JazzBaltica 2018 oder 13 Kurzgeschichten vom hohem Meer im Osten, dem Mare Balticum und seinem Jazz. Sa. 23.06.2018

Baltisches Urgestein - Eva Kruse & Band - „On the Mo“

Eva Kruse
Eva Kruse, Foto: Jacek Brun

Wie Nils Landgren moderierend ausführt, sei Eva Kruse aus dem Festival nicht mehr wegzudenken. Seit 20 Jahren sei die Bassistin dabei und präge in verschiedensten Formationen den Sound und den Erfolg dieses Festivals. Sie ist „JazzBalitica-Urgestein“. Eine schöne wie zutreffende Metapher.

Heute ist sie mit ihrem eigenen Quintett vertreten, das neben der Rhythmusgruppe noch um die Stimmen von Sax und Oboe verstärkt wird. Nach der Auftaktsequenz, bei der sich Bass und Saxofon die Melodielinien zuspielen, treiben Bass und Schlagzeug das Thema voran. Dies sind rhythmisch raffinierte Beats, die in bester Bassisten-Manier weiten Raum schaffen. Eng verzahnt mit den Schlägen des Drummers zeigt sich schon früh, was den Erfolg ihrer Musik ausmacht: das feine Gespür für Rhythmus in Verbindung mit melodischen Harmonien und dessen Balance. Demzufolge kann dieser Titel auch nur so lauten: „Follow the Bass“. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. An dieser Stelle könnte der Autor stoppen, aber die weiteren Titel verdienen Aufmerksamkeit.

Der sakrale - leicht in der Welt verloren wirkende - Klang der Oboe von Tjadina Wake-Walker macht den Auftakt bei „Stop and Go“. Auf Basis eines angerissenen Funk-Beats entwickelt das Piano von Christian Jormin seine solistischen Ausflüge. Auch hier ist es wiederum der Kontrabass von Eva Kruse – in vertrauter Eintracht mit Eric Schaefer am Schlagzeug –, dem alle anderen unbedingt folgen müssen, was sie bereitwillig tun. Das „Geheimnis“ für den Sound des Quintetts ist dieses blinde Sich-Verstehen, so eine Art musikalische Seelenverwandtschaft.

Auf solcher Grundlage lassen sich schönste Soli spielen. Dies lässt sich Uwe Steinmetz am Alt-Sax nicht entgehen. Nach dessen - zum Gruppen-Sound gut integrierten - Solo lösen sich die rhythmischen Figuren harmonisch im Unisono-Spiel der Bläser auf. Nach einem rhythmischen Bass-Solo von Eva Kruse voller melodischer Feinheit, fallen die Drums mit markanter Akzentuierung ein. Wieder eine gute Gelegenheit für Uwe Steinmetz mit dem Sopran-Sax sanfte Klänge über den leicht ruppigen Beat zu legen und dadurch die musikalische Spannung klug aufzulösen. „What do you say when the Sky is grey?“. So in der Art, wie das eben gehörte, nur unzureichender mit Worten.

Eva Kruse & Band
Eva Kruse & Band, Foto: Jacek Brun

Das Motto des Konzerts ist auch der Titel der aktuellen CD „On the Mo“. Hier zeigt das Mann am Piano, was er solistisch drauf hat: verschachtelte Akkorde und perlende Läufe schwingen sich elegant im freien Spiel auf und machen den Sound komplett. Wie ein Blitz bricht das Thema – unisono durch die Bläser intoniert - in das musikalische Geschehen ein. Auch hier werfen sich Bass und Schlagzeug die rhythmischen Bälle permanent zu, treiben ohne Unterlass voran.

Es mag auch in der „Natur der Sache“, genauer der des Kontrabasses liegen, dass die hohe Wertschätzung des rhythmischen Zusammenspiels mit dem Schlagzeug bei den Bassisten wie den Bassistinnen besonders groß ist. Dies mag am Klangcharakter der Bassgeige liegen, an ihrer Funktion in der Musik und an der Spielweise im Jazz, die eine rhythmische Komplexität mit harmonischer oder freier Auflösung nahelegt. Anders gesagt: man/frau muss den Bass lieben, damit Themen von solcher Schönheit und Tiefe fast „naturwüchsig“ entstehen können. Damit soll der Kunstcharakter dieser Titel keineswegs geleugnet werden, im Gegenteil. Ein dritter Versuch: Eva Kruse liebt ihren Bass; dies ist zu hören.

Zum Abschluss gibt es einen Titel, der allen gewidmet ist, die - aus welchen Gründen auch immer – aus ihrer Heimat flüchten müssen und zu Migranten werden, so erläutert Eva Kruse ihr Stück „Out of the Deep“. Es erweist sich als ein getragenes Thema, das von der Stille, von den Pausen zwischen den Klängen lebt. Ein treffender Titel für diese traurig wirkende Musik. Das Bass-Solo erzählt davon und macht aus dem Thema eine tiefgründige Ballade voller dunkler Schönheit. Die Anwesenden scheinen das Anliegen zu verstehen und spenden warmen Applaus.

Text: Cosmo Scharmer

Foto: Jacek Brun

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