Perkussion härtet diese Musik, stählt ihren Sound, dessen exotische Färbung den Saal wellenartig überflutet. Als Zauberin oder Königin (der Nacht?) ist sie das Epizentrum des Bebens. Nach diesem Adrenalinschock sind alle gebannt. Was mag da noch kommen?

Die andere Seite der Ästhetik. Melodische, zarte Töne erwachen durch das einschmeichelnde Spiel mit den Glocken, die stark an den Klangcharakter eines Vibrafons erinnern. Vielleicht noch ein wenig zerbrechlicher, verspielter in der Klangfärbung. Unterstützt durch den pulsierenden Atem der sensiblen Flöte übernehmen die Glocken die thematische Stimmführung. Gitarre und Drums bleiben dezent im Hintergrund. Besonders die Akkorde der Gitarre, die mit viel Hall angeschlagen werden, erinnern an einen der ersten Jazzgitarristen, der diese Spielweise initiierte: Terje Rypdal mit seinen nordischen Klangsphären. Auch Assoziationen an den psychodelischen Rock aus den frühen 70-zigern kommen in den Sinn. Hier unterstützt und schmückt dieser Gitarrenstil den Glocken-Sound von Han Solip, deren Solo in perlenden Wellen aufbrandet.

Flöte und Glocken werfen sich jetzt musikalische Kusshände zu. Nun wäre die Zauberin keine echte, wenn sie sich auf die Perkussion beschränkte. Die koreanische Zither bestimmt nun das musikalische Geschehen. Der Klang des Instrumentes liegt nahe bei einer Steel-Gitarre, die auch mithilfe eines „Stahlfingers“ durch Drücken der Saiten die Töne variiert. Auch hier bevorzugt die Musikerin eine ruppige, stark perkussive Spielweise. Die Gitarre springt wieder bei und erzeugt im Hintergrund Riff um Riff. Ein wenig elektronischer Sound wird eingestreut: jetzt hämmert eine klassische Schreibmaschine (so eine zum mechanischen Tippen) mit ihrem rhythmischen Geklapper. Einzelne Sequenzen erzeugen mehr meditative Stimmungen, andere Sequenzen wollen mit forschen rhythmischen Schlägen die Welt erobern. Dazwischen unterstützen oder konterkarieren elektronische Effekte das Klangbild dieser „Zither-Partie“.

Die Musik von Han Solip, die Publikum und Raum mit einem Lächeln gewinnt erschließt sich nicht in gängigen Kategorien oder Genres. Leichter ist es zu sagen, was sie alles nicht ist: weder überkommener Rock noch Pop, vermutlich auch keine klassische oder folkloristische koreanische Musik, aber auch kein Jazz im tradiertem Sinn. Es sei denn, das Kriterium der Improvisation wird als grundlegend definiert.

Die Klangwelten spannen einen Bogen zwischen meditativen zerbrechlichen Stimmungen und treibenden perkussiven Ausprägungen. Dazwischen suchen die Töne nach Zielen, ohne dabei harmonisch stark strukturiert zu sein. Einzelne Tonfolgen strömen durch den Raum, verlieren sich zunehmend, um sich dann in der Tiefe der Stille aufzulösen. Was auch immer, diese Musik ist zeitgenössisch allein durch den starken individuellen Ausdruck von Han Solip.

Text: Cosmo Scharmer

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