Bill Frisell - Jazzfest Berlin – So. 03.11.2018

Bill Frisell
Bill Frisell, Foto: Camille Blake

Music is
Bill Frisell guitar solo

Sonntag war der Gitarrenabend: angefangen hat es mit 4 nordischen Gitarristen (Kim Myhr). Dann halbierten sich die Gitarren auf zwei Exemplare (Mary Halvorson), danach gab es nur noch die einsame Gitarre von Bill Frisell.

Ungewöhnlich, mit einem Solo-Konzert ein Festival zu beenden. Anstelle von packenden fetzigen (Big)Bands, die mit viel Furore, dichten Sounds, exzellenten Soli und knackigen Rhythmen das Publikum erst hinweg- und dann rausfegen, ertönt dezenter E-Gitarren-Klang eines einzelnen Musikers. Dies wird sich als kluger Schachzug herausstellen.

An das Ambiente herantastend, geruhsam sein Thema vorstellend, tönen verhaltene Akkorde. Nicht swingend, nicht rockend oder kreischend bedient sich Bill Frisell aus dem reichen Fundus von Gitarrenspielweisen, wobei neben jazzigen Themen gelegentlich folkloristische Momente aufblitzen.

Unaufgeregt, fast schon cool wirken seine Töne als eine Form von Reflexion, Ruhe oder gar Meditation, fern von jeder energieberstenden Gewalt vieler E-Gitarren-Sounds. Jetzt keimt ein gefälliges Motiv auf, wird mit leichten Variationen im Stil einer minimalistischen Logik ausgebaut. Diese erdige Musik macht sich auf, um in arkadischen Gitarrenlandschaften zu wandern. Sie schwingt sich in die Lüfte empor und dann hängt der Himmel voller Geigen, die sich als Gitarren entzaubern. So lyrisch wie musikalisch.

Das Thema variiert zu einem neuen Stück, ist etwas rauer und sperriger als der vorige Schönklang. Neue Motive werden vorsichtig tastend herausgespielt, werden emotional ausdrucksstärker. Hier verschafft sich ein Zitat Gehör, da ist ein Standard zu erkennen. Der Autor meint Sophisticated Lady herauszuhören, ein anderer will ein Monk-Thema entdeckt haben. Gleichwohl, alles tönt auf die in sich ruhende Art von Bill Frisell.

Bill Frisell
Bill Frisell, Foto: Camille Blake

Es finden sich keine Überfrachtung mit Gags, schnellen Läufen oder sonstigen artistischen Fingerkunststückchen, die als virtuos gelten. Diese Dinge benötigt die Musik von Bill Frisell nicht. Stattdessen fordert sie Einlassung, Geduld, Ruhe und Konzentration. Ja, auch eine Vorliebe für Gitarrensound ist mitzubringen. Wer über dies verfügt, der kann dieses stille Konzert in vollen Zügen genießen. Die anderen werden an den zerbrechlich zarten und schnell flüchtigen Tönen vermutlich ermüden. Erstere machen die übergroße Mehrheit im Publikum aus, die ihr Gefallen auch lautstark kundtun. Das war´s dann.

Aber nein, hier kommt noch n´ Überraschung. Diese besteht im spontanen Duo von Bill Frisell mit seiner Gitarren-Kollegin Mary Halvorson. Der Autor wünschte sich beim vorigen Konzert, sie in kleiner Formation mal hören zu können. Tja, und schon wird der Wunsch erfüllt. Wenn das kein Zauber ist. Da werfen sich die beiden die thematischen Bälle zu, bleiben ihrem Stil treu und kommen doch zusammen. Zwar nur für ein kurzes Stück, aber dieses Duo klingt vielversprechend nach mehr.

Text: Cosmo Scharmer

Kurzgeschichten über neun Konzerte des Jazzfestes Berlin 2018.
Die einzelnen Konzerte des Festivals in der Übersicht:

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