Mary Halvorson Octet - Jazzfest Berlin – So. 03.11.2018

Mary Halvorson - guitar
Susan Alcorn - pedal steel guitar
Dave Ballou - trumpet
Jon Irabagon - alto saxophone
Ingrid Laubrock - tenor saxophone
Jacob Garchik - trombone
John Hébert - bass
Tomas Fujiwara - drums
Ein Oktett ist eine ganze halbe Big Band, also light. Dies schafft hohe Erwartungen. Die Gitarristin und Leiterin Mary Halvorson ist im Hauptjob auch noch Artist in Residence beim diesjährigen Jazzfest. Heute Abend gilt es ihrer Musik, in diesem Oktett zu lauschen.
Vorsichtig werden Klangräume angestoßen, ein nordisch anmutender Sound tastet sich vor. Die Gitarre von Mary Halvorson greift in das Geschehen ein, es entwickelt sich ein Zwiegespräch mit der Steel-Gitarre, deren dumpfe Klangfärbung irritiert. Der gestrichene Bass trägt zum tiefgründigen Klang bei, erste thematische Motive schälen sich heraus, die Fanfare bittet zum Tanz, die Bläser scheinen gegentaktig anzublasen und die Gitarre schlägt spröde Akkorde in den Ensemble-Sound. Hier scheint jeder sein eigenes Ding zu machen. Allein der Drummer hält die Verbindung untereinander aufrecht, während ein Saxofon-Solo frei intonierend sich austobt. Die anderen wollen dem nicht nachstehen und so summiert sich alles zu einem freijazzenden Spektakel, das nach kurzen Intermezzo wieder zur Ruhe kommt.
Die beiden folgenden Titel haben stärker balladenhaften Charakter. Die Gitarre gibt die Melodie vor, die Bläser nehmen sie auf, der Bass treibt ein wenig in ruppiger Manier. Die Gitarre versucht, den Sound durch eingeschleuderte Riff-Strukturen zu lenken, die dann von den Bläsern aufgenommen werden. Dazwischen bringen Gitarre, Trompete und die Drums ihre solistischen Beiträge in unterschiedlichsten Klangfärbungen zur Geltung. Besonders das Spiel des Schlagzeugers wird spontan beklatsch und verdeutlicht die Sehnsucht des Publikums nach packenden rhythmischen Spielweisen. Die nächste Ballade schwelgt noch stärker in gefälligen Harmonien, eingeleitet durch das Altsaxofon entströmt ein satter Klang, der etwas von der leichten Schwere oder der schweren Leichtigkeit der Mingus´schen Kompositionen hat. Davon bitte mehr! Das Tenorsolo erzählt seine Geschichte und die Posaune macht dort weiter, wo das Saxofon aufhörte. So geht dies reihum.

Anders der nächste Titel: höheres Tempo, rhythmisch stärker akzentuiert, etwas schräg die vertrackte Themenführung. Dazu röhrt und knarrt die Steel-Gitarre. Was ist ihr Beitrag zum Gruppenklang: Verstörung, Irritation, Destruktion? Falls dies gewollt ist, so klappt es ganz gut. Ein freies Posaunen-Solo verschafft nur vorübergehend Erleichterung vor der nervigen Steel-Gitarre. Die Gitarre schlägt wiederholt eine Figur vor, die die Bläser übernehmen und dann neigt sich der Titel dem Ende zu. Weiter geht es mit einem Bass-Solo: ruppig und hölzern verlieren sich die thematischen Figuren im Raum. Dieses Spiel erweckt kein Feuer. Die Bläser greifen ein, tragen das Thema bewegter vor, jetzt ist Stakkato angesagt. Die Klänge der Gitarre flüchten sich ins kreative Chaos, die Bläser retten das Stück und bringen es zu Ende. Und weiter. Ein verschrobenes abgehacktes Bass-Motiv legt vor, die Gitarre langt nach.
Klänge und Spielweise der Gitarre wirken irgendwie weit weg von den anderen. Intellektuell eher verspielt bleibt eine emotionale Distanz zum übrigen Ensemble-Geschehen. Es mag auch schwerer sein mit der Gitarre ein Ensemble-Sound zu steuern als mit dem klassischen Flügel. Die Stilistik ihrer akustischen Gitarre ist nicht leicht auszumachen. Weder ist es eine mehr oder weniger swingende (klassische) Jazzgitarre, noch ist es eine der unzähligen Spielarten des Fusion-Gitarren-Sounds. Da tönt auch keine folkloristische Klampfe und da nervt auch kein losgelassenes Noise-Instrument. Mary Halvorson verfügt über einen eigenen Stil. Dieser klingt anders als gewohnt, ist sicher gewöhnungsbedürftig und verlangt wohl auch kleinere Ensembles, um besser durchzudringen, um ihrem Spiel Luft zu verschaffen. Von den Kompositionen und Arrangements ihre Musik abgesehen, bestimmt sie mit ihrer Spielweise der Gitarre nur wenig das Geschehen auf der Bühne und trägt gering zum kompakten Sound der Band bei. Es bleibt der Wunsch, Mary Halvorson in kleineren Formationen auch stärker solistisch zu hören.
Kurzgeschichten über neun Konzerte des Jazzfestes Berlin 2018.
Die einzelnen Konzerte des Festivals in der Übersicht:
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